151
Literatur
152
schweig und Ooslar) und Thüringen (Haseloffschule) ver-
folgt werden muß. In den Rheinlanden finden wir nur
noch einige Denkmale der barocken Verwilderung, die
Kreuzigung in der Taufkapelle von S. Kunibert, die Apostel
auf den Schieferplatten in S. Ursula, die ausdrucksvolle
Deesis in Nideggen und kleinere Sachen. Die Herkunft
dieses Stils aus byzantinischen Quellen ist außer Frage.
Schwieriger ist es, die Mittel und Wege der Übertragung
zu bezeichnen. Die Einfuhr von Buchmalereien und Tafel-
bildern war nachweislich zu gering, um den allgemeinen
Umschwung zu erklären. So bleibt der vergleichende Blick
auf den italienischen Mosaiken haften. Die Mosaiken in
Venedig, Torcello, Messina, Cefalü (1148) und Palermo
waren Beispiele, welche die Wirkung im Großen zeigten.
Und der Zackenstiel ist in der Cappella Palatina und in
Monreale schon um 1150 völlig klar entwickelt. Daß die
Hohenstaufenherrschaft in Sizilien die Kunstverbindung
herstellte, wäre freilich noch zu beweisen.
In den einleitenden Kapiteln des allgemeinen Teils
bespricht Clemen zunächst die Technik, das dekorative
System und die Außenbemalung. Was die Technik an-
langt, so findet sich meist Kalkmalerei auf angefeuchtetem
Feinputz, die Umrisse in Gelb oder Rot mit dem Schlep-
pinsel umzogen und ausgefärbt. Daraus wächst von selbst
der zeichnerische Flächenstil. Im 13. Jahrhundert ist das
Verfahren, die harte Zeichnung und der strichelnde Farben-
auftrag nur aus der Nachahmung des Mosaiks zu erklären.
Die Dekoration und die Farbenstimmung wechseln in leiser
Schwankung bis Schwarzrheindorf. Die feinen Abstände
lassen sich in Kürze nicht beschreiben. Im 13. Jahrhundert
ist mit Bewußtsein für Farbenwerte das System ausgebildet
und zwar ein kaltes mit Weiß, Grau, Braunrot und Ocker-
gelb (in Bonn und Boppard) und ein warmes mit Weiß,
Grau und Braungelb (in Bacharach und Limburg). Neu
ist dann das architektonische Gerüst in der Taufkapelle
von S. Gereon, ähnlich in Gerresheim 1236, wo die Figuren
nicht erhalten sind. Von der Außenbemalung sind nur
geringe Reste von Anstrich, Friesen und Einfassungen er-
halten, doch auch einige Beispiele freudiger Buntheit, das
volle System in Bacharach, Arkaden mit Füllmustern an
der Klosterkirche in Sayn.
Am wichtigsten für die allgemeine Kunstgeschichte
sind aber die fünf Kapitel, worin Clemen die Frage »Orient
oder Rom« behandelt. Er bekennt sich gleich eingangs
als dankbaren Verehrer Courajods, der schon vor einem
Menschenalter den bestimmenden Einfluß des Morgen-
landes auf das ganze islamische und christliche Mittelalter
in seiner stürmischen Prophetenart verkündete. Aber wenn
nun Ainalow und besonders Strzygowski alles Heil und
Leben nur im Osten sehen, so muß doch auf Grund der
Tatsachen das Gleichgewicht »Orient und Rom« wieder
hergestellt werden. Jene These stützt sich vornehmlich
auf die sichtliche Wanderung der Kunstvorstellungen und
der Ziermittel, des Ornaments. Aber allen Einzelheiten
gegenüber muß man dem Abendland einen eignen Formen-
willen und ein eignes Raumgefühl zuerkennen. Alle bau-
lichen oder bildlichen Anregungen werden durch diese
Kräfte urngebildet und dem abendländischen Empfinden
angeglichen. Es muß betont werden, daß in karolingischer
Zeit die früheren kräftigen Kunstquellen, Alexandria, An-
tiochia, Jerusalem dem Christentum verloren waren, daß
mit Byzanz nur ein ganz dünner Zusammenhang bestand.
