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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Orbaan, Johannes A. F.: Franz Ehrle
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Kunstleben am Rhein
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0021

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Kunstleben am Rhein

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das Erscheinen der Abbildungen der perspektivischen
Ansicht Maggis, die Rom zur Zeit Urbans VIII. dar-
stellt, noch geduldig abwarten müssen. Dieser Plan,
den man als eine Art Kunstwerk bezeichnen kann,
wird uns wichtige Aufschlüsse über die Gestalt Roms
nach dem Neu- und Umbau Pauls V., des Vollenders
der Peterskirche, geben. Sobald die ganze Reihe voll-
ständig sein wird — es kommen noch mehrere von
diesen perspektivischen Karten einschließlich des Meister-
werkes Faldas und der zweiten, um einige Jahre späteren
Ausgabe des kürzlich in Stockholm von Dr. Collyn
entdeckten Tempestaschen Planes vom Jahre 15931)
hinzu — werden wir für Rom in der Barockzeit einen
vollständigen Kartenatlas besitzen durch das Verdienst
Ehrles, der der Vaticana damit ein Abschiedsgeschenk
gemacht hat, bevor er ihre Leitung in die Hände des
für die Kunstgeschichte ebenfalls persönlich interessier-
ten Monsignore Ratti legte.

Alles, was sich auf die Kunsteinheit Rom bezieht,
hat etwas Großartiges an sich, auch in dem Zeitalter,
das mit dem Ende der Renaissance beginnt. Die
Zeichner, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts und im 17. die einfachen Umrisse oder die
Gesamtansicht der Stadt planartig abgebildet haben,
bringen für diese Arbeit eine richtig abgemessene
Gewissenhaftigkeit, ein starkes Verantwortlichkeits-
gefühl, eine Art von Ehrfurcht mit: Bufalini, der
Grundleger, wie Duperac, der die Stadt mit eingefügten
Abbildungen der Gebäude noch eben darstellen konnte,
bevor Sixtus V., von religiösen Prinzipien auch in der
Städtebaukunst geleitet, seine eingreifenden Änderungen
vornahm und fast sein ganzes Programm ausführte.
Tempestas große Gesamtvedute wird uns die Über-
gangsperiode des Pontifikats Clemens' VIII. zeigen, die
wenig gekannte, für die Weiterentwicklung des römi-
schen Barock so wichtige Zeit, für die ich die raschen
Fortschritte der neuen Wissenschaft der christlichen
Archäologie und das Jubiläumsjahr 1600 als große
historische Faktoren ansehen möchte. Für die Zeit
Pauls V. wäre, wie Hülsen in einer abschließenden
Abhandlung2) bemerkt, die Reproduktion des Planes
von Matthäus Greuter von 1618 erwünscht. Leider
eignet sich das einzige benutzbare Exemplar, im Castel
S. Angelo, nicht gut zur Vervielfältigung. Es stellt
Rom dar, als das Aufblühen einer ganz römischen
Kunst, das dem Borghese-Pontifikat verdankt wird,
seine Gestalt zu bestimmen begonnen hatte; es zeigt
die Peterskiche fertiggestellt, den Palazzo Borghese
vollendet, das kleine Juwel, den Garten des Palazzo
Bentivoglio-Mazarin-Rospigliosi, die Villa Borghese in
ihrer ersten Gestalt, die Mausoleumskapelle in S. Maria
Maggiore und eine Anzahl öffentlicher Brunnen.

Vaticana, con introduzione di Francesco Ehrle S. I., Roma,
Danesi editore 1915.

1) Ich möchte hierbei auf die bisher unbeachtete
Tatsache aufmerksam machen, daß Karel van Mander 1603
in seinem »Schilderboeck«, in dem er ein wichtiges Kapitel
über römische Künstler bringt, diesen Plan von 1593 erwähnt.

2) Christian Hülsen, Saggio di bibliografia ragionata
delle piante iconografiche e prospettiche di Roma del 1551
al 1748. Roma, a cura d. R. Soc. Romana d. stor. patria.
1915, p. 8. n. 1.

Die Fortsetzung der Reihe mit dem Maggi-PIan,
zum schon vorliegenden Texte, und die weiteren
Blätter werden uns in den Stand setzen, leicht einen
Überblick über die endgültige Entwicklung des Barock
unter Gian Lorenzo Bernini, der noch aus der Borghese-
zeit stammt, weil er damals seine ersten Versuche
machte, zu gewinnen.

Sonst hätte ich ein Buch Ehrles, wo es meinen
Arbeitstisch auch erreicht hätte, gewiß ausführlicher
»besprochen«. Aber jetzt, wo die Vergangenheit sich bis
zum Verschwinden zu verkleinern scheint, sobald man
an eine historische Arbeit herangeht, wo jede Tatsache
nur gangbaren Wert zu haben scheint, insoweit sie
sich dem rasend schnellen Tempo der Gegenwart
fügen kann, muß auch ein Werk wie dieses in eine
solche Sphäre versetzen, in der die Erinnerung, im
Dunkel umhertastend, die Hand der Zukunft zu er-
greifen versucht. Meine Gedanken gehen denn aus
der reinen Atmosphäre römischer Studien, wo alles
sich harmonisch aneinanderreihte und ein höherer Aus-
blick über das Wollen und Tun der ganzen wissen-
schaftlichen Welt gestattet war, hinaus zu allen Menschen
guten Willens, die sich dort im Laufe der letzten Zeiten
zusammengefunden hatten und in der Vatikanischen
Bibliothek eine Schatzkammer ohnegleichen eröffnet
sahen. Wenn sie auf ihre Studien apud Sanctum Petrum
zurückschauen können und Ehrles Buch in ihre Hände
bekommen, mögen sie sich in die Stimmung und in die
Umgebung dort wieder versetzt fühlen, über den
ponte de' sospiri zwischen einst und jetzt.

Der horror vacui wird sie ergriffen haben beim ge-
legentlichen Gedanken an die fast polarische Land-
schaft, die die Welt darbieten würde ohne diese so
leichtsinnig verabscheute Kultur. In aller Stille werden
sie hoffen, daß in Europa das vormals bestehende
Gleichgewicht — nach aller Mühe, uns erlösen und
sogar vom Aequator herauf rückkolonisieren zu wollen
— bald wieder hergestellt werde. Die Überzeugung
muß doch da sein, daß die Völker Europas nach
einem bedeutenden Worte — das in eigentlichem
Sinne sich mehr bewähren könnte, als wir jetzt mitten
in der Umwälzung, der Entwertung imstande sind
zu beurteilen — ihre heiligsten Güter wahren sollten,
und daß zu diesen Gütern auch gehört, neben der
italienischen Renaissance, der Elisabethanischen Periode
und dem Intellektualismus von Voltaire bis Taine, die
deutsche Wissenschaft, die sich in einer ganzen
Reihe von Dekaden friedlicher Entwicklung ihr eigenes
unzerstörbares Denkmal schon vor dieser neuen Völker-
schlacht errichtet hat.

KUNSTLEBEN AM RHEIN
Die Oswald Achenbach-Ausstellung der städtischen
Kunstsammlungen in Düsseldorf ist zu Ende gegangen.
Dem bereits beträchtlichen Besitz der Galerie an Werken
des Künstlers ist ein weiterer Zuwachs durch die
Erwerbung zweier bedeutender studienhafter Bilder
geworden, der 1850 entstandenen »Cypressen«, einem
Motiv aus der Villa d'Este in Tivoli und des Interieurs
aus den sechziger Jahren, das die Familie des Künst-
lers um einen runden Tisch bei Lampenbeleuchtung
 
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