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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Neuerwerbungen des deutschen Museums in Berlin
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0092

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163

Nekrologe

164

nicht weiter nachzuspüren, als er sich in seinem Werke
zwanglos selbst offenbarte. Und auf Grund dieses
glücklicherweise unverfälschten Zeugnisses dürfen wir
ihn den besten seiner oberdeutschen Zeitgenossen
gleichstellen. In der prägnanten und höchst aus-
drucksvollen Zeichnung, dem Reichtum der Gruppen-
bildung und der Faltenanlage, vor allem auch der
außerordentlich feinen Farbbehandlung stellt er sich
neben so vielen Handwerksmeistern als ein echter
Künstler dar.

Zum Schluß können endlich zwei Werke von
Hauptmeistern des beginnenden 16. Jahrhunderts ge-
nannt werden. Für das Bildnis eines Mannes von
Lukas Cranach kann wiederum auf einen Aufsatz
Friedländers in den Amtlichen Berichten verwiesen
werden. Es sind hier die Cranachschen Porträtarbeiten
der sogenannten Frühzeit, d. h. der Jahre von 1506
bis 1513, zusammengestellt, denen sich das neue Stück
in überzeugender Weise einfügt. Gerade in den
letzten Jahren sind für das Berliner Museum eine
Anzahl vorzüglicher deutscher Bildnisse erworben
worden, denen sich nun der wohlerhaltene, schöne
Porträtkopf Cranachs anreiht. Noch bedeutender ist
die Bereicherung, die die Werke Hans Burgkmairs
in der Berliner Galerie durch eine stattliche »Heilige
Familie« in Halbfigur erfahren. Die Kunst der Augs-
burger Renaissance wird durch das Stück aufs glück-
lichste repräsentiert. Die tiefe, auf Braun gestimmte
Farbigkeit, die aus Venedig abgeleitete Architektur,
die elegante Gruppenbildung und selbst eine charakte-
ristische Verzeichnung weisen unzweideutig auf
Burgkmair hin. Das Werk, das bisher vollkommen
unbekannt gewesen ist, bedeutet nicht nur einen sehr
erwünschten Zuwachs der Berliner Sammlung, sondern
ebenso sehr eine Bereicherung unserer Vorstellung
von der Kunst des Augsburger Meisters. G.

NEKROLOGE

Professor Dr. Albrecht Kurzwelly, der verdiente
Direktor des Leipziger Stadtgeschichtlichen Museums, ist
am 8. Januar 1917 entschlafen. Er wurde am 20. Januar
1868 in Leipzig als Sohn eines viel beschäftigten Leipziger
Arztes geboren, studierte erst kurze Zeit Theologie, ging
dann.zur Kunstgeschichte über und verdankte seine wissen-
schaftliche Richtung den Leipziger Professoren Anton Springer
und Hubert Janitschek. Er war lange Zeit Assistent am Leip-
ziger Kunstgewerbemuseum und erwarb sich umfassende
Kenntnisse der Geschichte der Kleinkunst, für die der von
ihm verfaßte Text der Publikation über die Altthüringer Por-
zellankunst und seine Studien über die deutschen Bildtep-
piche des 16. Jahrhunderts kennzeichnend sind. Außerdem
war er Mitarbeiter an dem großen Künstlerlexikon, das von
Professor Ulrich Thieme herausgegeben wird und von dem
seither 12 Bände (bis Fyt) erschienen sind. Ein Viel-
schreiber war Albrecht Kurzwelly nicht, aber was er in
Angriff nahm, war sorgfältig vorbereitet, gründlich ge-
sichtet und übersichtlich gruppiert. Ein unermüdlicher,
stiller Trieb zur Forschung beseelte ihn und machte ihn
zur Leitung des Stadtgeschichtlichen Museums ganz be-
sonders geeignet; sein Spürsinn, seine liebenswürdige, be-
scheidene Art unterstützten seine Absichten wirksam, so
daß das erwähnte Museum in seiner heutigen Gestalt, seiner
Reichhaltigkeit, seiner guten Gruppierung durchaus Kurz-

