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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Kunstgeschichte und Weltkrieg
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Franz von Bayros
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0052

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Franz von Bayros

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dargelegt, ohne aber dabei über Europa östlich hinaus-
zugehen. Strzygowski verfolgt nun ihre Spuren, die
bis Indien, ja scheinbar bis China reichen, in Armenien,
wo sie ebenso deutlich erhalten sind wie in der Lombardei.
Andererseits weist er auf die bisher völlig unbeachtete,
von den Altailändern durch die türkischen Nomaden-
völker nach Vorderasien und Osteuropa vorgetragene
uralaltaische Ornamentik hin, die sich in der textilen
Heimkunst und den Metallbeschlägen ihrer Zaumzeuge
forterbte, und wofür z. B. der Goldschatz von Nagy
Szent Miklos im Wiener Hofmuseum ein prächtiges
Denkmal ist.

Aus der Vermischung dieser beiden Ornament-
schätze erklärt Strzygowski die islamische Ornamentik,
die man mit dem irreführenden Wort Arabeske zu
bezeichnen pflegt, »Die Araber haben die arische und
altaische, ihrer Nomadenart entsprechende Kunst einfach
übernommen« (S. 24). Vorbereitet sei diese islamische
Ornamentik schon in der späthellenistischen Ornamentik
Vorderasiens, wie sie von den Parthern, Sasaniden
und Byzantinern verwendet wurde. Als glänzendstes
Beispiel dieses vorislamischen Ornamentstiles wird die
»in parthischer Art ausgeführte« Fassade von Mschatta
genannt. Sie gehört einer Stilbildung an, die Strzygowski
im Gegensatz zum mittelländischen den »sakischen
Hellenismus« nennt, wobei im Begriff Hellenismus
der Hauptnachdruck auf seine imperialistische Tendenz
gelegt wird, die die Ornamentik im Dienst des kirch-
lichen und weltlichen Machtwillens prunkmäßig ausbaut.
Im Kapitel über die Baukunst wird der christliche
Zentralkirchenbau in Armenien auf das ostiranische
Kuppelhaus als Ursprung zurückgeführt und der starke
Einfluß des iranischen Zellenkuppel- und des außen
unsichtbaren Verstrebungssystemes auf den orthodoxen
Kirchenbau dargelegt.

Im Gegensatz zur Architektur und Ornamentik,
die aus der Volkskunst emporstiegen, also im Volke
wurzelten, war die Malerei »dauernd unter dem Ein-
flüsse der alten Kulturoasen des Südens geblieben«.
Gleich wie sie im alten Orient als Reliefplastik im
Dienste des Imperiums stand, mußte sie nun der Kirche
dienen. Während jedoch der imperialistische Ausbau
den beiden anderen Kunstgattungen nicht schadete,
sie vielmehr zu größerer Wirkung entfaltete, verfiel
die Malerei durch maßlose Anhäufung schematischer
Figuren, mit denen sie als Bilderschrift dienen sollte,
in einen Stil, der mit unseren künstlerischen Forde-
rungen an sie im Widerspruch steht. Dies gilt in
erster Linie von der orthodoxen Kirchenmalerei, dann
aber auch für die unter östlichem Einflüsse stehende
westeuropäische bis zu ihrer Befreiung. Wie stark
und nachhaltig der östliche Einfluß auf die europäische
Malerei bis auf unsere Zeit blieb, beweist z. B. die
vollständige Verdrängung des bartlosen hellenistischen
Christuskopfes durch den orientalischen mit Bart und
gescheiteltem Haar. In großem Umfang aber zeigt
sich diese Nachwirkung des östlichen Imperiums in
vielen bis heute aufrecht gebliebenen Einrichtungen
des Staates und der Kirche — in der Kunst zum
letzten Male in großem Stil in der Barocke. Die
Schrift gipfelt im Hinweis dieser starken Durchdringung

Osteuropas, ja in vieler Hinsicht ganz Europas mit
dem alten orientalischen Machtwillen, einem Machtwillen,
der sich auch im Weltkrieg wieder deutlich äußert.
Ihm gegenüber verweist Strzygowski auf die »innere
Linie, die Europa mit dem von ihm durchsetzten
Orient verband« auf »jene indogermanische Achse, die
einst die Altaier und Semiten des östlichen und west-
lichen Asiens auseinanderhielt und eine seelische Ein-
heit von der Ostsee bis Indien herstellte«. Sie könnte
durch Wiederaufnahme des alten direkten eurasischen
Verkehrsweges über Südrußland um das Schwarze
und das Kaspische Meer herum, den die alten Arier
zogen, wiederhergestellt und damit neuerdings eine
eurasische planetarische Kultur geschaffen werden, die
ohne Despotie in sich gefestigt jedem der großen
Zukunftsfeinde standhalten würde. DIEZ.

FRANZ VON BAYROS

Es ist im allgemeinen nicht der Brauch dieser
Zeitschrift, sich eingehender mit Dingen zu befassen,
die mit bildender Kunst in einem so losen Zusammen-
hang stehen wie eine Ausstellung von Zeichnungen
Franz' von Bayros, die jetzt im Künstlerhause zu sehen
ist. Aber der auffallende Erfolg, den diese Veran-
staltung beim Publikum gefunden hat, und der sich
sogar in einer ungewöhnlichen Zahl von Verkäufen
unzweideutig kund gibt, zwingt für dieses Mal, die
übliche Reserve aufzugeben, zumal dieser Künstler, der
sich auf besonderen Wegen einen weithin bekannten
Namen geschaffen hat, zum ersten Male hier ernsthaft
der Kritik sich stellt.

Bayros ist im Laufe der letzten Jahre der erklärte
Liebling gewisser Kreise der Bibliophilen geworden.
Privatdrucke mit seinen frivolen Illustrationen bilden
das höchste Ziel der Sammler. Man kann dazu
schweigen, wenn der ohnedies meist nicht eben ver-
wöhnte Geschmack der Bücherliebhaber durch diese
nichts als routinierten Zeichnungen von Grund aus
verdorben wurde. Ob die süßlichen Niedlichkeiten
englischer Modekünstler gesammelt werden oder die
lasziven Blätter von Bayros, macht am Ende keinen
Unterschied. Beides hat mit Kunst ebensowenig zu
tun wie der allgemeine Betrieb der Exlibris-Zeich-
nung, zu dem auch Bayros sein gut Teil beigesteuert
hat. Es wäre auch kaum notwendig, dazu Stellung
zu nehmen, wenn nicht von diesen Kreisen, deren
Liebhaberei man so wenig zu stören braucht als die
der Briefmarkensammler, immer wieder gelegentlich
ein Name emporgehoben, der Ruhm eines angeblichen
Künstlers mit lauten Tönen verkündet würde, wie jetzt
der des Franz von Bayros. So tritt dieser Zeichner
nun gewissermaßen mit einer breiten Rückendeckung,
die ihm die weitverzweigte Gemeinde seiner Anhänger
bietet, vor das größere Publikum und langt nach
neuem Ruhme, indem er aus dem Gebiete einer
lüsternen Erotik, das ihm zum wenigsten natürlich und
angemessen schien, der Stimmung der Zeit folgend
zu religiösen Motiven und Kriegsapotheosen übergeht.

Dieses frivole Beginnen fordert den schärfsten
Widerspruch heraus. Wer mit so kalter, berechnen-
der Fertigkeit, so ohne jede Spur innerer Beteiligung
 
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