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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Otto Greiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0012

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Otto Greiner f

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soll, haben wir vergeblich in Erfahrung zu bringen
versucht. »Vestigia terrent<, lernten wir in der Schule.
Die Spuren des Dr. Mayer scheinen in Weimar nicht
geschreckt zu haben. Sonst hätte man nach dieser
Kraft, deren Verfehltheit nachträglich wohl niemand
mehr wird ableugnen wollen, auf alle Fälle einen
Kandidaten gebracht, dessen Name von vornherein Ver-
trauen zu wecken geeignet gewesen wäre, — und wäre
es kein anderer als einer von uns verrufenen Malern.

Trotzdem möchte ich keineswegs in den Verdacht
geraten, etwa selbst den Direktorposten erstrebt zu
haben, was mir sehr fern liegt, und bitte Sie darum von
dem Rechte der Anonymität Gebrauch machen zu dürfen.

Mit dem Ausdruck usw.«

Wir entsprechen dem Wunsche des Herrn Ein-
senders und haben seinen Brief zum Abdruck gebracht.
Wir glauben unsererseits seinen Ausfährungen vorerst
nichts hinzufügen zu sollen. D. Red.

OTTO GREINER f

Am 24. September ist in München Otto Greiner
nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Mit ihm
ist einer der bedeutendsten deutschen Graphiker, einer
unserer größten Zeichner dahingegangen, aber auch
als Maler ist er erfolgreich gewesen; allerdings besitzt
nur eine deutsche Galerie Zeugnisse seiner malerischen
Tätigkeit. Greiner stammt aus Leipzig, wo er am
16. Dezember 1869 geboren wurde. Er bildete sich
als Lithograph aus und machte seine Lehrlings-
tätigkeit in der Offizin von Julius Klinkhardt durch.
Seine Ausbildung im Zeichnen verdankte er dem jetzt
noch tätigen Zeichenlehrer Arthur Haferkorn. 19 Jahre
alt ging er nach München und wurde Schüler von
Alexander Liezen-Mayer, 1892 wurde es ihm ermög-
licht, eine Reise nach Rom zu machen, wo ihm in
der Natur die Schönheit des Südens aufging und
schon damals der Wunsch sich aufdrängte, für die
Dauer sich niederzulassen, namentlich um den nackten
menschlichen Körper zum Mittelpunkt und Inbegriff
seiner Kunst zu machen. Sein sehnlicher Wunsch
erfüllte sich ihm auch in späteren Jahren, nach-
dem er sich vorübergehend bald in Leipzig,
bald in München, wo er auch seiner militärischen
Dienstpflicht beim ersten Infanterieregiment genügte,
aufgehalten hatte. Als Italien im Frühjahr vorigen
Jahres in den Weltkrieg eintrat, mußte er Rom,
wo er sich am Colosseum seine Künstlerwerkstatt ein-
gerichtet hatte und in unermüdlichem Fleiß Werk um
Werk vollendete, mit seiner Gattin, einer Italienerin,
verlassen und begab sich nach München, wo er zu-
letzt an einem großen Gemälde tätig war, das ihm der
geschäftsführende Ausschuß der Deutschen Bücherei
für den großen Saal der neuerbauten Deutschen
Bücherei in Auftrag gegeben hatte. Kaum über die
Anfänge ist dieses vielversprechende Werk hinausge-
diehen, so daß wir leider gerade das entscheidendste
Wort, das er als Maler sprechen wollte, nicht haben
vernehmen können. Eine innige Freundschaft ver-
band Greiner mit dem um zwölf Jahre älteren Max

Klinger. Oft kann man hören, Greiner sei Klingers
Schüler gewesen; ein Irrtum, denn Klinger hat nie
Schüler gehabt. Richtig ist aber, daß den jüngeren
Künstler mit dem großen älteren Meister, so ver-
schieden auch beide an Temperament sein mochten,
eine gleiche Anschauung und Überzeugung in künst-
lerischen Dingen verband. So haben namentlich beide
die Bedeutung des nackten menschlichen Körpers als
Grundelement der Stilbildung mit größtem Nachdruck
vertreten. Als Graphiker hat sich Greiner namentlich
durch seine Steinzeichnungen einen berühmten Namen
gemacht. Diese Lithographien zeichnet in der über-
wiegenden Mehrzahl ein an die Radierung erinnern-
des reines Strichverfahren aus, das die Reinheit der
Zeichnung, namentlich in der Herausbildung des
menschlichen Körpers, zu einer außerordentlichen
Geltung bringt. Daneben ist er auch als Stecher tätig
gewesen, auch hier wie sonst überall die Zeichnung
durch wundervoll klare Studien vorbereitend, in denen
er sich, namentlich was den nackten menschlichen
Körper betrifft, in Einzelheiten nie genug tun konnte.
Sein graphisches Werk, über das ein sog. Oeuvre-
Katalog in Vorbereitung ist, dürfte etwa 120 Num-
mern umfassen. Ein vollständiges Exemplar, wie
ein solches nicht zum zweiten Male irgendwo vor-
handen ist, besitzt die GraphischeSammlungdes Museums
der bildenden Künste in Leipzig, das auch im übrigen
die Stätte geworden ist, in der seine Kunst am glän-
zendsten vertreten ist. So enthält dieselbe Sammlung
eine große Anzahl seiner vollendet durchgeführten
Akt- und Studienzeichnungen, meist in Buntstift.
Das Leipziger Museum besitzt endlich auch das
1902 vollendete große Ölgemälde »Odysseus und die
Sirenen« und seit dem Januar dieses Jahres das Bild-
nis von Franz Langheinrich, das, gegenwärtig auf der
Sezessionsausstellung in München ausgestellt, große
Anerkennung gefunden hat. Sonst ist merkwürdiger-
weise in keiner deutschen Galerie derNameOttoGreiners
vertreten, obschon oft genug Gelegenheit, ein Werk
seiner Hand zu erwerben, vorhanden gewesen wäre.
Diese Zurückhaltung ist, wenn man sieht, welche
Geister in die oder jene Sammlung ihren Einzug
halten durften, tief zu bedauern. Dagegen befinden
sich viele von Greiners Werken in Privatbesitz, u. a.
bei Dr. Guthmann in Berlin die Gemälde »Herkules
bei Omphale« und die prachtvolle »Atelierszene«, deren
Ankauf einst von maßgebender Seite für die Dresdner
Galerie geplant gewesen sein soll. Eine kostbare
Sammlung Greinerscher Werke, u. a. auch das Öl-
gemälde »Prometheus« besitzt Herr Dr. Georg Hirzel
in Leipzig. Zwei Gemälde mit gleichem Motive,
»Kriegskinder«, ein älteres Mädchen, das mit dem
jüngeren Brüderchen spielt, befinden sich z. Z. noch
im Kunsthandel in München und in Berlin. Der
Name Otto Greiner wird fortleben unter den
Besten, die in der Geschichte der deutschen Kunst
aus dem Ende des neunzehnten und dem Anfang des
zwanzigsten Jahrhunderts verzeichnet werden. Eine
Sonderausstellung seiner Werke soll im Laufe des
kommenden Winters in seiner Vaterstadt Leipzig ver-
anstaltet werden. V.
 
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