Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

DOI Artikel:
Huebner, Friedrich Markus: Belgisches Kunstleben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
295

Belgisches

Kunstleben

296

jederlei Berufsherkunft, welche die Bilder draußen in
den Kleinstädten mit gutern Nutzen weiter verhökern.
Selbstverständlich wird viel Geld umgesetzt mit Ver-
steigerungen altflämischer Kunst, Versteigerungen, die
der und jener Sammler aus Kriegsbedrängnis vor-
nehmen muß. Bei einer derselben ging, wie der
»Korrespondenz Belgien« zu entnehmen ist, ein kleines
Altärchen, das ohne jeden Grund Gerard David zu-
geschrieben war, für 4800 Fr. fort, vielleicht, weil es
gleich anderen Stücken einst zu der Sammlung Somzee
gehörte. Ein »Cranach« mit sichtlich falschem Mono-
gramm, eine von den zahlreichen Nachahmungen
späterer Zeit, Pyramus und Thisbe darstellend, brachte
2200 Fr., eines der vielen Werkstattbilder des jüngeren
Breugel, eine Versuchung des Antonius, 4200 Fr., eine
Mondlandschaft des Van der Neer 2400 Fr., ein durch-
schnittliches Bildnis von Nicolaus Neufchatel 6800 Fr.,
ein kleiner Poelenburg, Auffindung des Moses, 2600 Fr.,
eine Versuchung des Antonius von Teniers, die von
einem Kenner als Brüsseler Fälschung bezeichnet wurde,
4000 Fr. Zu den guten Stücken zählte das Bildnis
einer Frau aus der niederrheinischen Schule des
10. Jahrhunderts, das mit 4200 Fr. bezahlt wurde,
und vor allem eine prachtvolle Anbetung der Hirten
von Benjamin Cuyp, in silbrigen Tönen, vom Geiste
Rembrandts bewegt und vortrefflich erhalten; Erlös
4200 Fr. Selbst das Hauptstück, eine »Anbetung der
Könige«, die unter dem Namen Scorel ging und
16500 Fr. erzielte, war von geringem Interesse.
Von modernen belgischen Meistern erzielte auf der-
artigen Auktionen F. Courtens »Sousbois avec moutons«
5000 Fr., A. Stevens »Femme au repos« 1100 Fr.,
H. De Brackeleer »Cour de Cite 4100 Fr. und »Vieille
Cour« 1500 Fr., A. J. Heymans »Labourage en Campine«
3100 Fr., Jan Stobbaerts »Vaches en prairie« 3000 Fr.
und »Chataux anguilles« 3700 Fr., Js. Verheyden
»Flaneuses« 1000 Fr., V. Gilsoul »Gare« 1700 Fr.

In dem oben erwähnten Studiosaal, dessen Besitzer
sich auch dadurch auszeichnet, daß er nicht die Aus-
gabe für künstlerische Maueranschläge scheut und nie
um ein zugkräftiges Schlagwort verlegen ist, gab es
im Jahre 1916 einen umfangreichen »Herbstsalon«
und einige Zeit darauf eine »Nationalausstellung
belgischer Maler, Zeichner und Bildhauer«. Die letzte
brachte ausschließlich Werke von Belgiern, die sich
an der Front oder in Gefangenenlagern befinden; sie
stand unter dem Protektorate des Generaldirektors der
schönen Künste. Da Bilder mit kriegerischen Sujets
auszustellen untersagt ist, übrigens die »Nationalaus-
stellung« auch gar nicht Werke aus der jüngsten Zeit
der betreffenden Künstler, sondern solche von vor
dem Kriege zeigte, wog Landschaftsmalerei (Gilsoul,
Bastien, Crespin) vor. Als einzig aktueller Kriegs-
maler figurierte Grislain, der eine Reihe stofflich harm-
loser Bleistiftskizzen aus dem Lager Göttingen nach
Brüssel gesandt hatte. Im übrigen waren der unlängst
in Holland verstorbene Rick Wouters, sowie Maertens,
Houben, Marcel Wolfers u. a. mit Werken vertreten.

