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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Neuerwerbungen des Ryksmuseums in Amsterdam
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 25. 16. März 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr.IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

NEUERWERBUNGEN DES RYKSMUSEUMS
IN AMSTERDAM

Auf die Vermehrung der staatlichen holländischen
Kunstsammlungen, denen schon so wie so nicht so
große Mittel zur Verfügung stehen wie den auslän-
dischen Museen, ist der Krieg von sehr nachteiligem
Einfluß, indem Gelder zum Ankauf von Kunstwerken,
von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen, einfach nicht
mehr bewilligt werden. Die Museen sind daher fast
ausschließlich auf Geschenke angewiesen; und deren
Zahl bleibt leider gering. Das einzige Gemälde, das
die Galerie des Ryksmuseums im abgelaufenen Etats-
jahre mit staatlichen Mitteln erwerben durfte, ist das
Werk eines sehr seltenen holländischen Meisters, des
Hendrick van der Burgh, von dem andere Arbeiten
überhaupt nicht bekannt sind und dessen Namen man
nur aus den Gildebüchern der Leidener Malerzunft
kennt. Die Zuschreibung stützt sich auf das Mono-
gramm H.V.B., mit dem das Werkchen bezeichnet
ist, und den lokalen Gegenstand, die Darstellung eines
Leidener Promotionsumzuges (71,5X59)- Der frisch-
gebackene Doktor, begleitet von den Professoren und
zahlreichem Gefolge, ist soeben aus dem hübschen
Renaissancepförtchen des Universitätshofes auf die
Straße hinausgetreten, auf der einige Neugierige warten.
Es ist ein schöner, klarer Sommertag, ein blondes, warmes
Licht umspielt die Figuren und läßt besonders ein paar
Personen im Vordergrund, die dem Umzüge weniger
Interesse schenken, eine Frau, die mit einem kleinen
Kind auf dem Schoß auf der Grachtmauer sitzt, einige
Kinder und Hunde, deutlich und plastisch hervortreten;
ungezwungen und natürlich agieren die verschiedenen
Figuren. In farblicher Hinsicht weist das kleine Werk-
chen nicht gewöhnliche Feinheiten auf. Es darf daher
nicht wundernehmen, daß das Bild in unkritischeren
Zeiten einmal als eine Arbeit des Delfter Vermeer
versteigert worden ist (Versteigerung P. van Romondt,
11. Mai 1835, Nr. 13). In der ausführlichen Notiz dieses
Auktionskataloges wird es als »zeer natuurlyk van voor-
stelling« beschrieben. Damals kaufte es Roos für
450 Gulden. In dem ersten grundlegenden Artikel,
den der kunstsinnige Burger-Thore dem Delfter Ver-
meer in der Gazette des Beaux-Arts von 1866 widmete,
wird das Werkchen am Schluß unter den fraglichen
Werken unter Nr. 4g aufgezählt. Von Thore hat es
Hofstede de Groot in sein beschreibendes Verzeichnis
übernommen, wo es als Nr. 52 aufgezählt wird.

In den Besitz der Galerie gelangte ferner durch
Vermittlung der Rembrandt-Gesellschaft das einzige
bekannte Werk des mehr durch seinen Lebenswandel
als durch seine Kunst berühmten Johannes Tor-
rentius (1589—1644), über dessen seltsame Schick-

sale Bredius vor einigen Jahren ein für die Kultur-
geschichte jener Zeit sehr merkwürdiges Büchelchen
geschrieben hat, das auf die sogenannte Gewissens-
freiheit und die Rechtszustände in dem »freien« Holland
ein sehr bedenkliches Licht wirft; die spanische In-
quisition hätte gegen einen »Freigeist« nicht strenger ver-
fahren können. Über das Bild hat Jonkheer W. B. van
Riemsdyk in dem zu Brediussens sechzigstem Geburtstag
erschienenen »Bredius-Bundel« eine gründliche Studie
veröffentlicht. Es ist ein Stilleben, das aus einem
teilweise gefüllten Römer besteht, der von einer großen
Schenkkanne aus Zinn zur Linken und einem braunen
Steinkrug zur Rechten flankiert wird; darüber ist in
der Mitte ein eisernes Pferdegebiß angebracht, darunter
ein Notenblatt (52X50,5 wirkliche Größe). Sehr auf-
fallend sind die zahlreichen Reflexe und Spiegelbilder,
auf die der Künstler ganz besonderen Fleiß verwendet
hat und die viel dazu beitragen, die Gegenstände sehr
körperlich erscheinen zu lassen. Doch ist das Bildchen
mehr ein Kuriosum, ein Bravourstückchen, bei dem
man mehr die Kunstfertigkeit des Malers anerkennen
muß, als daß es auf wirklichen Kunstwert Anspruch
machen könnte. Zu seiner Zeit muß Torrentius wegen
der täuschenden Wiedergabe solcher glänzenden und
spiegelnden Gegenstände eine gewisse Berühmtheit ge-
nossen haben; so spricht sich der holländische Dichter
Constantyn Huyghens, der Rembrandts Bedeutung
schon früh erkannt hat, in seinem Tagebuch sehr
rühmend über die Geschicklichkeit von Torrentius aus,
wie wir bei Bredius lesen können. Das mit den An-
fangsbuchstaben bezeichnete und 1614 datierte Ge-
mälde hat eine interessante Geschichte. Wie aus dem
auf der Rückseite eingebrannten Besitzerzeichen, näm-
lich den Buchstaben C. R. mit der Königskrone darüber,
hervorgeht, stammt es aus der Sammlung König Karls I.
von England, der ein großer Gönner von Torrentius
war und dem derselbe auch seine Befreiung aus dem
Haarlemer Zuchthause zu verdanken hatte. In dem
erhalten gebliebenen Katalog der Gemäldesammlung
des Königs kommt das Bild allerdings nicht vor; aber
es wird zusammen mit einigen anderen Werken von
Torrentius in einem Verzeichnis von Bildern dieses
'Malers aufgeführt, die Karl I. offenbar zum Kaufe an-
geboten worden sind. Diese Liste hat Bredius im
Public Record Office in London unter den State Papers
des Königs entdeckt; zu den hier namhaft gemachten
Werken gehört auch ein Bild, die Darstellung einer
nackten Frau in Rückenansicht, das offenbar identisch
ist mit dem als Darstellung eines nackten Mannes ge-
deuteten Werk, das der Gemälde-Katalog des Königs
aufzählt.

Was sonst das Ryksmuseum als Neuerwerbungen
buchen kann, ist geschenkt oder geliehen. Unter den
 
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