wellys Schöpfung ist. Mit großer Liebe hing er an der
guten Stadt Leipzig, in deren Vergangenheit er wie wenige
Bescheid wußte und deren historische Kunstschätze er,
wo er nur konnte, zu sichern und für sein Museum zu
erhalten unablässig bemüht war. Diese Kenntnis trat
besonders auf der von Kurzwelly 1912 veranstalteten Porträt-
ausstellung aus Leipziger Privatbesitz hervor, die so manches
Überraschende ans Tageslicht zog; aber auch die übrigen,
mit emsigem Fleiß und Beharrlichkeit durchgeführten
Schaustellungen (Richard Wagner-Ausstellung, Gedächtnis-
ausstellung der Völkerschlacht) belegten diese Tatsache.
Daß er im Verein für die Geschichte Leipzigs als Samm-
lungsvorstand und als stellvertretender Leiter tausendfach
anregend gewirkt hat, scheint selbstverständlich — aber
das war es nur, weil dieser echte Gelehrte nur die
Sache im Auge hatte und sich nie mit seiner Person
vordrängte. Ihm war ein Wesen eigen, das ihm alle
Türen öffnete: bescheiden und rücksichtsvoll, heiteren
Herzens, voll Vertrauen nahte er sich, wo es galt, ein
Ziel, das ihm vorschwebte, zu erreichen. Er hatte, da
ihm Eitelkeit und Ruhmredigkeit ganz fremd waren, keine
Feinde, denn er stand niemand im Wege und verletzte nie,
wußte aber doch auch seinen Wert zu wahren und die
Überschätzung, wo sie ihm entgegentrat, vornehm zurück-
zuweisen. Er war daher alles in allem der rechte Mann
für das ihm 1909 übertragene Amt, und es wird schwer
sein, einen ihm gleichwertigen Ersatz zu finden, der in
ähnlicher Weise die guten Eigenschaften eines Museums-
direktors in sich vereinigt und die ungünstigen, die ein
solcher Beamter haben kann, nicht mitbringt. Leider hat
ihn ein langes Leiden, das sich in den letzten Jahren stark
verschlimmerte und ihm zuletzt das Herz brach, oft an der
Verfolgung seiner Ziele gehindert. Aber mit dem Bewußt-
sein, doch über kurz oder lang dem Kampfe mit Freund
Hein zum Opfer zu fallen, tat er, was er konnte, ohne je
seinen guten Humor zu verlieren; nie verlor er seine Pflicht
aus dem Auge, nie war er scharf oder bitter, verzweifelt
oder mißtrauisch: Innerer Reichtum, heiterer Sinn und reine
Zwecke waren es, die sein Leben und Wirken bestimmten
und sein Verschwinden so schmerzlich gemacht haben.

Am 8. Januar starb in München der Maler Hans
Borchardt. Er stammte aus Berlin, wo er am 11. April
1865 geboren wurde und auch seine erste künstlerische
Ausbildung genoß. Sein Hauptlehrer war Fr. v. Uhde in
München, doch gab er später den engen Anschluß an den
Meister auf. Seine Interieurs mit einzelnen weiblichen
Figuren, die meist in hellen Biedermeierkleidern erscheinen,
haben den Künstler sehr bekannt gemacht und vielfach ver-
gessen lassen, daß er auch sehr ansprechende Landschaften
geschaffen hat. An äußeren Auszeichnungen hat es diesem
geschätzten Mitglied der Münchener Sezession nicht ge-
fehlt. Mr.

William M. Chase f- Wie erst jetzt bekannt wird,
starb Ende Oktober vergangenen Jahres William Merrit
Chase. Mit ihm ist einer der bedeutendsten modernen
amerikanischen Maler dahingeschieden. Chase kam 1849
in Franklin (Indiania) zur Welt, ging mit 20 Jahren nach
New York, ließ sich nach kurzem Studium bei Eaton in
St. Louis an der dortigen Academy 1871 nieder, ging jedoch
auch von hier bald weg, um in München bei Piloty und
Wagner zu studieren. Sechs Jahre blieb er bei diesen ge-
feierten Lehrern, denen er nicht zum kleinsten Teil seine
vielgerühmte, ebenso gediegene wie brillante Technik ver-
dankt. Zusammen mit seinem Landsmann Duvenek, der
München bekanntlich ebenso viel verdankt wie er selbst
deutschen Kollegen Anregungen gegeben hat, studierte er
in Venedig die alten Meister, vor allem Tintoretto. 1878
 
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