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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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ode, Wilhelm von: Leipziger Museumsfragen: zum Tode Fritz von Harcks
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 34. 25. Mai 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
-Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

LEIPZIGER MUSEUMSFRAGEN
ZUM TODE FRITZ VON HARCKS
Von W. von Bode

In Fritz von Harck haben wir alle, die wir ihm
nahe standen, den treuesten, liebenswürdigsten Freund
verloren: die Stadt Leipzig verliert in ihm den Mittel-
punkt ihrer künstlerischen Bestrebungen, wie sie ihn zu
deren Förderung gerade in der jetzigen Zeit besonders
nötig hätte. Harck hat erst vor etwa sechs Jahren seinen
Wohnsitz während des Winters im elterlichen Hause
in Leipzig genommen. Nur wenige Jahre war er
Vorsitzender der damals begründeten Gesellschaft der
Freunde des Kunstgewerbemuseums und im Vorstand des
Leipziger Kunstvereins. Weder durch größere wissen-
schaftliche Arbeiten, noch durch eine besonders ener-
gische Tätigkeit in der Leipziger Museumspolitik, wobei
ihn schon seine Schwerhörigkeit behinderte, hat er
sich in dieser Zeit bekunden können. Er hat auch
bei Lebzeiten die Sammlungen nicht, wie einzelne
Mitbürger vor ihm, durch größere Schenkungen oder
Stiftungen bereichert: und doch war er durch sein
feines Verständnis und seine Begeisterung für die
Kunst, durch seine warme Teilnahme an seiner Vater-
stadt und insbesondere an ihren Kunstsammlungen,
durch seinen Eifer, seine Selbstlosigkeit und seinen
Takt wie selbstverständlich in die Führung der Frei-
willigentätigkeit für die Kunstsammlungen Leipzigs
berufen, so sehr ihm bei seiner Bescheidenheit jede
öffentliche Betätigung widerstrebte. Trotzdem und
trotz der letzten schweren Zeit, in die mit dem Krieg
noch seine lange, unheilbare Krankheit fiel, ist in
diesen Jahren für die Kunst in Leipzig manches ge-
schehen, namentlich durch die Förderung des Kunst-
gewerbemuseums, dank vor allem der stets aus-
gleichenden, bestrickenden Persönlichkeit und dem
ehrlichen, rein sachlichen Bestreben von Dr. Harck.

Die Stadt Leipzig hat mit den zahlreichen und
mannigfachen Sammlungen im Privatbesitz, die sie in
ihren Mauern beherbergt hat, kein sonderliches Glück
gehabt. Im 18. Jahrhundert war Leipzig infolge seiner
berühmten Messe zugleich der Hauptkunstmarkt für
Deutschland und ist es für " alte Zeichnungen und
Drucke noch bis heute geblieben. Aber die mancherlei,
zum Teil recht bedeutenden Sammlungen, welche
dabei in Leipziger Privatbesitz entstanden, sind regel-
mäßig nur von kurzer Dauer gewesen. Von allen
Leipziger Sammlungen des 18. Jahrhunderts und bis
weit in das vorige Jahrhundert hinein (die Sammlungen
Winkler, Campe, Keil, Lampe u. a. m.) hat keine längeren
Bestand gehabt, ja nur wenige Stücke daraus sind in
Leipzig geblieben. Erst die Stiftung der Schletter-
schen Gemäldesammlung und die dadurch veranlaßte

Errichtung eines eigenen Museumsgebäudes, das 1858
eröffnet wurde, hat Wandel geschaffen. Dank dem
großen öffentlichen Sinn in der Bürgerschaft Leipzigs
sind dem neuen Museum Sammlungen und Mittel zu
Anschaffungen reichlich zugeflossen, so daß sehr bald
eine Erweiterung des Baues notwendig wurde, deren
Räume aber erst 1886 eröffnet werden konnten.
Weiteren Platz hat man auch in neuerer Zeit,
namentlich aus Rücksicht auf die Klinger-Sammlung,
durch Umbauten im Innern zu gewinnen gewußt.
Aber diese Änderungen im Hause wie vor allem der
Ausbau der Sammlungen galt in erster Reihe immer
der modernen Kunst; man überließ es der bewährten
Gebefreudigkeit der Leipziger Kunstfreunde, ob sie
durch Gaben oder Vermächtnisse auch die ältere Kunst
im Museum bedenken wollten. Wenn es von Zeit zu
Zeit geschah, hörte man immer dieselbe Klage, in die
auch alle Leiter des Museums seit fünfzig Jahren ein-
stimmten: sehr dankenswert, aber es nützt uns nichts,
Leipzig bringt es doch nicht zu einer ordentlichen
Sammlung alter Gemälde. Und doch besitzt das
Museum eine solche bereits, namentlich wenn das wert-
volle Vermächtnis Harcks erst dazu kommt. Freilich
in der Zersplitterung, in dem Mischmasch von Gutem
und Schlechtem, in den meist sehr ungünstigen Räumen
kann der Beschauer, trotz allen neuerdings in der
Aufstellung der Kunstwerke gemachten Verbesserungen,
nicht zum Bewußtsein kommen, was das Museum an
Kunstschätzen wirklich besitzt. Leipzigs Kunstsamm-
lungen kranken vor allem an einem großen Fehler, der
ihre weitere Entwicklung und den Genuß daran schwer
beeinträchtigt: der Museumsbau ist leider ein beson-
ders unglücklicher und zur Wirkung von Kunstwerken
ungünstiger Bau, dem weder durch Anbauten noch
durch Umbau — wie die verschiedenen Versuche
beweisen, die zudem fast das Doppelte von dem
gekostet haben, was für den ursprünglichen Bau
gezahlt wurde — wirklich zu helfen ist; denn
Grundriß wie Einteilung und Verhältnisse der
Räume, ihre Abmessungen und Belichtung sind ver-
fehlt, und ihre Ausstattung ist überladen und plump.
Ungünstig und nicht mehr zeitgemäß ist auch die
Verbindung mit dem Ausstellungslokal des Kunst-
vereins, so sehr die Galerie ihm für die Vervoll-
ständigung der modernen Abteilung verpflichtet ist.
Leipzig ist es seinen großmütigen Schenkern und Stif-
tern, denen die Stadt diese Schätze verdankt, schuldig,
daß dafür ein Bau errichtet wird, in dem sie gut und
würdig zur Geltung kommen, der zugleich Leipzig
als Kunststadt würdig vertritt. Diesen Bau müßte man
an der Stelle des jetzigen Museums errichten und müßte
auch das Kunstgewerbe mit darin unterbringen. Der
Platz wäre dazu vollständig ausreichend. »Aber
 
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