Ist im Studiosaale die stärkste Unternehmungslust
am Werke, so muß man, was Geschmack und Urteils-
vermögen anbelangt, an die Spitze der Brüsseler Saal-

inhaber den Architekten Sneyers stellen, einen viel-
gereisten, auch in Deutschland bekannten Mann, der
für die deutschen Fortschritte auf dem Gebiete des
Ausstellungswesens, der Innendekoration, der Klein-
kunst ein offenes Verständnis hat wie wenige Belgier.
Dieser oft von der belgischen Regierung als Kom-
missar zu internationalen Ausstellungen abgesandte
Mann hat in der Naamschen Straat mit dem Beginn
des Jahres 1917 einen kleinen Ausstellungsraum (ä
PInterieur) eröffnet, wo vor allem die gewählten und
abseitigen, in der Öffentlichkeit weniger gehätschelten
belgischen Malerpersönlichkeiten gepflegt werden. So
gab es hier eine Auslese von Skizzen, Bleistift-
studien und Ätzungen des Löwener Meisters Alfred
Delaunois, meistens dem Dunstkreis der Löwener
Kathedrale entnommene Impressionen von Betern,
Mönchen, Beguinen, Kirchendurchblicken, die eine
große Sauberkeit, ja Kühle des Striches paaren mit
viel mystisch-katholischer Schauandacht. Augenblick-
lich werden Bleistiftporträts des dem Hildebrandkreise
entstammenden Baltus gezeigt, die durch ihre ernste,
ein wenig akademische Linienführung sonderbar her-
ausfallen aus der sonstigen in impressionistischem
Schmiß sich bewegenden belgischen Malerei.

Ähnlich begrüßenswert ist ein kleines Unternehmen
auf der Coudenbergstraße, La Boutique genannt.
Auch hier haben deutsche Anregungen Pate gestanden,
sofern dieser Salon nichts Geringeres anstrebt, als das
verteuernde Zwischenglied des Kunsthändlers überhaupt
auszuschalten und den Käufer unmittelbar mit den
Künstlern in Verbindung zu bringen. In Deutschland
sind diese Versuche alt, für Brüssel bilden sie ein
Novum, folglich ist dem Unternehmen erst ein ge-
ringer Erfolg beschieden gewesen. Man stellt hier
auch Töpfe, Krüge, Buchdeckel, Kissen und sonstige
kunstgewerbliche Arbeiten aus, kurzum man möchte nach
seinen Kräften unter den Leuten bis in das Brüsseler
Heim hinein — wo der Hausgreuel in strotzender
Blüte steht — ein wenig kunsterzieherisch wirken.

Die übrigen Salons (Giroux, Galerie d'Art, Salle
Aeolian, Oeuvre Nouvelle usw.) feiern die Feste wie
sie fallen: Heute zeigt man krassen Kitsch, morgen
ein wenig gefälligen Durchschnitt, selten einmal Vor-
zügliches. Zu loben ist der improvisierte Salon: Nos
Peintres (Koningstraat), dessen Besitzer verrät, daß
er lange in Paris ansässig war; er läßt nur gelten,
was leicht, luftig, verfeinert, elegant ist, so daß in den
hier veranstalteten Ausstellungen die typische belgische
Malkunst gänzlich zurücktritt. Immer wieder kehren
weiche, flüchtig mit Farbe übertupfte Radierungen
von Oswald Porceau wieder, üppige Landschafts-
aquarelle von Logelain, in schattenlose, aufzehrende
Lichtfülle gestellte Vorstadtansichten von Rob. Houpels,
flink und nervös hingeworfene Aktstellungen eines
jungen Dubois.

Ein voller Schlager war die Gemäldeausstellung
des Malers Ramah (Giroux-Saal), des achtundzwanzig-
jährigen, ungemein eifrigen Selfmademan, der in
Deutschland durch Radierungen bekannt ist, die er
für die Verhaerenausgaben des Inselverlages lieferte.
 
Annotationen