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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Schulze, Friedrich: Das Breslauer Erinnerungswerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0036

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51

Das Breslauer Erinnerungswerk

52

DAS BRESLAUER ERINNERUNGSWERK1)

Von Dr. Friedrich Schulze in Leipzig

Nach Abschluß eines so großen Unternehmens,
wie es die Breslauer Historische Ausstellung von 1913
war, bleibt die Frage aufzuwerfen: Was ist unter dem
ausgestellten Material das eigentlich Dokumentarische
gewesen? Schwerlich war das Dokumentarische in
den Schlachtendarstellungen zu suchen, die — viel-
fach Studienprodukte späteren Datums — allzusehr
hinter der Größe der Ereignisse zurückbleiben; auch
nicht in erster Linie in den Waffen, die ein Gebiet
für sich sind, oder in Karikaturen und Kleinkunst; eher
schon im Eisenschmuck, dessen Erforschung die Bres-
lauer Ausstellung mit angebahnt hat; am meisten jedoch
im Porträt.

So etwa beantwortet auch das Erinnerungswerk
die Frage, das aus den vielen tausend Nummern, die
in den 56 Räumen von Poelzigs historischer Halle
untergebracht waren, eine allerstrengste Auswahl zu
treffen genötigt ist: fast vier Fünftel seiner Wieder-
gaben sind Porträts.

Trotz dieser gebotenen Verengerung muß aber
natürlich, wenn man so sagen darf, der Mikrokosmos
»Erinnerungswerk« die wesentlichen Züge des Makro-
kosmos »Ausstellung« aufweisen und Hauptergebnisse
festhalten. Als Hauptergebnisse der Ausstellung konnten
vielleicht betrachtet werden: Erstens, die Kenntnis der
lokalen Kunstentwicklung wurde mannigfach bereichert,
obwohl oder auch gerade weil das nicht der ursprüng-
lich maßgebende Gesichtspunkt der Sammeltätigkeit
war. Der ausgesprochene Zweck blieb vielmehr, »ein
umfassendes, nicht auf Preußen beschränktes Bild der
Freiheitskriege im Rahmen der Kunst und Kultur ihrer
Zeit« zu geben. Zur Ausführung dieses Programmes
bedurfte es aber der Durcharbeitung zahlloser Archive,
Museen, Privatsammlungen in allen beteiligten Ländern.
Vieles erschloß sich zum erstenmal überhaupt, und
wenn auch der Textteil des vorliegenden Bandes An-
deutungen über die inhaltliche Bedeutung der einzelnen
Räume unter diesem Gesichtspunkte enthält, so wird
doch niemals ganz festgehalten werden, was aus dem
in Breslau vereinigten Material geschöpft werden konnte.
Auch an der Hand der Reproduktionen sind nur Einzel-
bemerkungen möglich. Neben vielen bekannten Namen,
Hof- und Repräsentativmalern wie Graff, Stieler, Law-
rence, Dawe, dem Dresdener Schmidt, dem Weima-
raner Jagemann, Kügelgen und der Le Brun lernen
wir kennen oder wenigstens in unbekannteren Werken
würdigen: den Breslauer Porträtisten Herrmann mit
seinem empfindsamen Bildnis der Gräfin Yorck an
der Urne ihrer Kinder (zu dem die Ausstellung noch
ein Feldherrnporträt Yorcks als Gegenstück bot), den

1) Die Historische Ausstellung zur Jahrhundertfeier
der Freiheitskriege Breslau 1913. Im Auftrage der König-
lichen Haupt- und Residenzstadt Breslau herausgegeben
von Karl Masner und Erwin Hintze. 100 Tafeln und viele
(71) Abbildungen im Texte. Selbstverlag der Stadt Breslau.
Vertreten durch Ferdinand Hirt, Königliche Universitäts- und
Verlagsbuchhandlung in Breslau. Breslau im Kriegsjahre
1916. (76 Seiten Text und 100 Tafeln.)

