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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Becker, F.: Die Greiner-Gedächtnisausstellung im Leipziger Kunstverein
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Wolff, Hans: Klinger-Ausstellung in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0113

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Klinger-Ausstellung in Dresden

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in der Rechten den Zeichenstift, in der Linken Palette
und Pinsel haltend. Das ist er selbst in seiner seh-
nigen Erscheinung, in seinem feurigen Temperament,
in seiner unbändigen Lust, zu zeichnen und zu malen.

Nach seiner Übersiedlung von München nach Rom,
wohin ihn die Ehrfurcht vor der Antike und die voll-
kommener entwickelten Modelle lockten, aber auch
vielleicht nicht am wenigsten der Drang, ohne die
geringsten Konzessionen ganz er selbst in seiner Kunst
zu bleiben, beginnt die lange Reihe seiner graphischen
Meisterwerke in Lithographie wie in Stich. Sie sind
in der Ausstellung vollständig in den erlesensten Ab-
drücken zumeist auch mit den Probedrucken und den
vorbereitenden Zeichnungen, die bei Greiner gewöhnlich
selbst wieder Kunstwerke sind, vorhanden. Bedeutende
Gruppen bilden darin die lithographierten Bildnisse
und Bildnisgruppen, die Exlibris, lithographierten und
gestochenen, die mit den Klingerschen den Höhepunkt
des modernen Luxus-Exlibris bezeichnen, die Folge
»Vom Weibe«, die Stiche Inferno, Ganymed, Hexen-
schule und Gäa, Wunderwerke zarter Technik und
schärfster Charakteristik. Ein hohes Maß von Grazie
entfaltet er in kleinen Vignetten und in zwei Widmungs-
blättern an Franz Langheinrich (Nr. 86 und 277).

Den graphischen Arbeiten reihen sich gegen 18oStu-
dien und Entwürfe in Blei, Feder, Farbstiften, Aquarell
und Öl an. Ich möchte nur auf sein Selbstbildnis
(Nr. 241), lebensgroßer Kopf in Rötel mit der Wid-
mung an M. Klinger, Rom, Dez. 1902 hinweisen.
Meisterwerke ihrer Art sind das Ehrendiplom für G.Hand-
werk (1894, Nr. 183) und die Glückwunschadresse
der Stadt Leipzig zum 80. Geburtstage des Fürsten Bis-
marck (1895, Nr. 207), beides prachtvolle Buntstift-
zeichnungen, durchgebildet und vielsagend.

In manchen Zeichnungen, besonders Akten auf
getöntem Papier, berührt er sich mit Klingers Akt-
zeichnungen, aber es ist doch mehr eine Ähnlichkeit
der Technik als eine Nachahmung, wie es manchen
auf den ersten Blick erschien. Auch an Feuerbach wird
man erinnert bei der Buntstiftzeichnung einer sitzenden
römischen Bäuerin (Nr. 221, Abb. im Kat.), aber auch
hier beruht die Verwandtschaft auf dem ähnlichen
Modell, der ähnlichen Technik und dem ähnlichen
intensiven Ernste der Auffassung. Ein rührendes Denk-
mal seiner Freundschaft für Max Klinger ist eine
wundervolle flotte, humoristische Federzeichnung
(Nr. 287) mit Klingers Bildnis, die er noch kurz vor
seinem Tode für des Freundes 60. Geburtstag ent-
worfen hat.

