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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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79

Vermischtes

80

der »Zeitschrift für bildende Kunst« und der »Kunst für
Alle« ausführlich die Rede war. Neben den zahlreichen
Zeichnungen, die Eindrücke einer Reise von Italien, Straßen
und Plätze von Berlin und Bilder vom Kriegsschauplatz
in Polen enthalten, sind über 80 Radierungen, d. h. unge-
fähr das gesamte graphische Werk des Künstlers vertreten.
Namentlich in den Radierungen spricht sich Meids Tem-
perament am freiesten und charakteristischsten aus. In den
Folgen zu «Othello«; und »Don Juan« hat er mit virtuoser
Meisterschaft in der Handhabung von Nadel und Grab-
stichel Blätter voll prickelndem Reiz uni phantastischer
Romantik geschaffen. — Die Kestner-Gesellschaft er-
öffnete am 8. November eine umfangreiche Ausstellung
des Münchner Künstlerpaares Carl Caspar und Maria
Caspar-Filser, die erste wirklich abgerundete und groß-
angelegte Veranstaltung, die der Kunst dieser starken, nach
neuen Zielen strebenden Menschen gilt. Vor den einzelne n
Werken Caspars, denen man häufig in den Ausstellungen
der neuen Sezessionen in München und Berlin begegnete,
fühlte man, daß hier eine der stärksten Begabungen der
jungen Generation um die Bewältigung großer Aufgaben
rang. Diese große Schau, die eine ganze Reihe der größten
Gemälde Caspars vereinigte, ist geradezu eine Offen-
barung. (Der Verfasser wird das Schaffen des Künstler-
paares demnächst eingehender behandeln.) Die wuch -
tige, dröhnende »Zerstörung Jerichos« (1912) der wunder-
bare visionäre »Johannes auf Patmos« (1912), die von
dunklem Leuchten erfüllte »Predigt Johannes des Täu-
fers«, die verschiedenen Fassungen des »Ölbergs«, die tief
empfundene große »Taufe Christi«, — das sind Werke,
mit intensivster Ausdruckswucht geladen und von einem
auf das Große und Ewige gerichteten Geiste gestaltet.
Hier ist ein Maler am Werk, der wieder wahrhaft monu-
mental zu formen vermag, der eine weite Fläche wirklich
freskal lösen könnte, ohne in leere Dekoration oder groß -
spuriges Pathos zu verfallen. Mögen immerhin die großen
Maler der Vergangenheit den Künstler angeregt und be-
geistert haben, es ist Wahlverwandtschaft, was ihn mit
Giotto oder Greco verbindet — die große Leistung wird
dadurch nicht beeinträchtigt, denn nicht Äußerlichkeiten
entscheiden, sondern der Ausdruck des Lebens. — Neben
den monumentalen Werken des Mannes vermag sich die
gesunde Kunst der Frau Caspar-Filser kraftvoll zu be-
haupten; ihre lebendigen, bald lodernden, bald still leuch-
tenden Gemälde haben etwas von der Wucht des van
Goghschen Pinsels, aber sie sind dabei sehr persönlich und
eigenwillig. In letzter Zeit liebt man es, bei beiden von
der außerordentlichen Fruchtbarkeit des Schaffens zu reden
— ein Nachlassen der künstlerischen Kraft ist dabei aber
nirgends zu spüren, im Gegenteil: Caspar »Kundschafter«
von 1919 gehen in der fast venezianischen Leuchtkraft der
Farbe über alle früheren Werke hinaus und die schöne
»Agave« derCasparFilser vonl916 isteinesderbesten moder-
nen Stilleben, die in den letzten Jahren gemalt wurden.

Um das Verständnis für die Werke des Münchner
Künstlerpaares und der neuen Kunst überhaupt in weiteren
Kreisen zu fördern und zu vertiefen, veranstaltete der
Unterzeichnete mehrere stark besuchte Führungen durch
die Ausstellung. />. e. Küppers.