Im Frankenreich war das Griechische tot. Dagegen be-
stand mit Rom die Gemeinschaft der Sprache, des Glau-
bens, der Liturgie, des Bauhandwerks und die lebendige
Anschauung des römischen Kunsterbes in der Stadt und
in den Provinzen. Wir würden in dieser Frage viel deut-
licher sehen, wenn nicht das mittelalterliche Rom bis zur
Verödung ausgeleert und die berühmtesten merowingischen
und karolingischen Kunststätten fast spurlos verschwunden
wären. Das wenige, was wir noch besitzen, erhärtet die
dauernde Verbindung mit Rom. So ist beispielsweise in
den fränkischen Mosaiken, in der Toulouser Gruppe der
Sarkophage der östliche Einfluß offenbar, die Arleser Sarko-
phage sind jedoch von Rom abhängig. Das stärkste Be-
weismittel ist die ungemeine Vielfältigkeit merowingischer
Kirchengrundrisse, die nach den alten Beschreibungen zu
urteilen alle aus der reichsrömischen Kunst herauswuchsen.
In diesem Zusammenhang wird noch einmal die Streit-
frage über die Aachener Pfalzkapelle aufgenommen. Clemen
weist mit Nachdruck auf das Urbild aller zweigeschossigen
Zentralanlagen, das Pantheon in Rom hin. Es mag sein,
daß diese Form im Morgenland weiter ausgebildet und
dann in den Westen zurückgewandert ist, aber die Mög-
lichkeit muß offen gehalten werden, daß alle Verwandten,
S. Vitale in Ravenna, S. Lorenzo in Mailand, das Aachener
Münster und besonders die verschwundene Daurade bei
Toulouse, an dem römischen Stammbaum sitzen. Die viel-
berufenen Einzelheiten, die Bärin, die Artischocke, die
Elfenbeine Heinrichs II. beweisen gar nichts, da ihre Her-
kunft völlig unsicher ist. Der Gegenstand des Kuppel-
mosaiks, die 24 Ältesten, ist im Morgenland nicht nach-
weisbar und der Stil der Vorzeichnungen ist nicht byzan-
tinisch. Ein lehrreiches Gegenbeispiel zu Aachen ist
Germigny de Pres, 806 von Bischof Theodulf von Orleans
erbaut. Der Typ dieser Kreuzkirche ist östlich. Aber es
mag sein wie bei den Abkömmlingen des Pantheon, daß
er von Rom nach dem Morgenland gewandert und be-
reichert zurückgekehrt ist. Im Ornament der Zwerggalerie
findet sich zweimal der Lebensbaum, das eine Mal in Stuck
als (römische) Palme stilisiert, das andre Mal in Mosaik
als (orientalische) Urpflanze. Die Herkunft dieser Zier-
mittel aus Cordova ist ziemlich sicher, Bischof Theodulf
war Westgote. Dorthin ist Stuck wie Mosaik aus dem
Osten über den maurischen Verbindungsweg gewandert.
Das Kuppelmosaik (Engel mit der Bundeslade, in der
Vierung Cherubim) ist seiner Herkunft nach byzantinisch,
der Stil stimmt aber zu Aachen, zu S. Johann in Münster
und besonders zu den Paschalismosaiken in Rom (817—24),
in denen die Rückkehr zum altchristlichen Schema deutlich
ist. Wenn nun weiter in byzantinischen Vorhängen und
Teppichen, die als Geschenke und Handelsware reichlich
ins Abendland kamen, die wirksamste und brauchbarste
Vorbilderqueile für Wandmalereien zuzugeben ist, so muß
darin nach den Papstbüchern doch auch Rom unendlich
viel hervorgebracht haben. Man sieht daraus: der Mittel-
punkte und Kunstwege sind viele und die Bewegung läßt
sich nicht auf eine einzige Formel bringen. Wenn das
Byzantinische trotzdem auch für die fernen deutschen Völker
immer im Hintergrund steht, immer Vorstöße macht und
zuletzt im Zackenstil sogar das Abendland in breiter Zone
überflutet, so wirkt eben das Vorurteil, daß es die höhere,
vornehmere Kunst ist. Diese Erkenntnisse in der unend-
lich mühseligen Kleinarbeit vieler Jahre gewonnen und
sichergestellt zu haben, wird das bleibende Verdienst
unseres verehrten Forschers sein. Bergner.
