Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

DOI Artikel:
Sommerausstellung der "Münchener Neuen Sezession"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0221

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
421

Sommerausstellung der »Münchener Neuen Sezession«

422

hannes auf Patmos« etwas von dem Geist der düre-
rischen Apokalypse und ist in seiner starken farbigen
Ausdruckskraft die beste Lösung des von Caspar schon
wiederholt gemalten Vorwurfs. Weniger erfreulich
sind die Malereien von Schinnerer. So tüchtig er
sich auch diesmal wieder als Graphiker erweist, so
haftet seiner Malerei immer noch etwas Zähes, Un-
fertiges, Unausgeglichenes, nicht recht Bildmäßiges an.

Oskar Coester, dessen Bilder im vergangenen
Jahr mit zu den besten und interessantesten der Aus-
stellung gehörten, zeigt diesmal drei untereinander
recht verschiedene Arbeiten, von denen keine ganz
ausgereift erscheint. Immerhin lassen sie den höchst
persönlichen Stil des feinfühligen Koloristen und visio-
när schauenden Landschafters gut erkennen. Die beiden
ausgestellten Landschaften zeigen stellenweise eine
kleine Neigung zur Süßlichkeit. Wird der Künstler
diese überwinden und bei größerer Gereiftheit auch
jeder Schummrigkeit entgehen, so darf man vielleicht
hoffen, in ihm einen neuen lyrisch gestimmten Herkules
Seghers begrüßen zu dürfen. Das Bild »Abrahams
Schoß« scheint zu Tode gemalt, dabei doch zu
weich, ohne wirklich visionäre Kraft. In gewissem
Sinne scheinen diesmal die Bilder J. W. Schüleins
und noch mehr die Bleekers unter einem gewissen
Einfluß der Coesterschen Malerei zu stehen. Stört schon
bei Schülein, der auch die Kunst Kokoschkas zu sehrauf
sich hat wirken lassen, zuweilen eine Art Malerei, die
visionär wirken soll, jedoch mehr eine äußerliche, ge-
schmäcklerische Schummrigkeit verrät, so ist dies bei
den beiden Bildern Bleekers in stärkster Weise der
Fall. In diesen süßlichen Apercus vermag ich keine
dieses Künstlers würdige Gestaltung zu erblicken und
halte mich lieber an seine Plastiken, namentlich an
die männliche Büste, die an Reife des Stils und Ver-
geistigung des Ausdrucks die im vorigen Jahr ge-
zeigten Arbeiten erheblich hinter sich zurückläßt. Fein-
schmeckerisch delikat wie immer sind die Bildfragmente,
die Großmann ausgestellt hat. Es ist bedauerlich,
daß der Künstler so selten zu einem wirklich in sich
abgeschlossenen Bild kommt. Das Stückchen »Auf der
Terrasse« ist wohl das gelungenste und besitzt etwas
von der Köstlichkeit eines Pfirsichs. Im Gegensatz
zu Großmann geht Pellegrini in erster Linie auf
die große Bildkomposition aus. In seinem Maiglöckchen-
Stilleben sucht er jedoch diesmal zu beweisen, daß
er über der linearen Komposition auch nicht die kolo-
ristische Feinheit vergißt. Es steckt in diesem Still-
leben soviel künstlerisches Erlebnis, daß man fast ver-
sucht ist, einen Vergleich mit den berühmten kleinen
Stücken Manets zu ziehen. Diegroße »Begegnung« wirkt
wie ein ungemein zarter Gobelin, scheint aber doch
trotz der Größe des Wurfes und einzelner Schönheiten
noch nicht in allen Teilen gelöst. Dagegen ist der
»Hiob« eine außerordentlich gelungene Schöpfung,
die zu den besten der ganzen Ausstellung gehört.
Der eigentümliche Rhythmus der Bewegung, die tiefe
Innerlichkeit, die aus der Begegnung von Mensch und
Tier spricht, lassen im Verein mit der ganz persön-
lichen Farbengebung das Bild als eines der besten
und charakteristischsten Stücke erscheinen, die dem

