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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Berliner Ausstellungen
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 4. 20. Oktober 1916

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am 1-reitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr.IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

BERLINER AUSSTELLUNGEN
Die Berliner Sezession — die Corinthsezession —
veranstaltet in diesem Herbst wiederum eine Aus-
stellung. Zwei Jahresausstellungen mit gleichem Pro-
gramm und sehr ähnlichem Inhalt wird auf die Dauer
etwas viel werden, zumal der Kreis, anstatt sich zu
weiten, wie es in den Qründungsreden versprochen
war, sich immer enger auf eine kleine Zahl von Ver-
einsmitgliedern beschränkt. Andererseits hat man es
natürlich leichter, Ausstellungen zu machen, wenn so-
zusagen alles im Hause gearbeitet wird, sogar das
Lob eingeschlossen, das der Vorsitzende, als Wort-
führer der Eröffnung, mit vollen Händen spendete.
Es wurde da verkündet, wie wohlgelungen die früheren
Ausstellungen gewesen seien, wie auch in der Öffent-
lichkeit darüber nur eine Stimme gewesen sei, und wie
herrlich weit manesnunmitdieserneuesten Veranstaltung
gebracht habe. Nur ungern stört der Kritiker, der
doch an all dieser Vollkommenheit noch dies und
jenes auszusetzen findet, die allgemeine Festesfreude.
Aber der bärbeißige Luther mit dem Beethovenkopf,
den Corinth breitbeinig agressiv in die Mitte des
Hauptsaales gehängt hat, ist denn doch ein zu harter
Schlag, um mit schonendem Stillschweigen über-
gangen zu werden, zumal eine Landschaft und ein
reizendes Kinderköpfchen beweisen, daß der gesunde
malerische Instinkt in dem Künstler durchaus nicht
erloschen ist. Aber es scheint, daß der klotzige Rü-
diger, der im Garten aufgestellt wurde, ein Ebenbild
auch in der Malerei haben sollte. Man denkt bei diesen
Dingen immer wieder an den Brief eines Holländers,
den Bode vor einiger Zeit veröffentlicht hat, und der
so beherzigenswerte Worte über die Kolossalitätsmanie
der neueren deutschen Kunst enthielt. Franz Metzners
zyklopisches Kunstgewerbe fällt zu allererst unter diesen
Begriff einer falschen Monumentalität. Man wird von
den Denkmalen dieser Übersiegesallee einst ebenso er-
schrocken abrücken wie von der verhältnismäßig harm-
losen Marmorstraße im Berliner Tiergarten. Auch
Lederers Heine, der als zweites Standbild im Garten
der Sezession Aufstellung gefunden hat, und der sich
im Gegensatz zu Metzners Rüdiger harmlos und natür-
lich geben möchte, leidet noch unter einem gleichen
Drang nach gewaltsamer Stilisierung, die den Dingen
nur äußerlich eine scheinbare Monumentalität aufzwingt.

In der Malerei wird der Stil auf anderen Wegen
gesucht. Willi Jaeckel gibt dafür in diesem Hause
den Ton an. Er hat für einen Aufenthaltsraum der
Arbeiter in Bahlsens Keksfabrik in Hannover vier
Wandbilder gemalt, die als Leistung allen Respekt
fordern. Aber wer möchte sich ernstlich den Raum
zum Aufenthalt wünschen, der mit diesen überlebens-
großen Dekorationen geschmückt ist? Es bleibt letzten

Endes Kulissenmalerei nach einem modernen und sehr
wirkungsvollen Rezept, und man möchte dem starken
Talent des Künstlers die Verinnerlichung und Ver-
tiefung wünschen, die ihn zum kleinen Format zurück-
führte. Es sei auf Karl Caspars Badende hinge-
wiesen, als auf den Typus einer kultivierten Malerei,
wie sie aus den neuklassizistischen Bestrebungen
unserer Zeit rein und natürlich hervorwächst. Caspar
war in Berlin noch nie mit so überzeugenden Talent-
proben vertreten wie jetzt, und wir betrachten das als
wertvollsten Gewinn der Ausstellung. Auch Franz
Heckendorfs Kriegsbilder mag man der positiven Seite
zurechnen, obwohl gewiß weniger mehr gewesen wäre.
Es ist noch zu viel Improvisation, und wenn man
den guten Blick für eindrückliche Wirkungen anerkennt,
so stößt doch die gleichgültige und oft sogar rohe
Mache immer wieder ab. Ein verhältnismäßig großer
Raum ist endlich Hugo Krayns illustrativen Gemälden
aus dem Volksleben zugewiesen. Es sind rechte Aus-
stellungsbilder, von starker Wirkung und eindrucks-
voll, so daß niemand an ihnen vorübergehen wird,
ohne den Tribut seiner Meinung zu zollen. Aber
das Stoffliche ist so wenig künstlerisch gemeistert, daß
man vergebens fragt, was über den Ausstellungszweck
hinaus die Bestimmung dieser Bilder sein wird, deren
wesentlicher Sinn sich in ihrem illustrativen Gehalt
vollkommen erschöpft.

Neben den großen Schlagern, auf die sich die
Wirkung dieser Ausstellung im wesentlichen aufbaut,
und die ihr einen gewissen Erfolg beim Publikum
von vornherein sichern, verlieren sich die üblichen
Durchschnittsleistungen der bekannten Mitglieder, auf
die hier einzugehen wir uns versagen dürfen, kommen
aber auch die feineren Reize der Werke Rössners und
Leo v. Königs leider zu kurz. Es ist im Bereiche der
Plastik nicht viel anders. Eine intime Arbeit wie der
Bildniskopf von Arnold Hensler verschwindet neben
den klobigen Porträtbüsten Metzners, die jedes Modell
in übernatürlichem Maßstab steigern. Soll die Pflege
dieser neudeutschen Kolossalkunst die Existenzberech-
tigung der zweiten Berliner Sezession auf die Dauer
erweisen, so ist Grund, an ihrem guten Stern zu zweifeln.

Von anderen Berliner Ausstellungen ist zur Zeit
nicht viel zu berichten. Neumanns graphisches Ka-
binett zeigt Radierungen und Lithographien von Willi
Jaeckel, die neben den großen Wandbildern einen
erwünschten Einblick in die Schaffensart des Künstlers
geben. Auch hier empfindet man die Gefahren einer
allzu ausgeschriebenen Hand, die keine feinere Qualität
der Zeichnung zuläßt. Dagegen mag man wiederum
über den Reichtum des Gestaltmaterials staunen, ohne
allerdings einen Schematismus zu verkennen, der allen
Erfindungen gleichmäßig zugrunde liegt.
 
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