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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Aus der Dresdner Gemäldegalerie
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Die Münchner Kriegspinakothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0076

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Die Münchner Kriegspinakothek

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werbungsfrage weiterzufassen und auch die beste bisher
mit wenigen Ausnahmen vernachlässigte internationale
Kunst in das Erwerbungsprogramm einzubeziehen. Nur
dann wird man hoffen können, daß die neuere Gemälde-
abteilung einst der künstlerischen Höhe ihrer älteren
Schwester nahe kommt, die doch nur dem weiten Pro-
gramm ihrer Gründer die seit anderthalb Jahrhunderten
gleichmäßig bewunderte Größe verdankt. POSSE.

DIE MÜNCHNER KRIEGSPINAKOTHEK

Der Besuch, den jüngst ein französischer Flieger
München abstattete, hat bewiesen, daß die Isarstadt
doch nicht so ganz außerhalb jeglicher Gefahrzone
liegt. Es ist daher begreiflich, daß die Direktion der
staatlichen Galerien, nicht zuletzt in Anbetracht der
örtlichen Lage der Alten Pinakothek, dafür Sorge trug,
die wertvollsten Stücke in bombensicheren Gelassen in
Sicherheit zu bringen. Die Zahl der besonders wertvollen
Bilder dieser Sammlung ist ja recht groß. Man wird
sich erinnern, mit welch feinem Sieb Tschudi seiner-
zeit diese Sammlung von gröberen Bröckchen ge-
säubert hatte. Man hätte nun befürchten können, daß
die Alte Pinakothek nach Entfernung so vieler wert-
voller Stücke bis Kriegsende geschlossen bliebe; dies
wäre doppelt schwerzlich gewesen, da zur Zeit ja auch
die Neue Pinakothek nicht zugänglich ist und durch
den umfangreichen Umbau in der Neuen Pinakothek
und die Einrichtung des Gebäudes am Königsplatz
für die neueren Gemälde das Publikum die Münchener
Sammlungen moderner Kunst nicht vor Frühjahr zu-
gänglich findet. Es ist nun erfreulich, daß die Galerie-
leitung doch einen Weg zu finden wußte, die Alte
Pinakothek gewissermaßen als Kriegsgalerie dem Kunst-
freund und Fachmann, den Künstlern, wie dem Zer-
streuung suchenden Publikum wieder zugänglich zu
machen. Dies geschah in der Weise, daß man wirk-
lich nur das Beste vom Besten entfernte, allerdings
mehr als 250 Bilder, und die Lücken aus den reichen
Beständen des Depots und der Schleißheimer Galerie
zu schließen versuchte. Daß das Niveau im allge-
meinen noch immer recht hoch ist, läßt sich begreifen,
da ja die beiden genannten Quellen genug Material
zu liefern imstande sind, das ebensoviel malerischen
Reiz, wie kunsthistorisches Interesse besitzt. Zu be-
merken ist, daß auch noch einige Stücke allerersten
Ranges in der Galerie verblieben sind, wie etwa das
»Große jüngste Gericht« von Rubens, dessen Ent-
fernung schließlich doch eine wenn auch nur ge-
ringe Schädigung des Bildes mit sich führen könnte,
und die man offenbar erst im äußersten Notfall be-
werkstelligen will. Die beiden Altniederländer-Säle
sind ganz geschlossen, ebenso die drei letzten Säle,
von denen zur Zeit der Spanische Saal ganz umge-
baut wird. Aus dem Stiftersaal sind die Scherwände
entfernt. In diesem Raum, wie in dem Saal, wo sonst
Dürer und Grünewald im Verein mit Burgkmayr
leuchteten, ist jetzt neben dem, was man an altdeut-
schen und altniederländischen Tafeln in der Galerie
beließ, die Schutzmantel-Madonna eines Salzburger
Meisters um 1480, bisher Frühauf zugeschrieben

(gewissermaßen als Mittelstück zu den großen Schaffner-
Altarflügeln), die zwei mainfränkischen Altarflügel und
der große »Christopherus« von Mandyn aus der Schleiß-
heimer Galerie ausgestellt. Wie der Mandyn waren
eine große Anzahl noch zu nennende Bilder bis 1909
in der Pinakothek, aber nur zum kleineren Teil später
in Schleißheim wieder ausgestellt. Es ist daher be-
sonders für den Fachmann erfreulich, nach einer Reihe
von Jahren weit mehr als hundert kunsthistorisch wert-
voller Stücke, die vor allem auch wegen Platzmangel
hatten desponiert werden müssen, wieder eingehend
studieren zu können.

Von Dürer ist, abgesehen von den beiden Flügeln
des Jabachschen Altars, nur das Fuggerporträt geblieben;
Grünewald und Altdorfer sind ganz verschwunden.
Eine neue Erscheinung überhaupt ist der »Christus
amÖlberg«, der aus Landshut stammt und wohl in den
Kreis des älteren Frueauf gehörte.

Im großen Holländersaal hängt jetzt als Gegenstück
zu der »Opferung Isaaks« aus Rembrands Werkstatt die
Darstellung des gleichen Vorwurfs von Rembrandts
Schüler Gherwen, die 1909 ausdiesem Raum nach Schleiß-
heim übersiedelt war. Ferner ist jetzt das große »Dank-
gebet des Tobias« von Jan Victoors an einem Hauptplatz
in der unteren Reihe untergebracht, wie überhaupt
eine ganze Anzahl Bilder, die sonst mit gutem Grund
in der zweiten Reihe hängen, nun durch eine gün-
stigere Aufstellung besser zu studieren sind. Im all-
gemeinen hat der große Holländersaal seinen früheren
Aspekt am meisten von allen Sälen bewahrt. Sonst
findet sich, namentlich auch in den holländischen
Kabinetten, gar manches schon lange nicht mehr Ge-
sehene von Bega, van der Lisse, aus Schleißheim
Arbeiten von Bloemart, Nouts, Moreelse, de Wet d. Ä.,
Verkolje, Mommers und Bleecker.

Der kleine Rubenssaal hat sein Gesicht gründlich
verändert, ist aber von unleugbarer Eigenart und trägt
echt vlämischen Charakter: Das große Arundelfamilien-
bild von Rubens sowie ein — früher hochhängendes —
großesStilleben von Fyt bilden die Mittelstücke der Haupt-
wände. Um sie gruppieren sich zwei aus der Aschaffen-
burger Galerie stammende Bildnisse von de Vos, das
sonst im großen Rubenssaal über einer der Türen auf-
gehängte große Apostelpaar von Rubens, der »bogen-
schnitzende Amor« nach Parmeggianino aus Rubens'
Atelier und drei Gemälde von Bockhorst. Verschie-
dene weniger bedeutende Rubensporträts sind ge-
blieben. Im großen Rubenssaal hat das umfangreiche,
schon leicht klassizistische Werk von Douffet »Papst
Nikolaus V. in Assisi« Aufstellung gefunden sowie
das so außerordentlich dekorative Bild von Snyders
aus dem Prunkschlafzimmer in Schleißheim mit dem
spielenden Christus und Johannesknaben aus Rubens'
Werkstatt. Einen außerordentlichen vollen Klang gibt
die Hauptwand, wo das große jüngste Gericht von
den sonst hochhängenden, jetzt sehr gut zu studieren-
den Werkstattarbeiten »Aussöhnung von Römern und
Sabinern« und »Krieg und Frieden« flankiert wird.
Hoffentlich erfährt dadurch das so schwierige Kapitel
der Rubenswerkstatt eine weitere Klärung. Der Ge-
nuß, den diese Wand bietet, wird noch dadurch er-
 
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