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Nekrologe
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lassen die Gegenleistung ihrer Sammlung zugute
kommen, andere bekommen Honorare, andere — wie
ich glaube, die meisten — tun es nur aus Gefällig-
keit, aus Interesse an der Sache.
Aber was ihnen bloß wissenschaftliches Interesse
ist, setzt sich dem, für den sie expertieren, unter
Umständen in bedeutende materielle Werte um; der
dadurch erfolgende Wertzuwachs des Objekts hängt
von mancherlei ab, von dem Grade der Dunkelheit, die
früher darüber lag, von dem Marktwert des erkannten
Namens, von Ruf und Ansehen des Beurteilers. Aber
es ist unzweifelhaft, daß ein Bild, das eine oberste
Autorität als Werk Rembrandts attestiert, dadurch auf
dem Kunstmarkt beträchtlich kostbarer geworden, ohne
jenes Attest vielleicht überhaupt nicht als Rembrandt
ausgegeben werden kann. Keinen Juristen oder
Mediziner wird sein intensives Interesse an einem
bestimmten Fall hindern, von einem begüterten
Klienten oder Patienten ein Honorar zu nehmen; der
Kunsthistoriker macht durch sein wissenschaftliches
noblesse oblige dem Sammler oder Händler, dem er
kostenlos expertiert und der in der Regel auch nicht
notleidet, ein reines Geschenk.
Dieser Zustand dürfte sich auf die Dauer als un-
haltbar erweisen. An sich wäre es sicher wünschens-
wert, die Kunstgeschichte und ihre Vertreter könnten
von der Berührung mit materiellen Interessen rein
gehalten werden und sich jenen Idealismus wahren,
der Philologen oder Historikern selbstverständlich ist;
aber da unsere Disziplin nun einmal mit bedeutenden
materiellen Werten zu tun hat, wird dies wohl ein
frommer Wunsch bleiben und die Zukunft wahr-
scheinlich — der allgemeinen wirtschaftlichen Ent-
wicklung entsprechend — auch in dieser Hinsicht eine
intensivere materielle Ausnützung der Fachkenntnisse
herbeiführen. Das Vorbild mancher ausländischer
Forscher, die Materialisierung der Gesamtauffassung,
endlich die Notwendigkeit für den Kunsthistoriker, sich
in den künftigen schwierigen Verhältnissen die Mittel
seiner kostspieligen Ausbildung zu erwerben — sonst
würden ja in Zukunft überhaupt nur Söhne von Kriegs-
gewinnern Kunstgeschichte studieren können —werden
vielleicht unsere heutige Empfindlichkeit in diesem
Punkte unzeitgemäß machen; der künftige Kunst-
historiker wird sich, auch wo er selbst seine Freude
dran hat, auch diesen Teil seiner Tätigkeit entsprechend
bezahlen lassen und das Publikum, dem ohnedies nur
bezahlte Arbeit reell dünkt, wird das ganz richtig finden.
Vielleicht wäre es gut, diese Verhältnisse schon
heute ins Auge zu fassen; ihre jetzige Unklarheit
bringt nicht nur eine schädliche Unsicherheit mit sich —
daß wir vielleicht manchen Fachgenossen hart beur-
teilen, der nur moderner ist als der Durchschnitt —,
sondern gibt auch die von den eigentlich Kompetenten
verpönte Beschäftigung unverantwortlichen Elementen
in die Hände. Was die berufenen Fachleute zu tun
sich weigern, wird zum Schaden des Publikums von
skrupellosen Elementen geübt, gegen die wir keinen
Schutz haben; der Jurist und-Arzt ist vor dem Winkel-
advokaten und Kurpfuscher geschützt, Kunsthistoriker
kann jeder, der die nötige Unverfrorenheit dazu be-
sitzt, sich nennen und durch Expertieren oder son-
stige Betätigung unser Fach kompromittieren.
