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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Bode, Wilhelm von: Sollen die deutschen Kunsthistoriker sich zu einer Fachgenossenschaft zusammenschließen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0180

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Sollen die deutschen Kunsthistoriker sich zu einer Fachgenossenschaft zusammenschließen?

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Takt erfordert, ist aus der Geschichte ähnlicher Fach-
vereine zur Genüge bekannt, die aber zugleich beweist,
daß diese Schwierigkeiten vornehmlich in den Anfängen
liegen und regelmäßig gut überwunden werden. Zu-
dem kommen uns dabei die Erfahrungen jenes in
seiner Wirksamkeit vorzüglich bewährten Vereins für
die Abwehr von Fälschungen sehr zustatten.

Es ist zum Glück nicht nur die Notwendigkeit
einer Art Ehrenrats, die zum Zusammenschluß in einem
Fachverband drängt, wenn sie auch augenblicklich
diese gerade durch eine Reihe schreiender Verfeh-
lungen besonders nahe legt; es sind mannigfache und
wichtige Fragen persönlicher wie sachlicher Art, die
alle Fachgenossen interessieren und die nur bei ge-
meinsamem Zusammenschluß genügend besprochen
und befriedigend entschieden werden können. Es fehlt
zunächst ein ausreichender Schutz gegen solche Aus-
artungen, welche die Achtung vor den Vertretern unseres
Faches und ihre soziale Stellung zu gefährden imstande
sind. Freilich hat der Dozent in der Fakultät, der
staatliche Kunstbeamte in seinem vorgesetzten Mini-
sterium eine gewisse Kontrolle; aber schon für die
Beamten an städtischen oder Stiftungssammlungen ist
diese wesentlich geringer, und für die zahlreichen
Kunsthistoriker ohne feste Stellung existiert eine solche
Kontrolle überhaupt nicht. Wenn der Museumsbeamte
sich am Kunsthandel beteiligt, Prozente vom Verkäufer
nimmt oder bei Vermittlungen gar vom Käufer und
Verkäufer sich honorieren läßt, so kann gegen ihn
disziplinarisch von seinen Vorgesetzten eingeschritten
werden; aber Fragen wie die, ob der Beamte für sich
sammeln dürfe und wie weit dies angängig ist, ohne
seine dienstlichen Aufgaben zu schädigen, ob er gegen
Honorar Gutachten abgeben darf u. a. m., werden durch
Disziplinargesetze kaum berührt. Die Gesamtheit
unserer Kollegen, wenn sie einen solchen engen Zu-
sammenschluß gefunden hat, wird sich unschwer dar-
über einig werden.

Jede pekuniäre'Beteiligung am Kunsthandel wird
von solchem Fachverband zweifellos verurteilt werden;
man wird Kollegen, denen dies nachzuweisen ist, in den
wissenschaftlichen Fachverband nicht aufnehmen oder
sie daraus ausschließen. Soll man aber ebenso streng
sein gegen Fachgenossen, die sich Gutachten über
Kunstwerke bezahlen lassen? Man weist darauf hin,
daß jeder Arzt, Rechtsanwalt u. s. f., auch wenn er
zugleich Beamter ist, für seine Untersuchung, für
Konsultationen und Gutachten, gleichgültig ob sie
richtig sind oder nicht, ganz selbstverständlich sein
Honorar und oft ein sehr hohes fordert und erhält:
warum sollte also ein Kunsthistoriker, von dessen
Entscheidung es gelegentlich abhängt, ob ein Bild
500000 Mark oder nur 500 Mark wert ist, ein solches
Gutachten, wenn er darum ersucht wird, ganz ohne
Entgelt abgeben? Um so mehr, als der Kunsthistoriker,
namentlich der Museumsbeamte, an den man sich mit
solchen Fragen am liebsten wendet, in der Regel auf
ein recht spärliches Gehalt angewiesen ist. Gewiß
wird man einem unabhängigen Kunsthistoriker nicht
verwehren können, solche Expertisen gegen Entgelt
zu machen, aber ob man dies bei näherer Prüfung

