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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Lehrs, Max: Fritz v. Harck
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Huebner, Friedrich Markus: Belgisches Kunstleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0156

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Belgisches Kunstleben

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Seit Harck 1887 eine Lebensgefährtin gefunden,
die ihm, seine Kunstinteressen teilend, als guter
Kamerad zur Seite stand und seine letzten, von
schweren Leiden heimgesuchten Jahre mit auf-
opfernder Hingabe zu erleichtern bemüht war, lebte
er den Winter über in Berlin und bezog nach
dem Tode der Eltern 1910 das väterliche Haus in
Leipzig, das er nun, wie früher Seußlitz, mit Kunst-
werken erlesener Art auszustatten bemüht war. Seine
Gemäldesammlung, über die in dieser Zeitschrift von
anderer Seite berichtet werden wird, und die hervor-
ragende Bilder von Leonhard Beck, Hans Schäuffelin,
Jacopo da Sellajo, Cima da Conegliano, Lorenzo Costa,
Lorenzo Lotto, Scarsellino und Guardi enthielt, seine
italienischen Majoliken und die deutsche Keramik, Gläser,
Kleinplastik und Teppiche fanden hier eine mustergültige
Aufstellung. Es war rührend zu sehen, wie glücklich
ihn jede neue Erwerbung machte, welche Freude ihm
ein blauer Brocatello gewährte, von dem er in Florenz
gerade noch so viel Meter, wie für dies oder jenes
Zimmer nötig waren, aufgetrieben hatte, oder ein
Paar leuchtertragende Engel, die ihm als Abschluß
der Kaminbekrönung fehlten, eine Grisaille von Tiepolo,
die sich als Sopraporto verwenden ließ. Denn es
war ihm Lebensbedürfnis, sich mit Schönheit zu um-
geben, und instinktiv fand er für jedes Kunstwerk
den rechten Platz, wo es nach Form und Farbe am
besten zur Geltung kam und sich der stillen Harmonie
des Ganzen zwanglos einfügte.

Seine fachwissenschaftlichen Studien führten ihn,
abgesehen von den schon oben genannten Arbeiten
über deutsche Kunst, vorwiegend auf das Gebiet der
italienischen Malerei, und hier bevorzugte er wieder
die Ferraresen. 1884 erschien seine grundlegende
Abhandlung über die Fresken im Palazzo Schifanoja
zu Ferrara1), 1888 ein sehr sorgfältig gearbeitetes
Verzeichnis der Werke des Cosma Tura2) und im
gleichen Jahre der Artikel »Aus amerikanischen
Galerien«8), wohl einer der ersten sachverständigen
Berichte über den Kunstbesitz jenseits des großen
Wassers. Es folgten Aufsätze über die ferraresischen
Bilder in Berliner Privatbesitz4), über die Italiener
daselbst6) und im Anschluß daran eine Reihe von
Artikeln über die Italiener in deutschen Privatsamm-
lungen 6). Damit schloß seine literarische Tätigkeit ab.

Seit er die Wintermonate regelmäßig in Leipzig
zubrachte, nahm er regen Anteil am Kunstleben seiner
Vaterstadt und bekleidete verschiedene Ehrenämter,
namentlich das eines ersten Vorsitzenden des von ihm
begründeten »Vereins der Freunde des Kunstgewerbe-
museums«. Letzteres verdankt ihm viel wichtige und
wertvolle Zuwendungen, und ihm hat er auch seine
gewählte keramische Sammlung hinterlassen.

1) Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen V. p. 99.

2) Ebenda IX. p. 34.

3) Repertorium für Kunstwissenschaft XI. p. 72.

4) Archivio storico dell'arte I. (1888) p. 102.

5) Ebenda II. (1889) p. 204.

6) Ebenda: Vieweg in Braunschweig und Speck v.Stern-
burg in Lütschena III. (1890) p. 169. — Weber in Ham-
burg IV. (1891) p. 81. — Fürst von Hohenzollern in Sig-
maringen VI. (1893) p. 385.

Fritz Harck war in seiner Jugendzeit, ja eigentlich
bis zu den letzten Lebensjahren, in denen die Krank-
heit ihn vorzeitig altern machte, ein bildschöner Mensch.
Die blauen Augen, die so seltsam zu der bräunlichen
Hautfarbe kontrastierten, hatten, wenn er einen im
lebhaften Gespräch anblickte, etwas schlechthin Be-
zauberndes, und bezaubernd war die sich immer gleich
bleibende Liebenswürdigkeit seines Wesens, die treue
Freundschaft, die er den Freunden hielt. Es ging
von seinem ganzen Wesen ein strahlender Sonnen-
schein aus, der überall wohlige Wärme und Behag-
lichkeit verbreitete, wo immer er als Wirt oder Gast
im Kreise Gleichgesinnter saß. Wie gut verstand er
die Kunst, fröhlich zu sein mit den Fröhlichen, und
wie wußte er durch einen Händedruck, durch einen ver-
stehenden Blick, aus dem all seine Liebe und Herzens-
güte hervorleuchteten, wärmstem Mitgefühl und treuester
Teilnahme an fremdem Leid Ausdruck zu geben!

Allem Strebertum, allem falschen Schein war er
abhold, hatte nur den einen Ehrgeiz, als anständiger
Mensch und vornehmer Charakter zu gelten, und als
ihm der König, der 25 Jahre lang sein Jagdgast in
Seußlitz gewesen war, 1911 den erblichen Adel ver-
lieh, nahm er diese neue Würde, wie sie ja auch
wohl gemeint war, als ein Zeichen persönlich freund-
schaftlicher Gesinnung. — Eitelkeit oder Stolz waren
ihm sein Leben lang wesensfremde Begriffe.

Harck hatte stets eine offene Hand und eine ge-
radezu rührende Zartheit im Schenken. Er wußte
der Gabe alles Bedrückende für den Empfänger zu
nehmen und sich den Anschein zu geben, als ob man
im Gegenteil ihm mit der Annahme die größte Freude
bereite. Sein Lob ist schwer zu erschöpfen, und wenn
ich als einer seiner ältesten Freunde ihm hier einen
breiteren Raum eingeräumt habe, als es der Ort viel-
leicht rechtfertigt, so mag mir der Leser verzeihen,
denn ich kann an seiner kaum geschlossenen Gruft
nur klagend mit dem Dichter ausrufen:

„Ach sie haben

einen guten Mann begraben;

und mir war er mehr!"

MAX LEU RS.

BELGISCHES KUNSTLEBEN
Während der nun zweieinhalbjährigen deutschen
Besetzung hat in Belgien das Interesse für Kunst ent-
schieden zugenommen. Man soll nicht sagen, daß
die Kunst erzieherisch und auf den Menschen ver-
tiefend gewirkt hätte; bis zu einer solchen allge-
meineren Anteilnahme für künstlerisches Leben ist
es, trotz der künstlerischen Anlage der Bevölkerung
in Belgien, noch ein weiter Schritt. Es gibt in diesem
Lande weder Zeitschriften für angewandte Kunst wie
die deutschen: »Innendekoration« oder »Kunst und
Dekoration«, noch eine Heimatschutzbewegung oder
irgendwelche, dem »Kunstwart« ähnliche, breit zu-
sammenfassende Monatsschriften zur Bildung von
Gemüt und Geschmack. Darum kommt das jetzt der
Kunst bereitstehende Interesse auch mehr aus der Be-
schäftigungslosigkeit und aus der Sucht nach nur ein
 
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