Inhalt: Deutsche Kunst. Von Hans Tietze. — Schutz weltlicher Denkmäler in Preußen und Dänemark. Von Richard Haupt. — Zurückgezogene
Schenkung für das Wallraf-Richartz-Museum. — Ausstellung des Badischen Kunstvereins in Karlsruhe. — Curt Glaser, Zwei Jahrhunderte
deutscher Malerei. Paul Clemen, Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
Literatur
152
schweig und Ooslar) und Thüringen (Haseloffschule) ver-
folgt werden muß. In den Rheinlanden finden wir nur
noch einige Denkmale der barocken Verwilderung, die
Kreuzigung in der Taufkapelle von S. Kunibert, die Apostel
auf den Schieferplatten in S. Ursula, die ausdrucksvolle
Deesis in Nideggen und kleinere Sachen. Die Herkunft
dieses Stils aus byzantinischen Quellen ist außer Frage.
Schwieriger ist es, die Mittel und Wege der Übertragung
zu bezeichnen. Die Einfuhr von Buchmalereien und Tafel-
bildern war nachweislich zu gering, um den allgemeinen
Umschwung zu erklären. So bleibt der vergleichende Blick
auf den italienischen Mosaiken haften. Die Mosaiken in
Venedig, Torcello, Messina, Cefalü (1148) und Palermo
waren Beispiele, welche die Wirkung im Großen zeigten.
Und der Zackenstiel ist in der Cappella Palatina und in
Monreale schon um 1150 völlig klar entwickelt. Daß die
Hohenstaufenherrschaft in Sizilien die Kunstverbindung
herstellte, wäre freilich noch zu beweisen.
In den einleitenden Kapiteln des allgemeinen Teils
bespricht Clemen zunächst die Technik, das dekorative
System und die Außenbemalung. Was die Technik an-
langt, so findet sich meist Kalkmalerei auf angefeuchtetem
Feinputz, die Umrisse in Gelb oder Rot mit dem Schlep-
pinsel umzogen und ausgefärbt. Daraus wächst von selbst
der zeichnerische Flächenstil. Im 13. Jahrhundert ist das
Verfahren, die harte Zeichnung und der strichelnde Farben-
auftrag nur aus der Nachahmung des Mosaiks zu erklären.
Die Dekoration und die Farbenstimmung wechseln in leiser
Schwankung bis Schwarzrheindorf. Die feinen Abstände
lassen sich in Kürze nicht beschreiben. Im 13. Jahrhundert
ist mit Bewußtsein für Farbenwerte das System ausgebildet
und zwar ein kaltes mit Weiß, Grau, Braunrot und Ocker-
gelb (in Bonn und Boppard) und ein warmes mit Weiß,
Grau und Braungelb (in Bacharach und Limburg). Neu
ist dann das architektonische Gerüst in der Taufkapelle
von S. Gereon, ähnlich in Gerresheim 1236, wo die Figuren
nicht erhalten sind. Von der Außenbemalung sind nur
geringe Reste von Anstrich, Friesen und Einfassungen er-
halten, doch auch einige Beispiele freudiger Buntheit, das
volle System in Bacharach, Arkaden mit Füllmustern an
der Klosterkirche in Sayn.
Am wichtigsten für die allgemeine Kunstgeschichte
sind aber die fünf Kapitel, worin Clemen die Frage »Orient
oder Rom« behandelt. Er bekennt sich gleich eingangs
als dankbaren Verehrer Courajods, der schon vor einem
Menschenalter den bestimmenden Einfluß des Morgen-
landes auf das ganze islamische und christliche Mittelalter
in seiner stürmischen Prophetenart verkündete. Aber wenn
nun Ainalow und besonders Strzygowski alles Heil und
Leben nur im Osten sehen, so muß doch auf Grund der
Tatsachen das Gleichgewicht »Orient und Rom« wieder
hergestellt werden. Jene These stützt sich vornehmlich
auf die sichtliche Wanderung der Kunstvorstellungen und
der Ziermittel, des Ornaments. Aber allen Einzelheiten
gegenüber muß man dem Abendland einen eignen Formen-
willen und ein eignes Raumgefühl zuerkennen. Alle bau-
lichen oder bildlichen Anregungen werden durch diese
Kräfte urngebildet und dem abendländischen Empfinden
angeglichen. Es muß betont werden, daß in karolingischer
Zeit die früheren kräftigen Kunstquellen, Alexandria, An-
tiochia, Jerusalem dem Christentum verloren waren, daß
mit Byzanz nur ein ganz dünner Zusammenhang bestand.