dem Kunstbeamten gestatten darf, möchte ich bezweifeln.
Die Praxis in den verschiedenen Ländern gibt den
besten Anhalt zur Entscheidung dieser Frage. Den
Staatsbeamten ist es fast überall ausdrücklich verboten.
Wo es besondere »Experts« gibt, wie in England, läßt
man sie bei Besetzung eines wichtigen Museumsamtes
fast immer beiseite, auch wenn sie als hervorragende
Kenner anerkannt sind. Dasselbe ist der Fall in dem
sonst in Geldsachen wahrscheinlich nicht sehr prüden
Amerika. Die Frage, wie man die Gutachten hono-
rieren lassen soll, ist kaum befriedigend zu lösen und
macht die Ausbeutung des Konsultierenden gar zu
verführerisch. Nimmt man einen einheitlichen Satz
von, sagen wir 100 Mark, so ist es zweifellos hart,
einem armen Teufel für ein Bild, das nur 10 Mark
wert ist, 100 Mark als Expertise abzuverlangen; aber
ebenso hart ist es für den Experten, für ein Werk,
das er eine Million schätzen muß, gleichfalls nur
100 Mark zu erhalten. Nimmt der Experte dagegen
Prozente, so liegt die Verführung nahe, sehr hohe
Schätzungen zu machen und dadurch hohe Honorare
zu erlangen, abgesehen davon, daß der Gutachter nicht
so leicht der günstigen Gelegenheit, ein gutes Stück
billig für sich zu kaufen, widerstehen wird. Das
richtigste scheint mir die Regelung in Frankreich zu
treffen, wo man die unter staatlicher Aufsicht stehen-
den Experts an den Kunstauktionshäusern zugleich als
verantwortliche Gutachter für das Publikum bestellt.
Diese der Zahl nach sehr beschränkten und daher sehr
einträglichen Posten sind zwar sehr gesucht, aber ihre
Inhaber werden doch sozial nicht den Kunstforschern,
sondern den Kunsthändlern gleichgeachtet. Auch bei
uns und in andern Ländern, in denen unabhängige
Kunsthistoriker ausnahmsweise sich mit der Expertise
befassen, ist — wie allen Kollegen bekannt ist — das
gleiche der Fall. Um die Ungerechtigkeit, daß das
Gutachten eines als Kenner besonders geschätzten
Kunstforschers nur als Gefälligkeit ganz ohne Entgelt
abgegeben wird, obgleich es dem darum Bittenden
Tausende und unter Umständen Hunderttausende ein-
bringen kann, etwas auszugleichen, hat sich bei uns
deutschen Museumsbeamten die Sitte eingebürgert,
daß wir mit solchem Rat nur Mitgliedern unserer
Museumsvereine behilflich sind, oder solchen, die sich
den uns unterstellten Sammlungen dafür erkenntlich
erweisen. Ein Dozent der Universität könnte im
gleichen Fall eine Beihilfe für seinen Apparat, für eine
wissenschaftliche Publikation oder dergl. in Anspruch
nehmen; und wenn wir uns als Fachverband zusammen-
schließen, könnten solche Expertisen gelegentlich auch
diesem zugute kommen.

Eine Frage, zu der der Verein prinzipiell und von
Fall zu Fall Stellung nehmen könnte, ist auch die
Beteiligung der Fachgenossen an der Tagespresse, die
Stellung der regelmäßigen Kunstreferenten der Zeitungen
zum Verein u. a. m.

Daß ein solcher Verband in wissenschaftlicher
Richtung vielfach nützlich sein würde, brauche ich
kaum auszuführen. So könnte er die Aufgaben, die
sich der oben erwähnte internationale Verein derMu-
seumsdirektoren gesteckt hatte, in nationalerBeschränkung
 
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