VERMISCHTES
Alte und neue Grab- und Denkmalkunst behan-
delte ein Vortrag des Geheimrats Max Georg Zimmer-
mann im Architekten-Verein zu Berlin. Der Schmuck der

Gräber gehört zu den ältesten künstlerischen Betätigungen
der Menschheit; alle vergangenen Zeiten verwendeten dar-
auf ihre höchste Kuust. Demgegenüber ist es beschämend,
daß in der neueren Zeit, beginnend etwa mit dem Tode
Schinkels, der, wie man sich in der gegenwärtigen Aus-
stellung des Beuth-Schinkel-Museums in der Technischen
Hochschule in Charlottenburg überzeugen kann, noch in
umfassender Weise für das künstlerische Grabmal tätig war,
auch diejenigen, die über größere Mittel verfügen, den
Schmuck der Gräber in den weitaus meisten Fällen nicht
mehr dem Künstler, sondern der Industrie übertragen, die
ihre fabrikmäßig hergestellten Erzeugnisse in der Nähe der
Friedhöfe feilbietet. Sie merken gar nicht, welches Unrecht
sie dem Verstorbenen antun, indem sie durch die Auf-
stellung eines Massenartikels am Grabe seine Individuali-
tät auf dem Friedhof vernichten. Ein mit einfachen Mitteln
hergestelltes persönliches Grabmal würde in vielen Fällen
billiger sein als jene Dutzendware. Erzieherisch wirken
die von unseren Soldaten auf den Schlachtfeldern impro-
visierten Denkmäler, z. B. aus nach bestimmten Regeln auf-
geschichteten Steinen oder aus nur ungefüge zugehauenen
größeren Blöcken. Erfreulich ist es, daß unsere Künstler
unter dem Eindruck der ungeheuren Geschehnisse des Welt-
krieges Entwürfe zu Grab- und Denkmälern schaffen und
daß das Publikum sie lebhaft bespricht. Schinkels der-
artige Werke aus den Befreiungskriegen, die keineswegs
nachgeahmt werden sollen, deren hohe künstlerische
Wirkung jedoch vorbildlich sein soll, können anregend
wirken, die moderne Kunst in den Grenzen eines guten
Geschmacks zu halten. — Auch die Sitte, das Andenken
an große Kriegstaten durch Werke der Monumentalkunst
zu ehren, ist uralt. Freilich handelt es sich dabei meist
um die Verherrlichung der Herrscher, von den Phara-
onen, die ihre Kriege an den Wänden der Tempel und
Gräber darstellen ließen, und den römischen Kaisern, die
sich Trinmphbögen und -säulen errichteten, an. Seit der
italienischen Renaissance wird es üblich, dem Herrscher,
ob er Verdienste hatte oder nicht, Denkmäler zu errichten,
und durch das Beispiel Ludwigs XIV. von Frankreich fand
dieses weiteste Verbreitung. Auch beim Denkmal für
Friedrich den Großen handelte es sich um die Verherr-
lichung eines Fürsten, aber dieser war volkstümlich wie
keiner vor ihm, und zum erstenmal erscheint eine solche
Ehrung als die Angelegenheit eines ganzen Volkes. Die
Denkmäler für die Befreiungskriege sind die ersten, die
das Volk sich selber setzte. Eine Parallele dafür findet
sich in der griechischen Antike. In der »Bunten Halle«
am Markt zu Athen war die Schlacht bei Marathon auf
die Wand gemalt und die Thebaner errichteten am Grabe
ihrer bei Chaeroneia Gefallenen einen noch heute stehenden
Löwen. Die Befreiungskämpfe waren wie jene Kämpfe
der Griechen um ihre Freiheit wahrhafte Volkskriege, so
tauchte denn auch der Gedanke des Nationaldenkmals,
der uns jetzt so geläufig ist, wieder auf, und Schinkel gab
ihm wie die erwähnte Ausstellung, die wochentäglich, mit
Ausnahme von Sonnabend, 10 — 2, Sonntag 10 — 1 Uhr
frei zugänglich ist, zeigt, Gestalt in vielen schönen, unter
sich sehr verschiedenen Entwürfen, statt deren leider nur
das unbedeutende Denkmal auf dem Kreuzberg, gegen
dessen Form er sich selber gewehrt hatte, zur Ausführung
gekommen ist. Möge unsere Zeit zur Verherrlichung der
deutschen Ruhmestaten im Weltkrieg einen gleichen geni-
alen Künstler finden, und möge dessen Entwürfen ein
besseres Schicksal beschieden sein!

Inhalt: Zur Frage der Itatienreise des Matthias Grunewald. Von Oscar Hagen. (Mit zwei Abbildungen) — Ausstellungen in H annoirer. —>
Alte und neue Orabmal- und Denkmalkunst.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirsteim. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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