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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Münchner Glaspalast 1917: Sommerausstellung der "Sezession" und der "Münchner Künstler-Genossenschaft"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0247

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 41. 31. August 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. Ua.
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Die nächste Nummer der »Kunstchronik« (Nr. 42) erscheint am 14. September

MÜNCHNER GLASPALAST 1917

SOMMERAUSSTELLUNG DER »SEZESSION« UND DER
»MÜNCHNER KÜNSTLER-GENOSSENSCHAFT«

i. Die Sezession

Die Sezession hat das Gebäude am Königsplatz
verlassen und, da sie sich in Kriegszeiten noch kein
eigenes Heim errichten konnte, im Glaspalast Unter-
kunft gefunden, aus dem sie einst den denkwürdigen
Auszug vollzogen hatte. Es ist begreiflich, daß die
Sezession bei ihrem neuen Einzug alles getan hat,
um so modern als möglich zu erscheinen, daß sich
die einzelnen Mitglieder soviel Mühe als nur denkbar
gegeben haben, aber es genügt nicht, moderner,
frischer als die Mehrzahl der Angehörigen der
Kü.istlergenossenschaft zu sein, und so enttäuscht die
Sezession durch den Mangel an wirklichem Fort-
schritt, an kräftiger Weiterentwicklung, an Werken,
die Neues künden, der Kunst neue Wege erschließen,
sie vor neue Ziele stellen.

Es genügt nicht, den Wiener Schiele mit begabten,
aber doch zu früh manierierten und namentlich in
den großen Formaten zu kunstgewerblich wirkenden
Arbeitti. herbeizurufen oder Lovis Corinth mit seinen
noch v^el mehr gekonnten großen Paradestücken, wo
das letzte aus dem Impressionismus herausgezogen
wird, w; s noch herauszuholen ist. Auch Egger-Lienz
kann uns nicht mit der sehr billigen Monumentalität
seines »Sturmangriffs« blenden, der in zehnfacher Ver-
kleinerung genau so gut (oder schlecht) wirkt. Leider
ist aber auch einer der rüstigsten Führer, Hugo von
Habermann, dieses Jahr nur mit wenig gelungenen
Arbeiten vertreten: mit einem seltsamen Allerseelenbild,
das in der Komposition ganz auseinanderfällt, und
zwei Bildnissen, von denen das einer Türkin fatal an
kitschiges, bengalisches Feuerwerk erinnert. Dagegen
erweist sich Albert v. Keller in zwei koloristisch sehr
anziehenden Landschaften von erstaunlicher Frische. Die
Bildnisse sind bei allem Respekt vor dem großen Können
diesmal weniger erfreulich. Ganz ausgebrannt und
ausgepumpt scheint Stuck. Wohin die Phantasie und
Gestaltungskraft, wohin der große dekorative Wurf!
Die »Auferstehung« — ein schlechtes Plakat, die Bild-
nisse matt, zum Teil auffallend süßlich, eine farbige
Reproduktion von »Mary als Torero« wird jeden
Gartenlaubeleser in helles Entzücken versetzen. Ein
Labsal ist der »Alpenblick vom Schwarzwald aus«,
den Thoma ausgestellt hat, eines der schönsten Bilder
unter den vielen höchst ungleichen Arbeiten, die der
Meister in den letzten Jahren geschaffen hat.

Otto Greiners Andenken wird durch eine kleine
Kollektivgedächtnisausstellung geehrt. Noch mehr als
auf der bei Heinemann veranstalteten Ausstellung er-
kennt man, daß der Künstler von Haus aus nicht nur ein
großer Zeichner war, der er ja auch geblieben ist,
sondern auch eine starke, ursprüngliche malerische
Begabung. Das Kinderdoppelbildnis von 1877 und
die Fliehenden Faune von 1880 lassen es kaum be-
greifen, wie Greiner später zu dieser unselig kalten
Malerei gekommen ist, zu jenen Akten, wo der
Reiz, den die Malerei des menschlichen Körpers
gibt, wie weggeblasen erscheint. Zu früh seiner Kunst
entrissen wurde der im Westen gefallene Hans Lesker.
Seine großen Kompositionen verraten eine nicht ge-
wöhnliche Begabung. Das Schaffen Gotthardt Kühls
veranschaulicht ein Dutzend Bilder aus verschiedenen
Epochen des Verstorbenen in würdiger Weise.

H. v. Hayek zeigt sich in seinen Kriegsbildern
ebensowenig verändert wie die Landschafter R. Pietzsch,
B. Buttersack, W. Lehmann. Die Phantasien von J.
Diez wirken heuer etwas matt, ebenso die Arbeiten
von Landenberger. A. Jank ist fast noch flacher ge-
worden, als er es in den letzten Jahren schon war.
Dagegen hat sich Groebers Können womöglich noch
gesteigert, leider aber bleibt es bei einer erstaunlichen
Beherrschung des eigentlich Materiellen, und die Seite
Leibischer Kunst, die dieser Maler weiterentwickeln
möchte, erhält mehr und mehr einen virtuosen, äußer-
lichen Charakter. Höchst virtuos spielt nun auch
R. Winternitz sein Instrument. Der »Geiger« zeigt
leider zuviel Bravour und zuwenig Innerlichkeit. Sam-
berger hat man einen ganzen Saal eingeräumt, doch
ist diese Sonderausstellung von Bildern und Kohle-
zeichnung nicht dazu angetan, daß sich der Beschauer
nun ein günstigeres Urteil über die Kunst dieses
Meisters Bilde, deren Vorzüge und Schattenseiten hin-
länglich bekannt sind. Kalckreuth überrascht dieses
Mal durch eine ungewöhnliche Geschmeidigkeit und
Weichheit, die durchaus wohltuend wirkt. C. H.
Schräder-Velgen bemüht sich ähnlich wie Burmeester
redlich um neue Lösungen pleinairistischer Probleme.
Ist es auch keine große Kunst, so freut man sich
doch über ihren Ernst und ihre Gründlichkeit. Fr.
Rhein hat diesmal ein sehr mattes Bildnis geschickt,
ungleich interessanter sind die Arbeiten von W. Jaeckel.
Der Sebastian freilich wirkt in seiner etwas an den
alten Heemskerk erinnernden Manieriertheit nicht be-
sonders erfreulich, aber das weibliche Bildnis besitzt
Leben und Eigenart, und ebenso wie die kleine Landschaft
koloristische Schönheiten, die über die rein spielerische
Art des Klimt und Münch seltsam kombinierenden
 
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