Auch sein Werk als Maler ist in der Ausstellung
in einer bisher nie möglich gewesenen Vollständigkeit
vereinigt. Es zeigt sich, daß er von seiner frühen
Jugend an allezeit, wie zur Erholung von graphischen
Arbeiten, zu Pinsel und Palette gegriffen und eine
Entwicklung von toniger, breiter Dunkelmalerei zu
heller Freilichtmalerei durchgemacht hat. Auch als
Maler gibt er stets Starkpersönliches und Packendes
im Bildnis und Bedeutendes im Großfigurenbild, aber
er will hier kein Bahnbrecherund Neuerer sein, sondern
ein Eigener auf bewährten Pfaden. Unter den tief
tonigen Gemälden der Jugendzeit fallen auf das große

Breitbild der fliehenden Faune aus seiner Münchener
Akademiezeit (1890) das lebensgroße Bildnis Artur
Haferkorns in nahezu Ganzfigur (1890) und das Doppel-
kinderbildnis (Abb. im Katalog). Dann eröffnet sein
großes Hauptwerk »Odysseus und die Sirenen« die
Reihe der Freilichtgemälde, unter denen namentlich
höchst eindrucksvolle Bildnisse, wie diejenigen seiner
Gattin, verschiedene Selbstbildnisse und das wunder-
bar fein charakterisierte Brustbild Franz Langheinrichs
hervorragen. Aber alles dies überstrahlt sein Entwurf
für eins der Wandgemälde im Lesesaal der Deutschen
Bücherei, ein Aufschwuug zu edelster, stimmungs-
voller Monumentalmalerei, die auszuführen zu seinem
und der deutschen Kunst Ruhme ihm das Geschick
versagte. Prächtige, packende Studien zu den Gruppen
dieses paradiesischen Landschafts- und Figurenbildes
zeugen von der Hingebung des Künstlers an diese
große, ihn ganz erfüllend Aufgabe.

Man darf wohl sagen, daß diese Gedächtnisaus-
stellung einen kerndeutschen Künstler in würdigster
Weise feiert, daß sie durch freudiges Zusammen-
wirken von lebhaften Verehrern des Künstlers wie
des Menschen zusammengebracht ist, und daß sie für
seinen Nachruhm wirken wird.

Ein zuverlässiger, illustrierter Katalog, mit Ein-
leitung von Direktor Julius Vogel, dem Veranstalter
der Ausstellung, bildet einen guten Führer nament-
lich mit der hier zum erstenmal, gebotenen chrono-
logischen Übersicht über das graphische Werk und
die übrigen Arbeiten. F. BECKER.

KLINGER-AUSSTELLUNG IN DRESDEN

Die unvergleichlichen Schätze an Klingers Werken
machen es dem Dresdener Kupferstichkabinett
nicht schwer, den sechzigsten Geburtstag des^Meisters
in würdigster Weise zu begehen. Die gesamten Aus-
stellungsräume sind mit auserlesenen Proben aus
seinem gedruckten und gezeichneten Lebenswerke ge-
füllt. Von dem ersten Druck seines ersten Radier-
versuches vom Jahre 1878 an bis zu seinem letzten
großen Opus, dem »Zelt«, läßt sich die ununter-
brochene Reihe seines einzigartigen graphischen Werkes
verfolgen. Es ist nicht unsere Absicht, in diesem
kurzen Hinweis auf Klingers Bedeutung und Eigen-
art als eines graphischen Meisters einzugehen, noch
die manchmal nur in zwei oder drei Exemplaren
vorhandenen Zustandsdrucke und Einzelblätter zu
würdigen. Vielmehr wollen wir ein paar Worte den
ausgestellten Zeichnungen widmen, die ja nicht wie
seine graphischen Blätter vor aller Welt Augen ge-
kommen sind.

Den Anfang machen drei Federzeichnungen vom
Jahre 1875, aus Klingers Karlsruher Akademiezeit.
Diese drei Blätter, »Paradies-Anfang und Ende« und
»Memento mori«, zeugen noch nicht von^ außerge-
wöhnlichem Talent, um so überraschender aber steht
schon nach zwei bis drei Jahren der Zwanzigjährige
als selbständige künstlerische^Persönlichkeit vor^uns.
Im Jahre 1877^; beginnt er die Federzeichnungen
»Vom Thema Christus«, er malt sein erstes, unge-
 
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