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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Cohen, Walter: Rheinischer Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0172

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Rheinischer Brief

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Wege gegangen sei und sich mit Recht auf das be-
schränkt habe, was ihn in den großen deutschen
Städten als malerisch reizvoll fesselte, was er für diese
oder jene Residenz charakteristisch hielt.« Dem Holz-
schnitte mit dem Blick auf Dom und Altstadt in
Frankfurt und den geschickt verwandten entlaubten
Bäumen des Sachsenhausener Ufers möchte ich den
Preis unter den Blättern der ersten Folge zuerteilen.
Die zweite noch im Erscheinen begriffene soll An-
sichten aus Potsdam, Dresden, Ulm, Heidelberg, Bres-
lau, Köln und Nürnberg bringen.

Inzwischen ist durch die Presse bekannt geworden,
daß der besonders durch die großen Kunstausstellungen
von 1902 und 1904 bekannt gewordene Kunstpalast,
der seit Ausbruch des Krieges Lazarettzwecken diente,
im Sommer seiner ursprünglichen Bestimmung zurück-
gegeben wird. Die Düsseldorfer Künstlerschaft wird
gemeinsam mit der Berliner vom 16. Juni bis 30. Sep-
tember eine umfassende Kunstausstellung veranstalten,
an der auch die beiden Gruppen der Berliner Sezession
teilnehmen werden. Ich weiß nicht, wie die Berliner
Kunstfreunde sich zu diesem Exodus stellen werden:
sicher ist, daß im Rheinlande die größte Befriedigung
über die bevorstehende Wiederbelebung des im Großen
und Ganzen doch recht stagnierenden Kunstlebens
herrscht. Den einheimischen Künstlern wird die un-
gewohnt reiche Teilnahme der Fremden — die Berliner
werden kaum die einzigen bleiben — einen starken
Impuls geben. Die Gäste aber können dessen gewiß
sein, daß rheinische Kunstliebe und auch rheinische
Kaufkraft durch den Krieg ungebrochen geblieben
sind. Zudem bürgt die oft bewährte Organisations-
kunst des eigentlichen spiritus rector des großen
Unternehmens, Professors Fritz Roeber, für ein Über-
winden der mannigfachen Schwierigkeiten und ein
glückliches Gelingen.

Düsseldorfs Nachbarstadt Krefeld hat einstweilen
noch den Vorzug eines in sich abgeschlossenen
Museumsinstituts vor ihm voraus. Bei jedem Be-
suche des Kaiser-Wilhelm-Museums erfreut die muster-
hafte Gruppierung der Ausstellungsgegenstände, be-
sonders in den kunstgewerblichen Abteilungen. Hier
hat jetzt Deneken die auf der Kunstauktion von
Beckerath erworbenen plastischen und kunstgewerb-
lichen Sammlungsstücke mit dem älteren Besitz, in
einem anstoßenden Saale, vereinigt: das Ganze eine ein-
drucksvolle Verkörperung der italienischen Renaissance-
Kultur in ausgewählten Stücken, besonders unter den
Majoliken und Möbeln. Was Italien für die Kunst
bedeutet, tritt nirgendwo am Rheine so deutlich in
Erscheinung wie in der niederrheinischen Fabrikstadt.
Wenn auch die Herkunft des Sammlers Beckerath aus
Krefeld den ursprünglichen, gewiß nicht zwingenden
Anlaß zur Begründung dieser Abteilung gab, so hat
doch die Zeit das Zufällige verwischt, und mehr und
mehr stellt sich dieser Bestandteil des Museums als
ein nicht fortzudenkender Eckpfeiler seines Organis-
mus heraus. Das darf um so eher anerkannt werden,
als Deneken auch in der eigentlichen Heimatpflege,
besonders in der Abteilung der reichfarbigen nieder-
rheinischen Bauernkeramik, Vorbildliches geleistet hat.

