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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Carl Strahtmann
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243

Carl Strahtmann

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Sachen sammt dazu gehörigen Büchern, soll die Grund-
lage eines zum Besten hiesiger Stadt und Bürgerschaft
hiermit von mir gestiftet werdenden Kunstinstituts
sein ... Da meine Absicht dahin gerichtet ist, daß
dieses von mir gestiftete Städelsche Kunstinstitut der
hiesigen Stadt zu einer wahren Zierde gereichen und
zugleich deren Bürgerschaft nützlich werden möge:
so will ich, daß nicht nur meine vorrätige Sammlung
an Gemählden, Handzeichnungen und Kupferstichen,
nebst denen in das Kunstfach einschlagenden Büchern,
auch sonstigen Kunstsachen erhalten, und von Jahr
zu Jahr vermehrt — bey vorkommenden Gelegenheiten
durch Austausch der vorhandenen schlechteren
und mittelmäßigen Stücke gegen bessere, ver-
vollkommnet, sondern auch angehenden Künstlern und
Liebhabern, an bestimmten Tagen und Stunden unter
gehöriger Aufsicht zum Gebrauch und Ansicht ganz
frey und unentgeltlich geöffnet werde.«

Die Bestimmung über den Austausch des Minder-
wertigen ist besonders kennzeichnend für seine trotz
allem Idealismus praktische, weitsichtige und von klein-
licher Eitelkeit freie Art zu denken und von hervor-
ragender Wichtigkeit für die Entwicklung des Instituts
geworden, das abstoßen konnte, was der Administration
weniger wertvoll erschien.

Zunächst freilich konnte es zu keiner gedeihlichen
Entwicklung kommen, da bekanntlich bald entfernte
Verwandte des Stifters sein Testament anfochten. Erst
Ende der zwanziger Jahre wurde der in aller Welt
berühmt gewordene Prozeß durch einen Vergleich
aus der Welt geschafft, und seitdem hat sich das
Institut ungestört entfalten können. Seine an Arbeit
und Erfolgen reiche Geschichte, bei der auch in
hohem Maße der liebevollen und opferbereiten Anteil-
nahme der Bürgerschaft gedacht werden muß, kann
hier nicht einmal angedeutet werden: ein gewisser
äußerer Maßstab für sein erfolgreiches Wachstum ist
aber auch die materielle Wertsteigerung. Städel hatte
wenig mehr als eine Million Gulden hinterlassen:
dazu kommt jetzt außerdem noch, wie Direktor
Swarzenski kürzlich ausführte, der Wert des nicht
unbeträchtlichen Grundstücks und der Gebäude, und
vor allem der Wert der Sammlungen selbst, der auf
mehr als dreißig Millionen zu schätzen ist.

Weniger in aufsteigender Linie ist die Entwicklung
der zugleich mit den Sammlungen gegründeten Kunst-
schule erfolgt: immerhin ist es nicht möglich, sieausder
Geschichte des Frankfurter Kunstlebens wegzudenken.
Eine Reihe tüchtiger, ja bedeutender Künstler ist aus ihr
hervorgegangen, von Rethel bis zu Fritz Boehle. Das
kann freilich nicht Überlegungen darüber hindern, wie
sie etwa auf andere Grundlagen gestellt werden könnte.

Auch die Sammlungen stehen an einem neuen
Wendepunkt unter ihrer zielbewußten und tatkräftigen
Leitung: ein umfangreicher Anbau an das bisherige
Gebäude soll Entlastung bringen und zugleich die
würdige Aufstellung der inzwischen gegründeten
Städtischen Galerie ermöglichen. Der Krieg hat die
Vollendung bisher verzögert — verhindern kann er sie
nicht; und in froher Zuversicht darf das Institut in das
zweite Jahrhundert seiner Geschichte eintreten.

CARL STRAHTMANN

Die Berliner Sezession veranstaltet in ihren Räumen
eine kleine Kollektivausstellung von Bildern ihres Mit-
gliedes, des Münchener Malers Carl Strahtmann. Man
kennt die Werke des Künstlers, denen man alljähr-
lich auf den Ausstellungen begegnete, ohne sie noch
sonderlich ernst zu nehmen. Man wußte nicht recht,
wodurch eigentlich der Ruf begründet war, dessen
sich der Maler in gewissen Kreisen erfreute, und man
machte sich auch kaum Gedanken darüber. Man
wunderte sich ein wenig, als im Laufe dieses Winters
bei Schulte eine Kollektion fast gleichartiger Stilleben
übertrieben großer Phantasieblumen in Vasen auf-
tauchte, die etwa an die künstlerischen Leistungen
eines einstmals berüchtigten Malmediums erinnerten. Es
gibt allerhand Sonderlinge auf Gottes Erde, und man
ließ auch diesen gewähren. Aber eine so anspruchsvolle
Veranstaltung, wie die Berliner Sezession sie jetzt bietet,
kann doch nicht gut mit Stillschweigen übergangen
werden. Man sieht sich gezwungen, sich auch mit
dieser Abart von Kunst ein wenig näher zu befassen.

Der Fall Strahtmann ist an sich nicht eben schwer
zu deuten. Ein verirrter Tapetenzeichner glaubt sich
berufen, Bilder zu malen. Er reformiert von seinem
Winkel aus die bildende Kunst, indem er mit Eifer
verleugnet, was anderen als malerische Qualität er-
scheint. Sein Auge ist verliebt in den Flächenschmuck
persischer Teppiche, und er meint, es müsse sich
etwas diesen ähnliches erzeugen lassen, indem man
mit bunten Farben auf der Leinwand kleine Striche
und Pünktchen aneinander setzt. Das möchte noch
angehen und an sich ein harmloses Vergnügen sein,
wenn er nicht zugleich den Ehrgeiz hätte, mit so
kleinlichem Arabeskenwerk große Flächen zu füllen
und bedeutsame Kompositionen zu bauen. Es kann
nicht anders sein, als daß er sich auf diesem Wege
in stillose Widersprüche verwickelt. Denn Frauenakte,
auf die er es in ganz besonderem Maße abgesehen
hat, lassen sich nicht aus Filigranwerk konstruieren,
und darum bleibt ihm nichts, als höchst pedantisch
gezeichnete Umrisse mit einer trockenen und leblosen
Farbe zu füllen. Zur Entschädigung lebt er sich dann
in reich gemusterten, bunten Stoffen aus, die mit
einem peinlich gearbeiteten Netz von Pinselstrichen
überzogen werden, oder in Wiesen, die mit Blumen-
pünktchen übersät sind. Geraten aber ein paar Rosen
weiter in den Vordergrund, so versagt wieder das
System. Der Zeichner versucht sich als Maler und
bringt eine höchst dürftige Übersetzung der natürlichen
Erscheinung zustande, wie sie in Stilleben dilettierender
Damen nicht schlechter zu finden ist.

Die kritische Erledigung solcher anspruchsvoller
Werke ist eine verhältnismäßig einfache Aufgabe. Viel
schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie mit
diesen Arbeiten ein gewisser Ruf des Künstlers be-
gründet wurde, der ihm alljährlich Eingang in die
Berliner Sezession, der ihm jetzt diese Sonderausstellung
verschaffte. Man steht da tatsächlich vor einem Rätsel.
Schätzte man diese Dinge nur, weil sie so anders
waren, daß man keine Möglichkeit des Vergleiches
sah und darum auf ein Urteil überhaupt verzichtete?
 
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