Daher scheinen sich zur Abhilfe dieser unklar und
unnatürlich gewordenen Verhältnisse zwei Wege zu
empfehlen. Man könnte ein öffentliches Expertenamt
schaffen, denn es wird nachgerade ein öffentliches
Interesse, ein Gebiet, auf dem so große wirtschaftliche
-Werte in Frage stehen, dem bisherigen Dämmerlicht
zu entziehen; ein Amt vielleicht mit berufsmäßigen
Sachverständigen, die gegen eine bestimmte — wo-
möglich von dem Schätzwert unabhängige — Taxe
zu arbeiten hätten und etwa in einzelnen Fällen außer-
halb stehende Spezialisten konsultieren könnten. Ein
solches Amt könnte mit bestehenden Sammlungen
oder mit Denkmalpflegebehörden in Zusammenhang
sein oder auch selbständig bestehen. Oder aber die
Kunsthistoriker könnten sich einer Art Kammer unter-
stellen, die auch sonst ihre Standesinteressen zu ver-
treten hätte und einen für alle Kunsthistoriker gültigen
Tarif ausarbeiten müßte; im Detail wäre er sicher nicht
leicht durchzuführen, aber unmöglich ist es keines-
wegs, hier bestimmte Normen zu schaffen, ähnlich
etwa wie solche Vorschriften der Architektenverei-
nigungen bestimmte Ansätze für verschiedene Arbeits-
leistungen— von bloßer Konsultierung bis zur völligen
Durchführung und Überwachung eines Baus — auf-
weisen. Auch dann wird man gewiß niemanden hindern
können, sich von einem Unzünftigen beraten zu lassen
— auch ein Winkeladvokat und Kurpfuscher oder ein
Laie schlechtweg mögen in einer Frage des Rechts oder
der Gesundheit bisweilen trotz einem Fachmann den
Nagel auf den Kopf treffen —, im ganzen würden aber
durch eine solche Berufsorganisation der Kunsthistoriker
nicht nur die Rechte und Pflichten dieser vorteilhaft
geklärt, sondern auch die Interessen des Publikums
besser gewahrt. Wir sind heute nicht mehr eine kleine
Schar von gelehrten Liebhabern, die ihren Passionen
leben können; große materielle Werte — nicht nur
öffentlichen, sondern auch privaten Besitzes — werden
durch uns verwaltet oder durch unsere Beurteilung
mitbestimmt; es ist nur recht und billig, daß unser
Stand auch wirtschaftlich seine klare und feste Grund-
legung erhält. Die aufgeworfene Teilfrage nach der
Honorierung der kunsthistorischen Expertise scheint
mir eine Diskussion über diese Verhältnisse am frucht-
barsten zu eröffnen; sollte diese allgemeine Anregung,
hier Ordnung zu schaffen, Widerhall finden, würde
ich gern durch bestimmte Vorschläge sie durchzu-
führen daran teilnehmen._HANSTIETZE.
NEKROLOGE
Ein Senior der Kunstwissenschaft ist mit dem Nor-
weger Professor Lorenz Dietrichson, der in Kristiania
gestorben ist, dahingegangen. Dietrichson, der auch unser
verehrter Mitarbeiter war, ist mit den deutschen Kunst-
forschern besonders auf den ersten kunsthistorischen Kon-
gressen auf das Freundlichste bekannt geworden. Bei dem
Kongreß in Amsterdam 1898 und bei dem Kongreß in
Lübeck 1900 hat er im Präsidium gesessen. — Dietrichsons
Forschung galt der mittelalterlichen Kunst Norwegens, der
er vielfältige literarische Arbeiten gewidmet hat, darunter
das 1892 erschienene größere Werk über die norwegischen
Stabkirchen, dem bald ein in deutscher Sprache erschienenes
Nekrologe
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lassen die Gegenleistung ihrer Sammlung zugute
kommen, andere bekommen Honorare, andere — wie
ich glaube, die meisten — tun es nur aus Gefällig-
keit, aus Interesse an der Sache.
Aber was ihnen bloß wissenschaftliches Interesse
ist, setzt sich dem, für den sie expertieren, unter
Umständen in bedeutende materielle Werte um; der
dadurch erfolgende Wertzuwachs des Objekts hängt
von mancherlei ab, von dem Grade der Dunkelheit, die
früher darüber lag, von dem Marktwert des erkannten
Namens, von Ruf und Ansehen des Beurteilers. Aber
es ist unzweifelhaft, daß ein Bild, das eine oberste
Autorität als Werk Rembrandts attestiert, dadurch auf
dem Kunstmarkt beträchtlich kostbarer geworden, ohne
jenes Attest vielleicht überhaupt nicht als Rembrandt
ausgegeben werden kann. Keinen Juristen oder
Mediziner wird sein intensives Interesse an einem
bestimmten Fall hindern, von einem begüterten
Klienten oder Patienten ein Honorar zu nehmen; der
Kunsthistoriker macht durch sein wissenschaftliches
noblesse oblige dem Sammler oder Händler, dem er
kostenlos expertiert und der in der Regel auch nicht
notleidet, ein reines Geschenk.
Dieser Zustand dürfte sich auf die Dauer als un-
haltbar erweisen. An sich wäre es sicher wünschens-
wert, die Kunstgeschichte und ihre Vertreter könnten
von der Berührung mit materiellen Interessen rein
gehalten werden und sich jenen Idealismus wahren,
der Philologen oder Historikern selbstverständlich ist;
aber da unsere Disziplin nun einmal mit bedeutenden
materiellen Werten zu tun hat, wird dies wohl ein
frommer Wunsch bleiben und die Zukunft wahr-
scheinlich — der allgemeinen wirtschaftlichen Ent-
wicklung entsprechend — auch in dieser Hinsicht eine
intensivere materielle Ausnützung der Fachkenntnisse
herbeiführen. Das Vorbild mancher ausländischer
Forscher, die Materialisierung der Gesamtauffassung,
endlich die Notwendigkeit für den Kunsthistoriker, sich
in den künftigen schwierigen Verhältnissen die Mittel
seiner kostspieligen Ausbildung zu erwerben — sonst
würden ja in Zukunft überhaupt nur Söhne von Kriegs-
gewinnern Kunstgeschichte studieren können —werden
vielleicht unsere heutige Empfindlichkeit in diesem
Punkte unzeitgemäß machen; der künftige Kunst-
historiker wird sich, auch wo er selbst seine Freude
dran hat, auch diesen Teil seiner Tätigkeit entsprechend
bezahlen lassen und das Publikum, dem ohnedies nur
bezahlte Arbeit reell dünkt, wird das ganz richtig finden.