Im Frankenreich war das Griechische tot. Dagegen be-
stand mit Rom die Gemeinschaft der Sprache, des Glau-
bens, der Liturgie, des Bauhandwerks und die lebendige
Anschauung des römischen Kunsterbes in der Stadt und
in den Provinzen. Wir würden in dieser Frage viel deut-
licher sehen, wenn nicht das mittelalterliche Rom bis zur
Verödung ausgeleert und die berühmtesten merowingischen
und karolingischen Kunststätten fast spurlos verschwunden
wären. Das wenige, was wir noch besitzen, erhärtet die
dauernde Verbindung mit Rom. So ist beispielsweise in
den fränkischen Mosaiken, in der Toulouser Gruppe der
Sarkophage der östliche Einfluß offenbar, die Arleser Sarko-
phage sind jedoch von Rom abhängig. Das stärkste Be-
weismittel ist die ungemeine Vielfältigkeit merowingischer
Kirchengrundrisse, die nach den alten Beschreibungen zu
urteilen alle aus der reichsrömischen Kunst herauswuchsen.
In diesem Zusammenhang wird noch einmal die Streit-
frage über die Aachener Pfalzkapelle aufgenommen. Clemen
weist mit Nachdruck auf das Urbild aller zweigeschossigen
Zentralanlagen, das Pantheon in Rom hin. Es mag sein,
daß diese Form im Morgenland weiter ausgebildet und
dann in den Westen zurückgewandert ist, aber die Mög-
lichkeit muß offen gehalten werden, daß alle Verwandten,
S. Vitale in Ravenna, S. Lorenzo in Mailand, das Aachener
Münster und besonders die verschwundene Daurade bei
Toulouse, an dem römischen Stammbaum sitzen. Die viel-
berufenen Einzelheiten, die Bärin, die Artischocke, die
Elfenbeine Heinrichs II. beweisen gar nichts, da ihre Her-
kunft völlig unsicher ist. Der Gegenstand des Kuppel-
mosaiks, die 24 Ältesten, ist im Morgenland nicht nach-
weisbar und der Stil der Vorzeichnungen ist nicht byzan-
tinisch. Ein lehrreiches Gegenbeispiel zu Aachen ist
Germigny de Pres, 806 von Bischof Theodulf von Orleans
erbaut. Der Typ dieser Kreuzkirche ist östlich. Aber es
mag sein wie bei den Abkömmlingen des Pantheon, daß
er von Rom nach dem Morgenland gewandert und be-
reichert zurückgekehrt ist. Im Ornament der Zwerggalerie
findet sich zweimal der Lebensbaum, das eine Mal in Stuck
als (römische) Palme stilisiert, das andre Mal in Mosaik
als (orientalische) Urpflanze. Die Herkunft dieser Zier-
mittel aus Cordova ist ziemlich sicher, Bischof Theodulf
war Westgote. Dorthin ist Stuck wie Mosaik aus dem
Osten über den maurischen Verbindungsweg gewandert.
Das Kuppelmosaik (Engel mit der Bundeslade, in der
Vierung Cherubim) ist seiner Herkunft nach byzantinisch,
der Stil stimmt aber zu Aachen, zu S. Johann in Münster
und besonders zu den Paschalismosaiken in Rom (817—24),
in denen die Rückkehr zum altchristlichen Schema deutlich
ist. Wenn nun weiter in byzantinischen Vorhängen und
Teppichen, die als Geschenke und Handelsware reichlich
ins Abendland kamen, die wirksamste und brauchbarste
Vorbilderqueile für Wandmalereien zuzugeben ist, so muß
darin nach den Papstbüchern doch auch Rom unendlich
viel hervorgebracht haben. Man sieht daraus: der Mittel-
punkte und Kunstwege sind viele und die Bewegung läßt
sich nicht auf eine einzige Formel bringen. Wenn das
Byzantinische trotzdem auch für die fernen deutschen Völker
immer im Hintergrund steht, immer Vorstöße macht und
zuletzt im Zackenstil sogar das Abendland in breiter Zone
überflutet, so wirkt eben das Vorurteil, daß es die höhere,
vornehmere Kunst ist. Diese Erkenntnisse in der unend-
lich mühseligen Kleinarbeit vieler Jahre gewonnen und
sichergestellt zu haben, wird das bleibende Verdienst
unseres verehrten Forschers sein. Bergner.
Inhalt: Deutsche Kunst. Von Hans Tietze. — Schutz weltlicher Denkmäler in Preußen und Dänemark. Von Richard Haupt. — Zurückgezogene
Schenkung für das Wallraf-Richartz-Museum. — Ausstellung des Badischen Kunstvereins in Karlsruhe. — Curt Glaser, Zwei Jahrhunderte
deutscher Malerei. Paul Clemen, Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig