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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Schumann, Paul: Dresdner Kunstausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0255

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 42. 14. September 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an LA. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer

DRESDNER KUNSTAUSSTELLUNG

Die Künstlervereinigung Dresden hat ihrer wohl-
gelungenen Sommerausstellung von Ölgemälden und
plastischen Werken unmittelbar eine nicht minder ge-
lungene Ausstellung von graphischen Arbeiten, Aqua-
rellen und Pastellbildern folgen lassen, ein nicht ge-
ringes Zeugnis ihrer Tatkraft und ihres Lebenswillens.
Die Ausstellung umfaßt 590 Bilder der verschiedensten
Arten, darunter eine Sonderabteilung von Käthe Kollwitz
mit 85 Blättern, sowie kleinere Ausstellungen in eigenen
Räumen von Otto Hettner und Richard Dreher. Dazu
kommt die von Leipzig übernommene Sonderaus-
stellung Der junge Klinger mit 63 Werken, die in
der Hauptsache den Herren Dr. O. Hirzel und Gustav
Kirstein in Leipzig gehören und von diesen sowie anderen
Verehrern Klingers, wie Max Lehrs, in dankenswerter
Weise hergeliehen worden sind. Sehen wir weiter,
daß auch der verstorbene Franz Marc mit 35 Blättern
vertreten ist, daß auch Zeichnungen von Leibi und
Kaspar David Friedrich sowie Aquarelle von Hans
Thoma vorhanden sind, so ergibt sich im Verein mit
den Werken der Mitglieder und Gäste der Künstler-
vereinigung Dresden eine ungemein reizvolle Mannig-
faltigkeit der künstlerischen Persönlichkeiten und
Leistungen, ohne daß die Einheitlichkeit der Aus-
stellung darunter litte. Nicht zum geringsten Teil
rührt der angenehme Gesamteindruck der Ausstellung
von ihrer geschmackvollen Anordnung her, die von
jeher die Dresdner Ausstellungen ausgezeichnet hat.
Die Eingangshalle zieren eine Anzahl Gipsgüsse von
Werken der französischen Schule des 12. bis 14. Jahr-
hunderts aus den Kathedralen zu Amiens, Beauvais
und Chartres, die in der Geradheit der Auffassung
wie in der schlichten Kraft der Empfindung den Be-
strebungen mancher unserer jungen Bildhauer merk-
würdig nahe stehen. Sie entstammen der Dresdner
Skulpturensammlung.

Mehr noch als die Gemäldeausstellung zeigt diese
graphische Schau das Vorherrschen des Expressionis-
mus, die Nötigung für den Beschauer, auf Ausdruck
und Stimmung, ornamentale und dekorative Aus-
wirkung auch lebendiger Formen, Stilisierung bis zur
Unkenntlichkeit der zugrunde liegenden Motive, Ver-
lebendigung und Rhythmisierung der Linien ein-
zugehen, wenn er den richtigen Genuß der Werke
haben will. Scharfes Sehen, einläßlich durchge-
führte Zeichnung trifft man nur ganz vereinzelt;
Vereinfachung, Wirkung nur durch die Form und
mit dem geringsten Aufwand von Mitteln sind Ziel
und Streben der meisten. Bei Skizzen, flüchtigen
Notizen von Natureindrücken und Einfällen, ist dieses
Vorgehen als künstlerisch selbstverständlich zu werten,

bei anspruchsvolleren Arbeiten wird man nicht immer
von der inneren Notwendigkeit überzeugt; doch wird
man der aufstrebenden Jugend leicht den noch un-
geklärten Drang nach Neuem, Eigenem nachfühlen.

An der Spitze der Dresdner Künstler stehen, wie
in den vorigen Ausstellungen, Robert Sterl und Otto
Gußmann. Sterls Zeichnungen von Steinbrechern,
Lastträgern und Schiffsziehern zeigen seine unübertreff-
liche Kunst, die Bewegungen hebender, wuchtender,
zuschlagender, ziehender, kurz mit aller Kraft körper-
lich arbeitender Männer auf das überzeugendste fest-
zuhalten; seine Aquarelle von der Wolga, aus Kasan
und Moskau geben farbige Eindrücke bei sicherer
lockerer Formgebung eindringlich wieder. Von Guß-
mann sehen wir u. a. in Zeichnungen ein sprechendes
Selbstbildnis und eine Reihe Landschaften stark ver-
einfacht und in knappster Weise auf das Wesentliche
und Wirksame zurückgeführt; dazu die wohlabge-
wogene Komposition Christus zwischen Kriegern,
Entwurf zu einem Wandgemälde für Ehingen. Paul
Rößlers farbige Kompositionen nackter Menschenpaare
mit biblischem Hintergrund zeigen den monumen-
talen Zug des für die große Fläche schaffenden Künst-
lers; sein Gedenkblatt der Stadt Dresden zeigt eine
Dresda mit zwei Kindern, neben ihr einerseits das
Alter die Jugend im Ackerbau unterweisend, anderseits
mit dem Schwert umgürtend: das Ganze ist rein auf
das Figürliche beschränkt, groß und mit wuchtigem
Ernst gesehen. In eben diesem Saale sehen wir eine
Zeichnung von Kaspar David Friedrich — Strand
auf Rügen — in feierlich ernster Stimmung, daneben
einen trefflichen Leibi: Halbfigur eines Mädchens in
der Stube, flandrische Skizzen von Waldemar
Rösler f, dann von Graf Leopold v. Kalckreuth
zwei ansprechende Bilder: Bauernhof und Pflügender
Bauer (Aquarell), von Otto Lange einen blutigen
Christuskopf mit der Dornenkrone sowie eine Ma-
donna in mandorlaartiger Umrahmung, beides farbige
Holzschnitte, die Ausdruckskraft mit ornamentaler
Wirkung zu vereinigen suchen.

Ein kleinerer Raum ist Richard Dreher über-
lassen, der hier in gegen fünfzig Zeichnungen und
Holzschnitten sein vielseitiges Können und Suchen
bezeugt. Die stark vereinfachten Landschaften —
Felder mit einem einsamen Haus, zuweilen mit ber-
gigem Hintergrund — sind zum Teil ähnlich wie
bei van Gogh durch die Linienführung eigenartig
belebt; die noch strenger stilisierten Holzschnitte
wirken durch den starken, wohlausgeglichenen Gegen-
satz zwischen tiefem Schwarz und dem stehengelas-
senen Papierton. Den entsprechenden kleinen Raum
auf der anderen Seite haben Curt Hermann, Ludwig
von Hofmann und Ernst Richard Dietze inne. Her-
 
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