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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Emanuel Löwy zum sechzigsten Geburtstag
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Dresdner Kunstausstellung, [2]
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523

Emanuel Löwy zum sechzigsten Geburtstag — Dresdner Kunstausstellung

524

die Funktion der Reliefkunst in klassischer Übersicht-
lichkeit behandelt. Mehr noch als das Ergebnis seiner
Untersuchung ist seine Art, den geschichtlichen Her-
gang zu betrachten, kostbarer Besitz der Wissenschaft
worden. Dem Schicksal der Meister ist er freilich
nicht entgangen. Er ist viel mißverstanden worden,
und ein italienischer Jünger hat vor wenigen Jahren
ein umfängliches Werk über die Entstehung der Ver-
kürzung veröffentlicht, das uns wohl zeigt, zu welchem
Unsinn man mit der besten Methode gelangt, wenn
man sie unkritisch anwendet.

Schon in der »Naturwiedergabe« mußte Löwy
sich mit Hildebrands »Problem der Form« auseinander-
setzen. Eingehender und entscheidender geschah dies
in seiner jüngsten und nebst der »Naturwiedergabe«
vielleicht bedeutendsten Untersuchung, der Studie
»Stein und Erz in der statuarischen Kunst« (Kunst-
geschichtliche Anzeigen 1915). Der allzu program-
matischen Arbeit des Künstlers Hildebrand tritt hier der
unbefangene Forscher entgegen, um die scheinbaren
Gesetze, die in der Tat nur ästhetische Forderungen
von subjektivem, also von zweifelhaftem Wert sind,
auf ihre historische Bedeutung zurückzuführen. Es
ist eine bezeichnende Tatsache, daß Löwy in dieser
Schrift — sie bekundet liebevolle Vertiefung in die
Geschichte und Kunst Michelangelos — zu der Semper-
schen Frage nach der Bedeutung des Materials für
den Stil zurückkehrt, um die Verwirrung mit ge-
lassener Hand zu lösen.

Über die Fachkreise der Kunstgelehrten und
Archäologen hinaus wurde Löwy zum Führer und
Lehrer vieler durch die »Griechische Plastik«. Die
Kunst präziser Kürze, die ihm stets am Herzen lag,
ist am höchsten in diesem knappen Werk gediehen,
das den ersten Versuch der einheitlichen entwicklungs-
geschichtlichen Darstellung seines Gebietes auf stil-
kritischer Grundlage gibt. Die schönen Essays
über »Typenwanderung« (Österreichische Jahreshefte
1909/1911) dürfen wir wohl als ein kostbares Parergon
dieser Arbeit ansprechen.

Die Zeit ist der Feier nicht günstig. Inmitten des
Volkes, dem Goethe, Winckelmann und Gerhard nun als
feindliche Barbaren gelten sollen, hat Emanuel Löwy
nicht weilen können. Ferne der Stätte tätiger Mannes-
jahre erlebt er die sechzigste Jahreswende. Möge Liebe
und Verehrung geistiger Freunde, in bescheidener Stille
dargebracht, ihm lautere Ehren ersetzen. p. KU-

DRESDNER KUNSTAUSSTELLUNG
IL»)

In den noch übrigen Sälen der Ausstellung der
Künstlervereinigung Dresden begegnen wir u. a. einer
Sonderausstellung von Otto Hettner, der ja nun-
mehr als Professor an der Kunstakademie seiner Vater-
stadt Dresden wieder angehört. Allerdings umfaßt
diese Sonderausstellung fast nur Skizzen, Studien und
Entwürfe zu größeren Arbeiten, zu Gemälden, Monu-
mentalmalereien, auch zu einigen Lithographien, selb-
ständige fertige graphische Werke aber nicht. Wir

1) Vgl. auch Nr. 42.

sehen da z. B. Entwürfe zur Sintflut (im Museum zu
Stettin), zu Heinrich von Kleists Erdbeben in Chile,
zu den Niobiden, zur Kreuzaufrichtung, zum Gedenk-
blatt für Ludwig Frank und für manche weitere »Kom- *
Positionen«. Man erkennt da das allmähliche Werden
einzelner Werke Hettners, man erkennt sein energisches
Stilgefühl, sein Streben zur großen Form und zum
Monumentalen, zum Willen, Fluß der Linien und
Rhythmus der Bewegungen dem Ausdruck dienstbar
zu machen, alten Aufgaben neue Erfüllung zu bringen.
Durch die Beschränkung auf solche Vorarbeiten ist
diese Ausstellung Hettners etwas einseitig geworden,
aber sie gibt Aussichten auf künftige Taten, die nicht
zu unterschätzen sind.

Von dem verstorbenen Franz Marc sehen wir
aus Privatbesitz eine Reihe seiner Zeichnungen von
Tieren, die da bekunden, auf welchem einläßlichen
Naturstudium, auf wie scharfer Beobachtung der leben-
den, sich bewegenden Tiere seine Kunst beruhte; die
Wahrheit dieser Natureindrücke ist erstaunlich. Junge
Künstler, die dem Expressionismus huldigen, sollten
sich diese Blätter Franz Marcs, auf denen er seine
persönliche Kunst dann aufbaute, zur Lehre dienen
lassen. Die Holzschnitte zeigen dann, wie Marc seine
Naturkenntnis stilistisch verwertete, wie er aus der
Naturform seine eigene künstlerische Form gewann
und in sie seine graphisch-dichterische Phantasie hin-
einlegte. Freilich möchte man daneben auch die
Gemälde sehen, die in dieser Beziehung sein Letztes
geben. Max Pechsteins Zeichnungen aus Palau und
Landschaftszeichnungen aus Belgien bringen nicht viel
Neues und Überzeugendes; sie leiden durch die Zu-
sammenstellung mit den reiferen Werken Franz Marcs.

Unter den kubistischen Versuchen sind am ehesten
die von Lasar Segall und Paul Wilhelm als nicht
ganz aussichtlos für weitere Entwicklung zu werten.
Felix Müller geht mit ähnlichen Versuchen völlig
inderirre. Böckstiegels »Soldaten« sind als Farben-
phantasien eher eingänglich. Nicht auf so abliegenden
Wegen, deren Ziel noch nicht abzusehen ist, bewegt
sich Cilio-Jensen mit stimmungsvollen, locker ge-
zeichneten Landschaften aus dem Vogtlande, von den
Ufern der Elster, aus Pillnitz. Vorzügliche Holzschnitte,
farbige Landschaften aus dem Erzgebirge und aus dem
Riesengebirge in wirksamer Vereinfachung stammen
von Erich Buchwald-Zinnwald. Josef Hegen-
barth weist sich durch seine acht Zeichnungen zum
Vaterunser als ein Künstler mit eigenen Gedanken
und eigenem Formwillen aus, während seine Aqua-
relle Lagernde Familie und die Musik ebenso kräftig
das Streben bekunden, durch rein farbig gesehene
Formen zu wirken.

Nennen wir von den jüngeren Dresdnern Arthur
Hennig (Meißen), der in seinen Niobiden, in
der Grablegung und in der Raubszene Skizzen voll
Gehalt und entschiedenem Kompositionswillen bietet,
dann Adolph Jentsch, dessen feine leichte Land-
schaften Aufmerksamkeit verdienen, Walther Rehn,
der einige phantastische Erfindungen (Im Reiche der
Menschen u. a.) ausgestellt hat, Hans Purrmann-
Berlin, der mit ganz wenigen Strichen oder Tönen
 
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