Westfalen Rincklake, den Holsteiner Karl Friedrich
Groeger, den Kasseler Hofmaler Sebastian Weygandt,
den schlesischen Miniaturenmaler Carl Gottlob Schmeid-
ler. Hatte auf Rincklakes lebensvolles Bild »Blücher
als Meister vom Stuhl der Münsterer Loge zu den drei
Balken« bereits 1906 die Berliner Jahrhundertausstellung
den Blick gelenkt, so kamen 1913 noch weitere Werke
Rincklakes — unter ihnen auch ein Porträt Steins —
hinzu, von denen das Bildnis von Blüchers einziger
Tochter in dem Werke reproduziert ist. — Groeger war
ja im Zusammenhang mit der Hamburger Bildniskunst
zuerst von Lichtwark gewürdigt worden; jetzt tritt neben
sein Hamburger Blücherporträt eine der Kieler Kunst-
halle gehörige spätere Variante von eigenem Gepräge,
die freilich die dämonische Kraft im Wesen des Feld-
marschalls sehr stark hinter die gleichfalls vorhandene
joviale Liebenswürdigkeit zurücktreten läßt. —

Der bedeutendere, und wenn man so will: bewußtere
Fortschritt, den die Ausstellung brachte, lag indes auf
dem Gebiet der Ikonographie der Freiheitskriege.
Der Dargestellte besaß, mochte auch künstlerisch Un-
zulänglichesausgeschiedenwerden.indiesemZusammen-
hang naturgemäß größeres Interesse als der Künstler.
Und Neuland genug war vorhanden; für Entdecken
wie systematisches Einordnen war der Spielraum noch
wenig begrenzt, höchstens daß das Napoleonbildnis
eingehendere Bearbeitung gefunden hatte.

Unter diesem stofflichen Gesichtspunkt stellt bei-
spielsweise — namentlich bei der geringen Anzahl
guter Steinbildnisse —• ein Steinporträt, das Caroline
von Riedesel vermutlich nach der Natur gezeichnet hat,
eine wirkliche Bereicherung dar; nicht weniger die
Elfenbeinminiatur des noch seltener porträtierten
Scharnhorst (von Tangermann aus dem Schicksals-
jahre 1812) die gerade durch die größere Herbheit der
Züge mehr Glauben als die verwascheneren Bilder von
und nach Bury erweckt. Überhaupt wird jeder, der
die preußischen Führer der Zeit: Regenten wie mili-
tärische und staatliche Reformer, im Bilde sich ver-
gegenwärtigen will, künftig von diesem Werk ausgehen
müssen, wobei er freilich niemals nebenbei den Katalog
der Ausstellung entbehren kann, aus dem sich für
nicht wenige Persönlichkeiten spezielle Ikonographien
zusammenstellen ließen. Eine besondere Probe für
den originellen Wert des Erinnerungswerkes ist, daß
selbst die enge Auswahl der französischen Bilder den
Reiz der Seltenheit mit dem repräsentativen Charakter
zu verbinden versteht: Wiener Miniaturbildnisse Napo-
leons und Marie Luisens, von Isabey im Vermählungs-
jahr 1810 geschaffen, die Monumentalbilder von drei
Schwestern Napoleons und von Hortense (seit 1815
im Blücherschen Familienbesitz), das Jerömeporträt
Weygandts und das Pastellbild Berthiers von Johann
Heinrich Schmidt beweisen, daß man in der Tat
durch wenige ausgewählte Beispiele etwas von dem
Eindruck der in ihren Vorstudien so weitausgreifen-
den und im Geschmack so erlesenen Ausstellung von
1913 festzuhalten vermag.

Auch in der kleinen, nur die wichtigsten Einschnitte
markierenden Gruppe von Ereignisdarstellungen finden
sich Hinweise von Belang. So werden — außer den
 
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