Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

DOI Artikel:
Simon, K.: Boehle-Ausstellungen in Frankfurt a. M.
DOI Artikel:
Ausstellung französischer Kunst in Amsterdam
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0125

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ausstellung französischer Kunst in Amsterdam 230

229

führte Werk der Entwurf für ein Glasgemälde war:
Ein Ritter zu Pferde vor einem Kruzifixus, mit Wappen-
darstellungen und reichem ornamentalen Rahmen. Auch
sonstige Bilder aus dieser letzten Zeit, Ritter sein
Pferd tränkend (1916), tragen durchaus diesen Glas-
gemäldecharakter. So läuft Boehles Malerei aus im
Dekorativen, im Kunstgewerbe.

Über Boehle als Plastiker enthielt die Ausstellung
kein Material. Seine starke Hinneigung zur Plastik
bekundete sich aber auch hier in mehrfach vorhandenen
gemalten Darstellungen von Reliefs (z. B. Bäuerin ihren
Gaul tränkend; 1910).

Boehle als Graphiker ist naturgemäß auch aus-
wärts bekannter: einen Überblick über diese Seite
seines künstlerischen Schaffens vermittelt eine gewählte
Ausstellung im Erdgeschoß des Städelschen
Institutes. Auch hier ein starker Wille zur Monu-
mentalität, der sich schon früh auch äußerlich in dem
großen Format ausspricht. Erstaunlich der Reichtum
der Phantasie, die Kraft des Gestaltungsvermögens, die
Breite der Schilderung, Dinge, in denen er die Fort-
setzung der besten deutschen Graphik bedeutet.

Gleichzeitig ist aus dem Nachlaß eine Anzahl von
Handzeichnungen durch die Familie zur Aus-
stellung ebendaselbst zur Verfügung gestellt worden.
Auch hier zeigt sich je länger je mehr eine Neigung
zum strengen Reliefstil, bei dem die Schichten sich in
gleichmäßiger Folge hintereinander aufbauen: offenbar
sind hier gleiche Grundüberzeugungen wie bei Adolf
Hildebrand wirksam. Was die behandelten Stoffe an-
geht, so sind es naturgemäß die gleichen wie in seinem
übrigen Schaffen. Als andersartig fallen auf eine Grab-
legung, ein Wilder Jäger, ein Aquarell mit Petri
Fischzug, wenig überzeugend gegeben, Petri Ver-
leugnung in Halbfiguren, auf eine knappe Formel
gebracht, ein hl. Martin u. a. m. Auch der farbige
Entwurf für ein mehrteiliges Wandbild ist zu sehen:
Boehles ganze Begabung drängte ja zum Wandbilde
hin, und es ist sehr zu bedauern, daß ihm nicht
Gelegenheit gegeben worden ist, auf diesem Gebiete
seine Begabung voll auszuleben.

In dem, was er malerisch tatsächlich geleistet, ver-
sagte er sich offensichtlich bestimmten Tendenzen
seiner Zeit: das ist seine Stärke, die ihm als Persön-
lichkeit zugute kommt, aber vielleicht auch seine
Schwäche; wir stehen ihm wohl noch zu nahe, um
das mit Sicherheit erkennen zu können. Vielleicht tat
er recht daran — wenn man hier überhaupt von einem
Tun sprechen kann — weil er das Bewußtsein haben
konnte, einem größeren Zusammenhang als nur der
Kunst seiner Zeit anzugehören. /<; SIMON.

AUSSTELLUNG FRANZÖSICHER KUNST
IN AMSTERDAM

Im Städtischen Museum in Amsterdam hatte die vor
einiger Zeit gegründete Gesellschaft »Nederland-Frankryk«
eine Ausstellung französischer Kunst veranstaltet. Diese
Oesellschaft hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die kulturellen
Bande, die die beiden so wesensverschiedenen Völker ver-
binden, enger zu knüpfen und dabei zugleich dem Einfluß
des stammverwandten Deutschland, der besonders auf

