Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

DOI Artikel:
Werke deutscher Künstler des 19. Jahrhunderts bei Fritz Gurlitt in Berlin
DOI Artikel:
Dresdner Brief,[1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0064

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
107

Dresdner Brief

108

Hallung die ursprünglich starke malerische Begabung
des Künstlers deutlich erweisen.

Zum Schlüsse endlich sei zweier wenig gekannter
Erscheinungen gedacht. Der eine ist der Düsseldorfer
Julius Rollmann, der im Jahre 1863 in Italien eine
Anzahl landschaftliche Studien gemalt hat, die in ihrer
knappen Behandlung, ihrer edlen, blonden Farbigkeit
von fern an Corot erinnern können. Der andere ist
der Frankfurter Lunteschütz, den man in geschmack-
vollen, farbigen Entwürfen schätzen gelernt hat. Hier
sieht man eine merkwürdige Studie zu dem bekann-
ten Schopenhauerporträt des Städelschen Instituts, die
durch die Unmittelbarkeit der Persönlichkeitswieder-
gabe interessanter ist als das ziemlich langweilige, aus-
geführte Gemälde. Als faszinierende Naturaufnahme
des berühmten Philosophen verdiente das Werk trotz
der äußeren Unfertigkeit sehr wohl die Aufnahme in
eine deutsche Porträtgalerie. 0.

DRESDNER BRIEF

Dresdens Kunstleben ist — wenigstens was Kunst-
ausstellungen angeht — gegenwärtig sehr rege: an
drei Stellen sind wiederum wertvolle Ausstellungen
zu sehen. An erster Stelle steht die Herbstaus-
stellung der Künstlervereinigung Dresden, die
der graphischen Kunst gewidmet ist. Sie umfaßt
wieder alle Räume des neuen städtischen Ausstellungs-
hauses und bietet über 900 Radierungen, Holzschnitte,
Wasserfarbenbilder, Farbstift- und Bleistiftzeichnungen.
Eingeschlossen sind in dieser Zahl 300 Handzeich-
nungen von Adolph von Menzel, die die Berliner
Nationalgalerie hergeliehen hat. Bieten sie auch dem
erfahrenen Kunstfreunde nichts Neues, so erfreuen sie
doch den weniger bewanderten Kunstgenießer durch
die Schärfe und Kraft der Auffassung, und viele sind
auch schon in kulturgeschichtlichen Wert hineinge-
wachsen. Sie sind im großen südlichen Ecksaal auf-
gehängt, wo auch aus Max Klingers Besitz zwei Dutzend
Lithographien und Radierungen als eine vornehme
Gedächtnisausstellung für den allzu früh verstorbenen
Otto Greiner untergebracht sind. In dem ent-
sprechenden großen nördlichen Saale sehen wir als
bedeutsame monumentale Zierde von Otto Guß-
mann einen Teil eines Wandgemäldes in stilistisch
großer Form und Farbengebung sowie die Kartons
zu Glasfenstern für Ebingen und andere großzügige
Arbeiten, die Gußmann auf seinen Wegen zielbewußt
fortschreitend zeigen als Meister der dekorativen
Malerei, dazu von Paul Rößler acht nicht minder
herb und kräftig aufgefaßte Kartons für Glasmalereien.
Im östlichen großen Hauptsaale endlich beherrscht
den Blick ein Karton für einen Teil eines größeren
Kirchengemäldes von Hans Nadler, der sich damit
zum ersten Male auf dem Gebiete der Monumental-
malerei und zwar mit Glück tätig zeigt. Im übrigen
bietet die Ausstellung kleinere Werke, darunter keines,
das man schlechthin als minderwertig bezeichnen kann.
Das Ganze ist mit so viel Geschmack und künstlerisch
vornehmem Sinn angeordnet, daß man von Dresdens
künstlerischer Kraft wieder einen starken Eindruck erhält.