Vielleicht wäre es gut, diese Verhältnisse schon
heute ins Auge zu fassen; ihre jetzige Unklarheit
bringt nicht nur eine schädliche Unsicherheit mit sich —
daß wir vielleicht manchen Fachgenossen hart beur-
teilen, der nur moderner ist als der Durchschnitt —,
sondern gibt auch die von den eigentlich Kompetenten
verpönte Beschäftigung unverantwortlichen Elementen
in die Hände. Was die berufenen Fachleute zu tun
sich weigern, wird zum Schaden des Publikums von
skrupellosen Elementen geübt, gegen die wir keinen
Schutz haben; der Jurist und-Arzt ist vor dem Winkel-
advokaten und Kurpfuscher geschützt, Kunsthistoriker
kann jeder, der die nötige Unverfrorenheit dazu be-
sitzt, sich nennen und durch Expertieren oder son-
stige Betätigung unser Fach kompromittieren.
Daher scheinen sich zur Abhilfe dieser unklar und
unnatürlich gewordenen Verhältnisse zwei Wege zu
empfehlen. Man könnte ein öffentliches Expertenamt
schaffen, denn es wird nachgerade ein öffentliches
Interesse, ein Gebiet, auf dem so große wirtschaftliche
-Werte in Frage stehen, dem bisherigen Dämmerlicht
zu entziehen; ein Amt vielleicht mit berufsmäßigen
Sachverständigen, die gegen eine bestimmte — wo-
möglich von dem Schätzwert unabhängige — Taxe
zu arbeiten hätten und etwa in einzelnen Fällen außer-
halb stehende Spezialisten konsultieren könnten. Ein
solches Amt könnte mit bestehenden Sammlungen
oder mit Denkmalpflegebehörden in Zusammenhang
sein oder auch selbständig bestehen. Oder aber die
Kunsthistoriker könnten sich einer Art Kammer unter-
stellen, die auch sonst ihre Standesinteressen zu ver-
treten hätte und einen für alle Kunsthistoriker gültigen
Tarif ausarbeiten müßte; im Detail wäre er sicher nicht
leicht durchzuführen, aber unmöglich ist es keines-
wegs, hier bestimmte Normen zu schaffen, ähnlich
etwa wie solche Vorschriften der Architektenverei-
nigungen bestimmte Ansätze für verschiedene Arbeits-
leistungen— von bloßer Konsultierung bis zur völligen
Durchführung und Überwachung eines Baus — auf-
weisen. Auch dann wird man gewiß niemanden hindern
können, sich von einem Unzünftigen beraten zu lassen
— auch ein Winkeladvokat und Kurpfuscher oder ein
Laie schlechtweg mögen in einer Frage des Rechts oder
der Gesundheit bisweilen trotz einem Fachmann den
Nagel auf den Kopf treffen —, im ganzen würden aber
durch eine solche Berufsorganisation der Kunsthistoriker
nicht nur die Rechte und Pflichten dieser vorteilhaft
geklärt, sondern auch die Interessen des Publikums
besser gewahrt. Wir sind heute nicht mehr eine kleine
Schar von gelehrten Liebhabern, die ihren Passionen
leben können; große materielle Werte — nicht nur
öffentlichen, sondern auch privaten Besitzes — werden
durch uns verwaltet oder durch unsere Beurteilung
mitbestimmt; es ist nur recht und billig, daß unser
Stand auch wirtschaftlich seine klare und feste Grund-
legung erhält. Die aufgeworfene Teilfrage nach der
Honorierung der kunsthistorischen Expertise scheint
mir eine Diskussion über diese Verhältnisse am frucht-
barsten zu eröffnen; sollte diese allgemeine Anregung,
hier Ordnung zu schaffen, Widerhall finden, würde
ich gern durch bestimmte Vorschläge sie durchzu-
führen daran teilnehmen._HANSTIETZE.
NEKROLOGE
Ein Senior der Kunstwissenschaft ist mit dem Nor-
weger Professor Lorenz Dietrichson, der in Kristiania
gestorben ist, dahingegangen. Dietrichson, der auch unser
verehrter Mitarbeiter war, ist mit den deutschen Kunst-
forschern besonders auf den ersten kunsthistorischen Kon-
gressen auf das Freundlichste bekannt geworden. Bei dem
Kongreß in Amsterdam 1898 und bei dem Kongreß in
Lübeck 1900 hat er im Präsidium gesessen. — Dietrichsons
Forschung galt der mittelalterlichen Kunst Norwegens, der
er vielfältige literarische Arbeiten gewidmet hat, darunter
das 1892 erschienene größere Werk über die norwegischen
Stabkirchen, dem bald ein in deutscher Sprache erschienenes