wissenschaftlichem Gebiete nach dem Urteil nationalistischer
Schwarzseher in beunruhigender Weise zugenommen hat,
energisch entgegenzuarbeiten. »Deutschland war im Be-
griff«, schreibt Prof. Dr. Salverda de Grave im Gids vom
Februar, »unser Volk auf geistigem Gebiete — dem einzigen,
über das sich die Tätigkeit der Gesellschaft erstreckt — zu
beherrschen. Und dagegen wollen die guten Patrioten,
die aus eigener Initiative ,Nederland-Frankryk' gestiftet
haben, wachen«. Um dies Ziel zu erreichen, gilt es natür-
lich in erster Linie die deutschen wissenschaftlichen Lehr-
bücher zu verdrängen und sie durch französische zu ersetzen.
Also eine Art geistigen Boykott Deutschlands erstrebt man,
um der »Germanisierung« Hollands durch deutsche Lehr-
methoden, deutschen Geist endlich Einhalt zu gebieten.
Von diesem antideutschen Verein ging diese französische
Kunstausstellung aus. Französische Kunst bedarf nun
eigentlich in Holland gar keiner besonderen Empfehlung
oder weiteren Propaganda; auf diesem Gebiete braucht
man die deutsche Konkurrenz ja auch nicht zu fürchten.
Denn französische Malerei und Graphik ist die einzige
ausländische Kunst, die in Holland geschätzt und gekauft
wird. Die Ausstellung hatte deshalb wohl in erster Linie
die Bedeutung einer Demonstration für Frankreich und
wurde auch allerseits als eine solche empfunden; und die
ganze Inszenierung hatte etwas von einer Sympathiekund-
gebung. Mit dem nötigen Dekorum wurde sie eröffnet,
der französische Gesandte wohnte der Eröffnung bei,
zusammen mit einigen Spitzen der Behörden; in einem
begeisterten Speech des Vorsitzenden wurde dem ruhm-
reichen Frankreich gehuldigt, das alle wie ein zweites
Vaterland lieben. Der Toast des Festredners gipfelte in
der folgenden Apostrophe von fast religiöser Inbrunst:
»Frankreich, freigebige Mutter, die stets spendet, ohne sich
je zu erschöpfen, wir bitten Dich, an Dich zu ziehen und
mit Dir zu vereinen alle Seelen, die Dich suchen.« Hierauf
sang eine Dame die holländische Nationalhymne, worauf die
Marseillaise folgte, unter großem Applaus der Anwesenden.

Was nun die ausgestellten Kunstwerke betrifft, die
man hier bewundern — und kaufen darf, so muß eine
billige Kritik dem Umstände Rechnung tragen, daß es
augenblicklich mit großen Schwierigkeiten verbunden ist,
wirklich wertvolle Sachen von Frankreich nach Holland zu
schaffen; und man wird daher begreifen, daß der franzö-
sische Kunsthandel nicht seinen kostbarsten Besitz gesandt
hat. Überdies muß man bedenken, daß viele der bedeut-
samsten Werke der Impressionisten — denn um die
handelte es sich vornehmlich — in den letzten Jahrzehnten
nach Deutschland gewandert sind, wo man sie in Berlin,
in München, in Hagen, in Bremen und so vielen anderen
öffentlichen Kunstsammlungen studieren kann. Holland
kommt für diese Periode der französischen Malerei zu
spät. Die Meister der vorhergehenden Phase, die Maler
von Barbizon, Daubigny vor allem, dann Rousseau, Dupre,
Millet, auch Corot, Courbet und Fantin-Latour sind ja in
holländischen Sammlungen gut vertreten; besonders im
Museum Mesdag findet man schöne Werke dieser klassi-
schen Kunst vereinigt. Ebenso kann man einen wichtigen
Ausläufer des Impressionismus, Cezanne, in Holland in
mehreren Privatsammlungen, die schon öfters im Rijks-
museum als Leihgabe hingen, gut kennen lernen. Und
auch von den Allermodernsten, den Kubisten, finden sich
charakteristische Proben im Rijksmuseum. Aber das
wichtigste Zwischenglied zwischen den Meistern von
Barbizon und Cezanne und den Jüngsten, die Impressio-
nisten, fehlen hier so gut wie ganz. Dem wollten nun
die Bernheim, die Durand-Ruel, und wie die Pariser Kunst-
händler alle heißen mögen, mit denen sich die Gesellschaft
»Nederland-Frankryk« in Verbindung gesetzt hatte, in
 
Annotationen