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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Heise, Carl Georg: Glossen zu Propaganda "werdender Kunst"
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Benno Berneis
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0149

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277

Benno

Berneis

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der Talente vollziehen können. Und sie wird bei
aller schonungslosen Sichtung von dem nichts unge-
schehen wünschen, was geschaffen und gefördert wurde
aus leidenschaftlicher Notwendigkeit, selbst wenn sein
allzu zeitbedingtes Gepräge vor dem Forum der Ewig-
keit zu leicht befunden werden sollte. — Praktisch
wird vor allem möglichste Trennung von theoretischer
Abhandlung und Vorführung einzelner Künstlerpersön-
lichkeiten gefordert werden müssen. Programmatische
Erörterungen dürfen der Würdigung eines nur in sich
selbst gegründeten Talents nicht den Weg versperren.
Und die Darbietung jeder künstlerischen Erscheinung
muß durch ausgiebige Proben ihrer Begabung, nicht
durch neu erfundene Lehrsätze oder gar durch mystische
Orakelsprüche gestützt werden. Der Text muß dem
einzelnen Werk liebevoll nachgehen, an seiner Be-
schreibung und künstlerischen Ausdeutung haften,
analysieren und nicht systematisieren. Vor allem aber
wird er sich ängstlich hüten müssen vor jedem Wort,
das nicht den zu fördernden Künstlern dient, sondern
spielerisch zu unterhaltendem Selbstzweck herabsinkt.
Für die unzulängliche Art Westheimscher Kunstbe-
trachtung ist sein ganz auf dreiste Anpreisung ge-
stelltes Lob, die flache Redewendung von »elemen-
taren Kunstgeistern« von »gottvoller Innerlichkeit«
bezeichnend genug, nichts aber vernichtender als die
üble journalistische Entgleisung, wertvolle literarische
Zeugnisse der Vergangenheit in peinlich launiger Weise
auf Künstler der Gegenwart umzudeuten. Ein Gedicht
von Hölderlin mit »Münch«, eine Bemerkung von
Delacroix mit »Mopp« zu überschreiben, ist grotesk. Takt-
gefühl und selbstlose Hingabe an die Aufgabe fehlen.
Der dritte Grundpfeiler aber für die rechte Förderung
der Gegenwartskunst ist ein verehrendes Herz.

Die strenge Forderung mag überspannt, die Ab-
wehr verfrüht erscheinen. Gemessenere Zuschauer
mögen geduldigere Hoffnung auf selbständige Wand-
lung zum Besseren hegen, mögen freundlicher ge-
neigt sein, mit der Ungunst der Zeiten auch grund-
sätzliche Irrtümer und bedenkliche Leichtfertigkeit zu
entschuldigen. Aber erinnern wir uns, daß das Häuf-
lein derer, denen heute die Wahrung der geistigen
Güter anvertraut ist, immer kleiner wird, so daß die
wenigen, die ein Ausnahmeschicksal im alten Amte
zurückließ, die Verantwortung in verschärftem Maße
zu fühlen verpflichtet sind. Sie sind den Heimkehren-
den Rechenschaft schuldig. Der Kunsthistoriker ist,
wenn anders er seinen Beruf als schöpferische Auf-
gabe erfaßt, mit einem entscheidenden Teil seiner
Arbeitskraft ein Diener werdender Werte. Und nur wenn
er diesem Dienst draufgängerisch und mit gesteigerter
Hingabe sich verschreibt, wird er in diesen Zeiten
äußerster Anspannung die unbeirrte Erfüllung seines
abwegigen Handwerks vor der Welt und vor sich selbst
verantworten können. CARL GEORG HEISE.

BENNO BERNEIS

In Rösler und Berneis beklagt die Berliner Künstler-
schaft die schwersten Verluste dieses Krieges. Und
nach der Rösler-Ausstellung, in der es Abschied zu

nehmen galt von einem Frühvollendeten, bereitet der
Cassirersche Kunstsalon nun Berneis diese letzte Ehrung
in einer schönen und würdigen Ausstellung, die das
Lebenswerk des Gefallenen in seinen markantesten
Stücken noch einmal vor Augen führt.

Auch wer Berneis zu kennen glaubte, wird diese
Ausstellung als eine Bereicherung seiner Vorstellung
und als eine endgültige Klärung empfinden. Nicht
daß sie das Urteil zu verändern vermöchte. Aber
wenn zuweilen die Umrisse der künstlerischen Gestalt
schwankend und ungewiß erschienen, so wird hier
das gleichsam aus einem Chaos emporwachsende,
intensive Streben eines aus starkem Temperament und
bewußtem Intellekt merkwürdig zusammengesetzten
Talentes offenkundig. Ein Streben gewiß, das noch
zu keinem letzthin gültigen und bleibenden Ziele
führte. Berneis' Schaffen schließt mit einer großen
Frage an das Schicksal, schließt mit der Frage an
die Zukunft, die des Künstlers eigene Sorge war, und
die nun keine Antwort mehr finden wird. Denn der
Tod hat Berneis in der entscheidenden Stunde den
Pinsel aus der Hand genommen, hat seinem Schaffen
ein Ziel gesetzt, als es gegolten hätte, aus den neuen
Erkenntnissen, zu denen er sich durchgerungen hatte,
die letzte Folgerung zu ziehen. Vielleicht wäre der
Künstler an dem Freskenauftrag, den der Architekt
Wilhelm Kreis ihm gestellt hatte, gescheitert. In ihm
selbst war ebensoviel Freude wie Sorge um diese
Arbeit. Vielleicht aber wäre dieses Deckenbild ihm
der entscheidende Schritt zu einer endgültigen Be-
freiung seiner Kunst geworden.

Die Ausstellung zeigt Proben der letzten großen
Kompositionsversuche des Künstlers, von dem Georg,
der zum ersten Male und mit glücklichstem Gelingen
ein räumlich kompliziertes Motiv einfach und klar
in den quadratischen Rahmen zwingt und mit schöner
Selbstverständlichkeit in flächenhaftes Dasein bannt,
bis zu dem stürzenden Engel, in dem die wesen-
haften Elemente des Vorwurfs bis zu einer blassen
Schemenhaftigkeit getilgt werden. Es lagen viele Ge-
fahren auf diesem Wege, nicht zuletzt auch die Ge-
fahr, bei der engen Berührung mit den Bestrebungen
eines jüngsten Eklektizismus die Selbständigkeit des
Empfindens und Gestaltens einzubüßen, die immer
Berneis' bestes Teil gewesen ist. Er nähert sich in
manchen dieser Versuche einer schematisierenden Akt-
malerei, die den Gegenpol seiner ursprünglich ganz
auf den individuellen Ausdruck eingestellten Kunst
bildet. Zwischen diesen beiden Polen hätte der Aus-
gleich gefunden werden müssen. Das zeigt die Aus-
stellung deutlich, und man darf es beklagen, daß es
Berneis selbst nicht beschieden war, seine Werke an
den Wänden des großen Saales in Cassirers Kunst-
salon zu sehen, wie wir es nun können, um das
Erreichte zu prüfen, das Fehlende zu erkennen und
den gewonnenen Boden zu neuer Arbeit zu bereiten.

Berneis ist ursprünglich und seiner Begabung nach
Porträtmaler gewesen. Ihn interessierte alles Mensch-
liche, und es lockte ihn die Erscheinung als Spiegel
der Seele. Noch mit unbeholfenen und fast dilet-
tantischen Mitteln wagte er sich an die schwierigsten
 
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