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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Orbaan, Johannes A. F.: Franz Ehrle
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 3. 13. Oktober 1916

Die Kunsichronik und der Kunstmarkt erscheinen am Ireitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der- Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeilschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

FRANZ EHRLE

Von J. A. F. Orbaan1)

Es gab in unserem Erdteile eine Stelle, in der
Starkströme wissenschaftlicher Forschung zusammen-
trafen: die Vatikanische Bibliothek in Rom.

Eine lange Reihe von Jahren ist ein Deutscher,
Franz Ehrle S. J., nicht nur der Verwalter dieser un-
vergleichlichen Manuskripten- und Büchersammlung,
sondern auch der verständnisvolle und durch uner-
müdliche Hilfe und durch sein Beispiel anregende
und zur Arbeit begeisternde Führer eines großen,
teils ständig in Rom tätigen, teils wechselnden Kreises
von Gelehrten aller Länder gewesen.

Es war immer eine Freude, in dieser wie mit
der Elektrizität der Intelligenz geladenen Atmosphäre
die vornehme Gestalt Ehrles durch die hohen Ge-
mächer schreiten zu sehen, mit der Gewandtheit der
Bewegungen und des Blickes, die bei auserlesenen
Persönlichkeiten des Klerus die berechtigte Feierlich-
keit wieder mit Liebenswürdigkeit und Weltklugheit
paaren. Nur wenige Stunden konnte er morgens ruhig
an seinem Tisch im Arbeitszimmer der Bibliothek, wo
er mitten unter der dort versammelten Forscherwelt
saß, verbringen. Jeden Augenblick wurde seine Auf-
merksamkeit durch eine neue Frage, eine Bitte um
Auskunft in Anspruch genommen. Es sind dort in
geflüsterten Gesprächen am kleinen Katheder die
höchsten Interessen, die gediegensten und kühnsten
Pläne der zeitgenössischen artes liberales erwogen
worden, in einer glücklichen Zeit des Gleichgewichtes,
in der die geistigen Bestrebungen Europas für eine
Verständigung reif zu sein schienen. —

Während ihm seine Religion die Liebe zur Kunst,
seine Ordensangehörigkeit eine internationale Stellung
gab, dürfen wir doch gewiß seine lebendige Teil-
nahme an jedem großen wissenschaftlichen Unter-
nehmen, das über politische und ethnische Grenzen
hinwegschaut und durch das richtig geleitete Zu-
sammenarbeiten der Auserwählten verschiedener Völker
vorbedingt ist, aus seiner Herkunft erklären. Die
meisten internationalen Aufgaben der Wissenschaft
haben, der Zahl wie dem Werte nach, doch wohl
in Deutschland ihren Mittelpunkt.

Ehrle war in seiner schönen Stellung doch zu
sehr Mann aus einem Stück, als daß er nicht das
Strahlenbündel, das sein erleuchteter Geist aussandte,
auch wieder auf seine nächste Umgebung zurück-

1) Die sympathischen Worte des holländischen Kunst-
forschers werden bei uns freudig begrüßt werden; da er
die deutsche Sprache nicht vollständig beherrscht, war
eine Überarbeitung nötig, leider aus Platzmangel auch
eine Kürzung. D. Red.

wirken ließ. Wenn, etwas beschränkt und egoistisch,
mancher Ausländer in den vatikanischen Sammlungen
nur nach Dokumenten für die Geschichte seines eigenen
Landes suchte, und wenn diese Engherzigkeit die Ent-
täuschung, wie eine notwendige Rüge, zur Folge hatte,
konnte sein mystisches Lächeln so sonderbar den zu
erwartenden Mißerfolg andeuten und dabei, wie im
Vorbeigehen, auf die reichen Speicher neben ihm hin-
weisen, die unerforschte Schätze für die Kultur —
sit venia verbo — enthielten. Manchem ist hier durch
eine Geste dieser durchgeistigten Hand der richtige
Weg zu neuen Perspektiven gewiesen worden. —
Mir scheint, daß in Rom am wenigsten Tüchtiges ge-
leistet worden ist von denen, die sich der belehren-
den und beruhigenden Sphäre der Vaticana fernge-
halten und nur in aller Eile sich das notwendige Buch
über das italienische Thema angefertigt haben; die in
eingebildeter Überlegenheit die Vorteile, die aus engeren
Beziehungen zu den Einheimischen sich von selbst
ergeben hätten, lange oder sogar immer unbeachtet
liegen ließen. —

Von den Schätzen, die aus dem Studium auch
der näheren Vergangenheit Roms gewonnen werden
können, gibt die vorliegende Reihe der Pläne3) der
ewigen Stadt aus der Zeit um 1600 eine Vorstellung.
Sie repräsentiert zugleich in der Vollendung einen
ganz modernen Zweig der Wissenschaft, dessen Wert
Ehrle längst erkannt hatte, und den er in eigener
Initiative mit allen dem von ihm geleiteten Institute
zur Verfügung stehenden Mitteln gefördert hat.

Eine Reihe glänzender Namen der italienischen
und ausländischen Wissenschaft, unter denen die
Lancianis, Hülsens und Eggers hervorzuheben sind,
verbindet sich mit dem Studium der Bilder von Rom
im Mittelalter, in der Renaissance und der ihr folgen-
den Epoche. Die Forschungen, die sich von De Rossis
»Piante«, von des vortrefflichen Gnoli »römischer
Sammlung« und Kristellers Ausstellung bis zum städti-
schen topographischen Museum an der Engelsburg
ausgebreitet haben, förderten aus den Kupferstich-

2) Le piante maggiore di Roma dei secoli XVI e XVIII,
riprodotte in fototipia a cura della Biblioteca Vaticana, con
introduzioni di Francesco Ehrle, S. I. — Roma, Danesi
editore.

1. Roma al tempo di Oiulio III. — La pianta di Roma
di Leonardo Bufalini del 1551, Roma, 1911.

2. Roma prima di Sisto V. — La pianta di Roma
Du Perac-Lafrery del 1577.

Appendici:

1. La grande veduta Maggi-Mascardi (1615) del Tempio
e del Palazzo Vaticano, stampata coi rarni originali,
con introduzione di Francesco Ehrle, S. I., Roma, 1914.

2. La mappa della Campagna Romana del 1547, in sei
fogli . . . con introduzione di Tommaso Ashby, 1915.
 
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