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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Cohen, Walter: Die grosse Berliner Kunstausstellung 1917 im Kunstpalast zu Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0219

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 38. 29. Juni 1917

Die Kunsicltronik und der Kunstmarkt erscheinen am t-reitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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Die nächste Nummer der »Kunstchronik« (Nr. 39) erscheint Mitte Juli

DIE GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG
1917 IM KUNSTPALAST ZU DÜSSELDORF

Die Vorgeschichte dieser Ausstellung ist bekannt.
Da das Ausstellungsgebäude am Lehrter Bahnhofe in
Berlin durch militärische Zwecke in Anspruch ge-
nommen ist, kam man auf den Gedanken, die Jahres-
ausstellung nach Düsseldorf zu verlegen, wo es ge-
lungen war, den am Rhein gelegenen Kunstpalast, den
die Leser dieser Zeitschrift vorzugsweise von den
großen kunsthistorischen Ausstellungen der Jahre ig02
und 1904 kennen, seinem ursprünglichen Zwecke wieder
nutzbar zu machen. In dem knappen Zeitraum von
sechs Wochen wurden alle Vorbereitungen getroffen,
die dem großen Unternehmen das äußere Gelingen
sichern konnten. Nun, da nach der feierlichen Er-
öffnung am 16. Juni die Summe aller Anstrengungen
gezogen werden kann, muß das Ergebnis als recht
befriedigend bezeichnet werden. Der durch den Krieg
veranlaßte Rohstoffmangel wirkte insofern ein, als
vielen Sälen und Kabinetten die notwendige Abbiendung
des Oberlichtes durch Leinwand mangelt; dafür ist aber
die Anordnung so geschickt, das Hängen der Bilder in
den meisten Fällen so geschmackvoll, daß die Wirkung
der Kunstwerke, auch der plastischen, nicht derartig
beeinträchtigt wird, wie zuvor gefürchtet werden mußte.

Ein Novum bietet die Ausstellung insofern, als
zum ersten Male die beiden Sezessionen gemeinsam mit
den übrigen Berliner Künstlern ausstellen. Sie haben
besondere Räume zur Verfügung und besondere Jury.
Im Zeichen des Burgfriedens ist diese Kunstpolitik
zu begrüßen; noch mehr würde sie es sein, wenn die
Vertretung der »Freien Sezession« eine umfassendere
wäre. Künstler wie Slevogt, Kolbe, Barlach und den
in seinen letzten Landschaften so jugendfrischen Hans
Thoma vermißt man ungern genug. Freilich darf nicht
übersehen werden, daß die Transportnot gerade einer
würdigen Vertretung der Plastik im Wege stand.

I. Die Düsseldorfer Abteilung

Sie bietet sich ganz anders dar als ihre Vorgänge-
rin von 1913 und von früheren Jahren. Es ist ein
unbestreitbares Verdienst des Akademiedirektors Pro-
fessors Fritz Roeber, daß er mit einer der Kühnheit
nicht entbehrenden Geste die überzahlreichen Gruppen
und Grüppchen der Düsseldorfer Künstlerschaft, die
bisher geschlossen, unter eigener Jury ausstellten und
oft unerträglich viel Ballast mit sich führten, ignorierte
und eine so starke Vertretung einzelner bedeutender
Künstlerpersönlichkeiten durchsetzte, wie sie am Rhein
kaum zuvor erlebt wurde. Diese Ausstellung hat fast

einen retrospektiven Charakter. Indem man die Parole
ausgab, daß es nicht auf das Neueste, Allerneueste
ankäme, legte man es den einer solchen Kollektivaus-
stellung Gewürdigten nahe, zu älteren Werken, vorzugs-
weise solchen aus privatem und öffentlichem Besitze,
zurückzugreifen. Es fehlen fast durchweg die für
Kunstausstellungen gemalten »großen Maschinen«, die
Schrecken kritischerer Ausstellungsbesucher. Das
Kabinettbild, in dem die Düsseldorfer, mit sehr wenigen
Ausnahmen, stets das Beste geleistet haben, herrscht vor.

Freilich bietet diese Individualisierung einer Aus-
stellung, die für Nachfolgerinnen als vorbildlich gelten
könnte, einige Gefahren, die nicht verschwiegen wer-
den sollen. Zum ersten wird die Auswahl derjenigen,
denen besondere Säle oder auch nur Wände zur Ver-
fügung gestellt werden, stets eine mehr oder weniger
subjektive bleiben. In Düsseldorf sind beispielsweise
die Lehrkräfte der Kunstakademie in höherem Grade
begünstigt worden, als die unabhängigen Künstler.
Da sich aber einige ausgezeichnete Maler darunter
befinden, denen es zum Teil noch nie vergönnt war,
einen geschlossenen Überblick über ihr Schaffen zu
geben, ist der Schaden nicht eben groß. Wesent-
licher erscheint mir das Zurückdrängen der Unbe-
kannten, derjenigen, die sich den Weg erst bahnen
müssen. Sie treten in Düsseldorf, das die Hälfte der
Ausstellungsräume an die Berliner abgeben mußte
und daher an Raumnot litt, naturgemäß hinter den-
jenigen zurück, die mit zehn bis vierzig Werken ver-
treten sind. Schon vor dem Kriege konnte das Fehlen
eines frischen jüngeren Nachwuchses, die Düsseldorf-
Flucht so tüchtiger Kräfte wie Werner Heusers, Carl
Sohns oder Heinrich Nauens, Bedenken erregen. Ein
Rundgang durch die Ausstellung von 1917, der ein
Fahnden nach »dem jungen Rheinland« zum Zwecke
hat, ist beinahe entmutigend. Der Umstand, daß so-
viele der jüngeren Künstler unter den Fahnen stehen
und oft schwer erreichbar sind, hat offenbar ihrer
Vertretung im Wege gestanden.

Es gibt also in dieser Abteilung der Großen Kunst-
ausstellung wenig Sturm und Drang, dafür aber eine
reife Abgeklärtheit und vor allem den sicheren Ge-
schmack, der immer das Kennzeichen der älteren
Düsseldorfer war, seitdem sie das Literatur gewordene
Anekdotenbild zu ihrem Glücke einigen Abseitigen
überlassen haben. Die hohe Qualität vieler Düssel-
dorfer Einsendungen wird manche überraschen, am
meisten die Besucher aus Berlin, die früher alljährlich
am Lehrter Bahnhof ihre Glossen über die »Düssel-
dorfer Abteilung« machten. Es darf heute gesagt
werden, daß diese Vertretung Jahr für Jahr ein Skandal
 
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