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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Dresdner Brief, [2]
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Dresdner Brief

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in andern Bildern, z. B. in dem landschaftlich-architek-
tonischen Bilde Am Berge Gilead, wie Ludwig von
Hofmann auch einer neuesten Richtung der Malerei
einer expressionistischen Landschaftskunst mit den
Mitteln seiner Kunst mit Erfolg nachgeht. Der Reich-
tum seiner Erfahrungen und seiner Ausdrucksmittel,
sein innerstes Wesen wird ihn wohl behüten, sich
ganz und gar dieser Richtung hinzugeben, wie mancher
Freund der Hofmannschen Kunst auch hoffen mag, daß
er sich nicht ganz der Monumentalität des Schmalen
Ufers hingeben wird, denn daß sie auch einen Verlust
an reichem, quellendem Leben, an Frische und Fülle
des innern Erlebens bedeutet, lehrt ein Blick auf den
köstlichen Reichtum seiner früheren Schöpfungen.

Wir müssen uns mit diesem kurzen Hinweis auf
die reiche schöne Ausstellung in der Galerie Arnold
begnügen. Ein längerer illustrierter Aufsatz in der
Zeitschrift für bildende Kunst wird das Wesen der
Kunst Ludwig von Hofmanns erschöpfender behandeln
und wohl auch auf die köstlichen Pastellbilder, die
Zeichnungen, Holzschnitte und Lithographien, die für
den Wandel in Hofmanns Kunst nicht minder be-
zeichnend sind, näher eingehen.

Im Sächsischen Kunstverein sind wiederum
Bilder und Studien von Georg Lührig ausgestellt,
die Früchte eines zweiten Aufenthalts an den Kampf-
plätzen der Westfront. Noch wuchtiger, größer und
eindringlicher hat der Künstler seine neuen Eindrücke
zusammengefaßt: aus den Landschaften, den Figuren-
bildern und Bildnissen von deutschen Offizieren und
Soldaten, gefangenen Franzosen und Frauen spricht
der große Ernst der Ereignisse, die sich da draußen
abspielen. In der Herausarbeitung des inneren Ge-
halts, in der ausdrucksvollen Wiedergabe des Wesent-
lichen, des Bleibenden zeigt sich Lührig als echt
deutscher Künstler. Selbst durch die verhältnismäßig
kleinen Zeichnungen — meist nur Schwarzweißblätter,
einzelne durch Farbstiftstriche erhöht — geht ein Zug
des Monumentalen, der stilistischen Größe. Dabei
verlügt Lührig über eine große Mannigfaltigkeit der
Ausdrucks- und Darstellungsmittel, die er mit vollem
künstlerischen Verständnis den verschiedenen Gegen-
ständen anpaßt. Von Darstellungen des Kampfes selbst
hält er sich merkwürdigerweise noch fern. Starke
Proben seines Könnens, seines künstlerischen Fein-
gefühls, der Schärfe seiner Beobachtung aber sind
beispielsweise die Operation, das in einem zerschossenen
Gebäude liegende tote Pferd, die schlafenden, sich aus-
kleidenden, badenden, sich waschenden Soldaten; und
vielfältige Eindrücke vermitteln die stimmungsvollen
Bilder von Landschaften, von verlassenen Dörfern und
zerschossenen Häusern, weidenden und bewegten
Pferden, in deren schlagender Wiedergabe Lührig eine
besondere Kunst entfaltet.

Von den sonstigen Werken im Sächsischen Kunst-
verein sind besonders die ernsten, herben Landschaften
aus dem sächsischen Erzgebirge von Erich Buch-
wald-Zinnwald hervorzuheben. Die frischen Stadt-
bilder — besonders aus Erfurt — von Fritz Beckert,
die feintonigen Landschaften von Franz Kunz, die
symbolischen Figurengruppen von Artur Hennig, die

poetisch empfundenen Landschaften, Studien und Phan-
tasiestücke von dem Wiener Karl Sterrer verdienen
ebenfalls erwähnt zu werden. Von dem Bildhauer
Edmund Möller rühren einige ausdrucksvolle Bild-
nisköpfe und kräftig bewegte Figuren her.

Bei Emil Richter wird der schon anderweit ge-
zeigte Nachlaß des Münchner Malers Hans von
Bartels vorgeführt. Besondere Anerkennungen ver-
dienen die großen Aquarelle: wie bekannt, hat Bartels
die Wasserfarbenmalerei mit großem Geschick in ihren
Möglichkeiten und Wirkungen stark gesteigert, dieser
Technik eine ebenbürtige Stellung neben der Ölmalerei
erobert. Aber auch die Ölmalerei beherrschte er mit
großem Geschick. Ohne einer bestimmten Richtung
anzugehören, wußte er die modernen Errungenschaften
der Malerei doch zu seilen Zwecken wohl zu ver-
wenden. Katwyk, Dordrecht, Volendam und ähnliche
Orte in Holland, die felsige Südküste von England und
die Bretagne in Frankreich waren die Hauptfelder
seiner Studien, die sich auf das brandende Meer, auf
die malerische Landschaft, Genre- und Figurenmalerei
erstreckten. Dabei entwickelte er sich in der Richtung,
daß er von der reinen Landschaft ausgehend den
Menschen in der Natur immer stärker betonte und
schließlich zur Hauptsache machte. Brandung bei
Sonnenuntergang, ankommende Fischerboote, das Hofje
in Leiden, Katwyk bei Mondaufgang, die Segnung des
Meeres und Ablaß in der Bretagne dürften besonders
bezeichnende Beispiele seiner Kunst sein, in der
Gegenständliches, Stimmung und kraftvolle Farben-
schönheit geschmackvoll vereinigt sind.

Sehr bemerkenswert ist endlich die Ausstellung der
neuerworbenen Blätter im Kgl. Kupferstichkabi nett.
Hier hat Max Lehrs vor allem die Hauptwerke des
Norwegers Edvard Münch versammelt, an dreißig
seiner hervorragendsten Radierungen, Steindrucke und
Holzschnitte, die ein eindringliches Gesamtbild der
herben Kunst dieses ernsten, einsam stehenden Künstlers
gewähren. Das Sterbezimmer (Lithographie), das kranke
Mädchen, das Mädchen und der Tod, die beiden
Mädchen und das Gerippe (Radierungen) sind besonders
bezeichnende Beispiele von Münchs Kunst, die ihre
Vorbilder mit Vorliebe im tiefsten Ernst des Lebens
sucht und solche Szenen aufs knappeste zusammen-
gefaßt mit tief eindringlicher, ans Herz greifender Ge-
walt gestaltet. In merkwürdigem Gegensatz zu diesen
ergreifenden Schilderungen stehen die reizvollen Frauen-
bildnisse, das Geigenkonzert, die Lithographie Monna,
auch die Tierstudien. Den eigenartig nordischen
Zug zum Träumerischen, über die bloße Wirklichkeit
Hinausweisenden haben dann wieder Blätter, wie
der Mondschein, das Mädchen am Fenster, zwei
Menschen, u. a. Die Bildnisse endlich atmen den
Geist männlicher Kraft und eindringlichen Ernstes.
Die bedeutsame Sammlung dieser Munchschen Blätter,
denen sich einzelne von Lovis Corinth, Käthe Koll-
witz, Walter Klemm, Walter Conz, Wilhelm Altheim
Walter Wäntig u. a. anschließen, zeigt wieder, mit
welchem Ernst sich Max Lehrs bei der Bereicherung,
des Dresdner Kupferstichkabinetts auch der modernen
Kunst annimmt. m
 
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