Künstler bisher gelungen sind. Gleichbedeutend, wenn
nicht noch höherstehend, ist der »Reiter am Quell«
von Edwin Scharff. Diese Vision im lichten Blau
wirkt wie eine verklärte expressionistische Ballade.
Das Musikalische, das sich schon in den Arbeiten
Pellegrinis verrät, erhält hier in dem Rhythmus der
Linien eine noch gesteigerte Bedeutung. Das große
»Liebespaar« von Scharff wirkt dagegen noch ziem-
lich problematisch. Weitaus das Beste hat Scharff
in seiner weiblichen Bronzebüste gegeben, das mit
Abstand das hervorragendste Stück der ganzen Aus-
stellung ist. Hier darf man wirklich von einer Neu-
belebung jenes Geistes sprechen, der in der ägyp-
tischen Plastik wohnt und dessen Verehrung bisher
nur archaistische Schöpfungen oder Karikaturen zu-
stande gebracht hat. Es ist ein ganz persönlicher
Stil, der sich in Verehrung, aber nicht Nachahmung
jener alten Kunst bei Scharff gebildet hat, lebendig
und zügig, von einer ganz eigenen Kantigkeit und
Flächenstellung. Die Aquarelle von Paul Klee haben
noch weniger als früher mit ihrem expressionistisch
kunstgewerblichen Charakter etwas mit großer Kunst
zu tun. Kanold wirkt melancholisch steril wie immer
und Seewald lustig und harmlos in seiner nett illu-
strativen Art. Mit den Soldatenbildern von Max Unold
vermag ich mich noch weniger zu befreunden, als
im vorigen Jahr. Diese Art von gesuchter Verein-
fachung nach einem Ideal, das der Kunst des Kindes
entspricht, hat mit wirklich künstlerischer Stilisierung
nichts zu tun. Walter Teutsch erscheint auf der
Ausstellung lange nicht so glücklich, wie auf der auch
hier besprochenen, unlängst bei Thannhauser veran-
stalteten Gesamtschau seines Schaffens. Das »Wald-
innere« ist gewiß sehr zart und zeigt ganz die koloristisch
lyrischen Schönheiten seiner Landschaftskunst. Dagegen
ist die große Landschaft mit der Linde recht unaus-
geglichen, stilistisch unrein und in dem jetzigen Zu-
stand nicht sehr erfreulich.

Den schon im ersten Kriegsjahr gefallenen frischen
Vorkämpfer des Expressionismus August Macke hat
die neue Sezession durch eine Ausstellung von sechs
Arbeiten geehrt. Die starke Buntheit dieser kleinen
Stücke bildet einen interessanten und lehrreichen Kon-
trast zu der neuen Tonigkeit der jüngsten hier aus-
gestellten Arbeiten. Die Mackeschen Bilder sind unter-
einander recht verschieden. Am gelungensten scheint
mir der »Sonnige Weg«, wo über alles Spielerische
und Geistreiche hinaus eine wirklich ausdrucksmäßige,
bildhafte Vertiefung des Vorwurfs erzielt ist.

Die Arbeiten, die man von den auswärtigen Mit-
gliedern sieht, bieten keine besonderen Überraschungen.
Der Aachener Karl Hart ig scheint auf den Wegen
Caspars wandeln zu wollen. Heckendorfs »Bul-
garisches Lager« dünkt im Format etwas vergriffen
und in gewisser Hinsicht zu illustrativ. Die Akte des
Hamburgers Nölken wirken vielleicht jetzt etwas leben-
diger als früher, aber noch immer nicht sehr sympa-
thisch. Als eine neue Persönlichkeit stellt sich der
Hamburger Friedrich Ahlers-Hestermann mit zwei
Landschaften ein, die offenkundig von Derain beein-
flußt sind, aber viel flacher und süßlicher wirken
 
Annotationen