An der Spitze steht Robert Sterl, dessen feine
farbenfreudige Aquarelle uns teils an die Front im
Westen, teils nach Moskau, Petersburg und Astrachan
versetzen und mit feinstem Farbensinn das dortige
bunte Volksleben schildern. Ein Meisterwerk ersten
Ranges ist besonders das Fischerboot auf der Wolga.
Weiter fällt als Farbenkünstler wieder August Böck-
stiegel mit den starkfarbigen Aquarellen Russischer
Obstgarten, Schlesische Bauernkinder, Pferde im Kampf-
gebiet usw. auf, nicht minder Max Pechstein, der
u. a. ebenfalls Skizzen aus dem Felde gesendet hat.
Als Graphiker absonderlicher Phantasie zeigte sich
Georg Gelbke, dessen Blätterfolge »Mich schaudert
dieses Krieges« tatsächlich grausig und noch mehr
als das sind; Walther Rehn stellt aus einer längeren
Folge Ende, die anscheinend 30 Blätter umfaßt, vier
von ergreifender Gedankentiefe und reicher Phantastik
aus: Erwachen der Sphinx, die Boten der Erstandenen,
die zerbrochene Zeit, Ankunft des Todes. Andere
Pfade phantastisch - spukhafter Kunst wandelt Max
Schenke, dessen Mann mit dem häßlichen Auge
und Hinrichtung kräftige Eigenart bekunden. Als
Graphiker von kräftig eindringlicher Ausdruckskunst
und lebendiger Technik erweist sich auch Joseph
Hegenbarth mit seinen drei Zigeunern (drei Blatt),
der Kreuzerhöhung und der Kreuzerrichtung und
andern Blättern nachdenklicher Art, die den Beschauer
länger fesseln.

Als sicherer Beobachter der Tierwelt bis in die
feinsten Regungen zeigt sich wieder E man uel Hegen-
barth in den fressenden Rehen, einer Hirschgruppe
und Heidschnucken. Von Eugen Bracht sehen wir
geschmackvoll aufgefaßte Landschaften in geschickter
Wasserfarbenmalerei, von Ferdinand Dorsch zwei
lebendige Bildnisstudien, von Leonhard Fanto ein
vorzügliches, ergreifendes Bildnis des Märtyrers Sir
Roger Casement, das in Dresden nach dem Leben
auf Stein gezeichnet wurde, weitere gute Bildnisse von
Rudolf Scheffler: Eugen d'Albert u. a., von Georg
Erler, Cilio Jensen und Georg Gelbke (Bildnis
des Prof. Hugo Kehrer).

Unter den Landschaften stehen mit in erster Reihe
die Zeichnungen und Steindrucke von Richard
Dreher, der auf dem Wege weifgehender Verein-
fachung und schlichter Auffassung feines Naturempfin-
den auszudrücken weiß. Sicheres reiches Können und
geschmackvolle Naturauffassung in wirksamer Ab-
tönung bekunden Otto Fischers neue Radierungen
Falkenberge, Hügellandschaft, Dorfpartie 1915, Guts-
hof 1915 und Landschaft mit Zaun. Nennen wir
endlich noch: Max Feldbauer und Ludwig von
Hofmann, die mit älteren und neueren Arbeiten
ihr neuerworbenes Dresdner Bürgerrecht bekunden,
und von den übrigen Dresdnern: Ernst Richard
Dietze (Bilder aus einem Gefangenenlager), Fritz
Winkler (treffliche leicht hingeworfene Eindrucks-
bilder von Tieren), Otto Lange (Holzschnitte, Aqua-
relle, Lithographien), MülIer-Gräfe(Laon u. a. Kriegs-
bilder), Lasar Segall (Nach dem Pogrom, An
den frischen Gräbern, Die unschuldigen Opfer), Erich
Buchwald-Zinnwald (Landschaften aus dem säch-
 
Annotationen