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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Taufsteine des germanischen Nordens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0263

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 43. 21. September 1917

Die Kuiistchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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TAUFSTEINE DES GERMANISCHEN NORDENS

Bei der Betrachtung der Taufsteine gibt es nicht
den Ausschlag, ob wir die Zeit kennen oder ermitteln,
in der jeder einzelne davon gefertigt ist; das ist sogar,
so wichtig und anziehend auch die Forschung danach
ist, und so wertvoll das Ergebnis davon sein wird,
ganz nebensächlich, was die Taufsteine des germa-
nischen Nordens anlangt.

Auch die Versuche, die Typen zeitlich hinterein-
ander zu ordnen, wobei dann der viereckige und der
faßförmige für die Anfangsformen anzusehen und
vor die anderen zu setzen waren, haben mehr dazu
gedient, zu zeigen, daß man auf Irrwege geführt wird
bei der Annahme, daß hier über die weiten Gebiete
hin eine innere Entwicklung stattgefunden habe. In
den paar Jahrhunderten, die für die Herstellung von
Taufsteinen hier in Betracht kommen, waren in anderen
Ländern bereits alle Möglichkeiten, von Becken, Faß,
Wanne, Kessel bis zum ausgebildeten Kelche, versucht,
erprobt und durchgekostet. Alle haben als Vorbilder
zur Verfügung gestanden und haben sich je nach den
Umständen dazu angeboten. Zum Beweise hierfür
dient es uns, daß auf dem bildnerischen Schmuck
nordischer Taufsteine, die zu den ältesten gehören,
und auf denen sich nicht ganz selten der Vollzug
der Taufe dargestellt findet, Taufsteinformen zu be-
obachten sind, wie wir sie, wenn sie uns ausgeführt
vor Augen stünden, nur den jüngsten Typen bei-
rechnen könnten. Mag also eine Sonderung in Typen,
die sich auseinander entwickelt hätten, und deren Ver-
treter zeitlich hintereinander gestellt werden könnten,
an dem reichen Stoffe versucht werden, der in Ländern
von viel älterer christlicher Kultur, z. B. in England,
vorliegt, für das er von Bond1) gesammelt und dar-
gestellt ist — bei uns ist das fruchtlos.

Als man, was um uoo geschehen ist, durch
kirchliches Bedürfnis, durch einen allgemeinen Drang,
und auch, wo dieser ergänzt werden mußte, durch
geistliches und weltliches Gebot vor die Notwendig-
keit gestellt ward, für jede mit dem Taufrecht begabte
Kirche, also für jede Pfarrkirche eines Kirchspiels, die
noch keinen Taufstein hatte, einen zu beschaffen oder
zu schaffen, gab es die englischen Typen in den
Landen jenseits der Nordsee, aus denen der Kirchen-
bau selbst seine Vorbilder gewonnen hatte, bereits
vollständig genug. Man konnte sich daran anschließen
oder wenigstens Anregungen davon gewinnen. Der
germanische Kunstgeist, der die Anregung zu ver-
arbeiten bekam, war nicht erstickt; die Aufgabe traf
ihn sogar>och in seiner Vollkraft. Er hat ja noch
fortgewirkt, nachdem man an den steinernen Kirchen

1) Fonts and Font Covers. London 1908.

zu bauen hatte. Der Künstler gab dem Bogen und
seinen Stützen die verschiedensten Gestalten, teils Vor-
bildern und Vorschriften folgend, teils vom Eigenen
hinzutuend, und auch wohl ganz frei nach seiner Art
gestaltend. Danach lassen sich aus den Taufsteinen
Reihen und Gruppen bilden und in den einzelnen
Gruppen der Entwicklung nachgehen.

Wer diesem Gegenstande weiter folgen will, wobei
denn schnell das Ornament und das Figürliche die
Aufmerksamkeit an sich ziehen wird, um sie gänz-
lich zu fesseln, der hat zur Zeit wesentlich den viel-
fältigen Forschungen I. Roosvals nachzugehen und
sich ferner mit L. Tynells Veröffentlichung bekannt
zu machen. Tynell läßt in seinem Werke4), wovon
bislang drei starke Hefte erschienen sind, die Tauf-
steine Schonens anschauen; er gibt ausgezeichnete
Abbildungen und teilt sie in Typen. Roosval befaßt
sich am meisten mit dem Kernpunkt unserer Ostsee-
kunst, mit Gotland. Er sieht in Gotland nicht bloß
einen Brennpunkt der ostseeländischen Bildhauerkunst
und den Hauptort ihres Ausgangs und ihrer Blüte,
sondern bezieht auf Gotland so gut wie alles von
Leistungen der Bildhauer, was sich irgend auszeichnet;
der Ursprung aller Bildhauerei, für die sich irgend
eine Anknüpfung finden läßt, wird auf diesem betrieb-
samen Eiland gesucht — ein Gedanke, der mancherlei
Frucht getragen hat. Von den Taufsteinen handelt
Roosval zunächst in der schwedischen Kunstgeschichte8).
Der erste Abschnitt (Seite 5 ff. ȟber die Kunst der
Steinhauer«) beschäftigt sich mit den Taufsteinen vor-
zugsweise. Dann sind ausgedehnte Untersuchungen
über einzelne davon und über Gruppen in den Werken
desselben Gelehrten enthalten, die er bei Gelegenheit
der historischen Ausstellungen von Strengnäs und
von Hernösand veröffentlicht hat4). Als ganz neue
Arbeit von ihm ist hier zu besprechen ein Heft, in
dem die im historischen Museum zu Stockholm be-
findlichen Taufsteine behandelt sind6). Es geschieht
das in Einzelabhandlungen, in schulmäßiger Breite
und Vollständigkeit; sie sind von verschiedener Güte
und Art, wie es sich aus dem Ursprung und der
Mannigfaltigkeit der Bearbeiter und besonders Be-
arbeiterinnen ergibt, deren Leistungen, im kunsthisto-
rischen Seminar der Hochschule erwachsen, hier ver-
einigt vorgelegt werden, jedoch nicht ohne die Bei-
gabe wertvoller Zugaben und Einschübe des Heraus-
gebers und Ordners selbst. Man hat in dieser Arbeit

2) Skones Medeltida Dopfunter. Stockholm 1913 ff.

3) Romdal und Roosval Svensk Konsthistoria. Stock-
holm 1913.

4) Strengnäs Studier 1913; Hernösand Studier 1914.

5) Dopfuntar i Statens hist. Museum. Stockholm 1917.
 
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