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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Cohen, Walter: Rheinischer Brief
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Lange, Konrad: Die Zukunft der Vorbildung unserer Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0173

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Die Zukunft der Vorbildung unserer Künstler

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den Krieg erwachsenen Schwierigkeiten, zumal infolge
der Einberufungen des Beamtenpersonals. Die Metall-
beschlagnahmungen brachten ganz neue Aufgaben. Zur-
zeit ist Provinzialkonservator Professor Renard mit der
Inventarisation der Kirchenglocken beschäftigt. Der
Bericht der Provinzialmuseen verzeichnet viele wich-
tige Neuerwerbungen, während die archäologische
Ausgrabungstätigkeit begreiflicherweise ins Stocken
geriet. Im Trierer Museum ist jüngst durch den
Unterzeichneten auf Veranlassung der Direktion die
Abteilung der alten Gemälde der dringend notwen-
digen Neuordnung und einer vorläufigen Katalogi-
sierung unterzogen worden. WALTER COHEN.

DIE ZUKUNFT
DER VORBILDUNG UNSERER KÜNSTLER

In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
war, wie ich mich noch gut erinnere, in den Kreisen
der Münchener Künstler, die damals dem Kunstge-
werbe einen neuen Anstoß gaben, viel davon die Rede,
daß unsere Kunstakademien und Kunstgewerbeschulen
im Sinne einer einheitlichen Kunsterziehung
reformiert werden müßten. Nur so, meinte man,
könne der hergebrachten Verachtung des Kunstge-
werbes gegenüber den »höheren« Künsten, d. h. der
Malerei und Plastik, gesteuert werden, nur so könne
das Gros unserer Künstlerschaft diejenige Vielseitig-
keit der Vorbildung erhalten, die es im Kampfe
ums Dasein brauche. Jeder Maler und Bildhauer
müsse womöglich auch im Kunstgewerbe ausgebildet
werden, zum mindesten einen Zweig desselben gründ-
lich erlernen, um dadurch für sein späteres Leben
eine wirtschaftliche Grundlage der Existenz zu ge-
winnen. Ich selbst bin damals — als Niederschlag
aus diesen Gesprächen — wiederholt praktisch und
theoretisch für diese einleuchtende Idee eingetreten,
habe zum Beispiel bei der Gründung der Stuttgarter
Lehr- und Versuchswerkstätten für angewandte Kunst
(1901) dahin zu wirken gesucht, daß die neu zu grün-
dende Unterrichtsanstalt, die inzwischen in der Kgl.
Kunstgewerbeschule aufgegangen ist, der Kunst-
akademie angegliedert würde — ein Vorschlag, der
allerdings damals nicht durchgesetzt werden konnte.
Es war mir deshalb sehr interessant und weckte meine
volle Zustimmung, daß W. v. Bode in einem Artikel
der »Woche« (1. April 1916) über die »Aufgaben der
Kunsterziehung nach dem Kriege« ebenfalls eine Re-
form des Kunstunterrichts in diesem Sinne forderte.
Das Wesentliche seiner Vorschläge gipfelte in der
Einrichtung einer gemeinsamen Vorbildung im
Zeichnen und Modellieren für Maler, Bild-
hauer und Kunstgewerbler, wobei der Übergang
zur freien Kunst, d. h. der Eintritt in die Meisterateliers
der oberen Stufen nur wenigen Auserwählten, d. h.
den wirklich Begabten offen stehen würde, während
die Ausbildung in einem der vielen Kunstgewerbe-
berufe das Hauptziel des Unterrichts bilden müßte.
Dem gegenüber hat A. Kampf, der derzeitige Direktor
der Akademie der bildenden Künste in Berlin (»Woche«
vom 5. August 1916) geltend gemacht, daß eine solche

Verschmelzung der Kunstakademien mit den Kunst-
gewerbeschulen nicht durchführbar sei, weil die Be-
gabung für die sogenannte »hohe« Kunst eine gänzlich
andere sei als die für die »angewandte« Kunst und
demgemäß auch die Schulung für beide Seiten der
künstlerischen Tätigkeit eine ganz verschiedene sein
müsse. Es bestehe nun einmal ein Rangunterschied
zwischen beiden. Man könne einen japanischen Bett-
schirm noch so hoch schätzen, mit den Deckenbildern
der sixtinischen Decke lasse er sich doch nicht ver-
gleichen. Und der Staat habe die Pflicht, Bildungsstätten
zu unterhalten, die auf die hohe Kunst vorbereiteten.

Nach der ersten Formulierung Kampfs schien der
Gegensatz zwischen beiden Anschauungen ziemlich groß
zu sein. Doch hat dieser sich neuerdings derjenigen
Bodes sehr genähert, so daß eigentlich kein prinzi-
pieller Unterschied mehr besteht. Beide halten danach
einen gemeinsamen Unterbau der verschiedenen
Bildungsanstalten für wünschenswert. Sie denken sich
diesen in der Form von Zeichen- und Modellierklassen,
wo — etwa l1/^ bis 2 Jahre lang — das Studium
der Natur, d. h. nach Menschen, Tieren, Pflanzen und
toten Gegenständen betrieben würde. Dieser gemein-
same Unterbau würde, so meinen sie, von selbst den
Erfolg haben, daß die große Masse der künstlerischen
Begabungen den angewandten Künsten zugeführt würde.
Nach Absolvierung dieser Vorschule müßte sich aber
der weitere Kunstunterricht gabeln. Die für die freie
Kunst Begabten müßten in die Meisterateliers der Aka-
demien eintreten, die zum Kunstgewerbe Hinneigenden
in kunstgewerblichen Ateliers weitergebildet werden.
Eine lokale Trennung beider Unterrichtsarten würde sich
nach Kampf in den größeren Kunstzentren ganz von
selbst ergeben, während sich in den kleineren Kunst-
städten die Anstalten vielleicht zusammenlegen ließen.

Die beiden Aufsätze Bodes und Kampfs haben
Woldemar von Seidlitz die Anregung gegeben, eine
Rundfrage bei Künstlern und Kunsthistorikern zu ver-
anstalten, die sich auf die Möglichkeit der Verbindung
des kunstgewerblichen Unterrichts mit dem in der
Malerei und Plastik, auf die Art, wie die Auswahl
der begabtesten unter den kunstgewerblich ausgebil-
deten Schülern zum Zweck des Übertritts in die Aka-
demien vorzunehmen wäre, auf die Notwendigkeit
und den Charakter der Meisterateliers, auf die wirt-
schaftlichen Vorteile einer allgemeinen Ausbildung im
Kunstgewerbe usw. bezog. Die Antworten auf diese
Rundfrage zusammen mit den Bemerkungen des
Herausgebers liegen jetzt in einer sehr interessanten
Broschüre vorx). Die Bedeutung des Schriftchens ergibt
sich schon aus den Namen der für die Rundfrage
Ausgewählten. Von Künstlern und Kunstschuldirek-
toren haben sich geäußert: Bantzer, Czeschka, Hilde-
brand, L. v. Hofmann, Kalckreuth, Klinger, Liebermann,
R. Meyer, Nissen, Olde, Paul, K. Schäfer, S. Schneider,
Stuck, Fr. v. Tiersch, Thoma und Trübner.; Von Kunst-
historikern: Deneken, Gronau, K. Neumann, Pauli,

1) Die Zukunft der Vorbildung unserer Künstler. Aus-
sprüche von Künstlern und Kunstfreunden, zusammenge-
stellt von Woldemar v. Seidlitz. Verlag von E. A. Seemann
in Leipzig 1917. 52 S. 8°.
 
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