Die Gemäldegalerie des Krefelder Museums ist außer
durch das bereits früher erwähnte Stilleben Schuchs, eines
Geschenkes des Geheimrats ter Meer in Uerdingen, durch
ein reizvolles Damenbildnis auf dunklem Grund von
dem frühverstorbenen Alfred Mohrbutter bereichert
worden. Ein lachender Musikant, der wohl mit Recht dem
Gerard Terbruggen zugeschrieben ist, vertritt die noch
spärlich vertretene Kunst der alten Meister. Daß, wie
ein Hinweis in der Galerie besagt, dieses erst kürz-
lich bekannt gewordene Gemälde Rembrandt als Vor-
bild für sein Selbstbildnis in dem Dresdener Doppel-
porträt gedient habe, muß erst noch bewiesen werden.

Die Kunstausstellung des Kaiser-Wilhelm-Museums
dient zur Zeit einer Veranstaltung der Düsseldorfer
Künstlervereinigung »Freie Gruppe«, der die Maler
Professor Heinrich Reifferscheidt in Berlin, H.J. Koenig
und F. X. Wimmer in Düsseldorf, A. Engelhard in
Karlsruhe und H. Keuth in Saarbrücken angehören.
Eher hat wohl persönliche Bekanntschaft als Gemein-
samkeit der künstlerischen Ziele diese Künstler zu-
sammengebracht. Von Reifferscheidt sind nur Ra-
dierungen ausgestellt, aber auch sie üben eine reinere
Wirkung aus als die vielfach problematischen Ölbilder
der Genossen, z. B. Koenigs. Da die »Zeitschrift für
bildende Kunst« viele der Radierungen im Original
wiedergegeben hat, ist die Sonderart dieses bewußt
schlichten Graphikers den Lesern wohl vertraut. Ob
Reifferscheidt Motive aus seiner rheinischen Heimat,
aus Holland oder aus Venedig bringt, immer gelingt
es ihm, oft mit wenigen Strichen, das Wesentliche
einer Landschaft wiederzugeben. Dabei verfällt er
niemals ins Nüchterne, obschon Venedig beinahe
allzu unpathetisch gesehen ist; dem Enkelsohne Karl
Simrocks, der solange in dessen romantisch gelegenem
Weingute Menzenberg bei Honnef der Einsamkeit und
seiner Kunst lebte, bevor ihn die Berufung an die
Königliche Kunstschule in Berlin ereilte, lebt ein dich-
terisches Element inne, das mit dem Stichel und der
Nadel »Stimmung« zu verbreiten weiß. Dabei ist
Reifferscheidt glücklicher in seinen Wirkungen, wenn
er ein Basaltschiff am Rhein oder ein holländisches
Gehöft schildert, als wenn er in anspruchsvolleren
Kunstblättern, Widmungen an deutsche Dichter,, an
Hölderlin und Gottfried Keller, die Grenzen seiner
im Idyllischen wurzelnden Kunst verschiebt.

Eine Ausstellung »Deutsche Landschafter« im
städtischen Kaiser-Wilhelm-Museum zu Elberfeld konnte
noch nicht besichtigt werden. Die Ausstellungskam-
pagne des Museums in Essen schloß mit einer Ver-
tretung der Münchener Sezession. Da das bisher für
die Kunstausstellungen verwandte Kruppsche Haus
für Beamtenwohnungen eingerichtet wird, macht der
Krieg den erfolgreichen Bestrebungen des Museums-
direktors Gosebruch zunächst ein Ende.

Schließlich sei noch, wenigstens mit einigen Worten,
der Tätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmal-
pflege in der Rheinprovinz und der Provinzialmuseen
zu Bonn und Trier gedacht. Der soeben erschienene
reichillustrierte Bericht für die Jahre 1915 und 1916
(Verlag L. Schwann, Düsseldorf 1917, 118 S.) ist be-
sonders eindrucksvoll durch die Schilderung der durch
 
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