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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Tietze, Hans: Die Literatur über die jüngste Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0233

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Archäologie in Griechenland in den letzten Jahren

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fragmente und Kleinfunde.; Besonders erfreulich wirkt jetzt
die Neuordnung der Skulpturen, deren beste Stücke "im
nordwestlichen Ecksaal weiträumig und gut beleuchtet auf-
gestellt wurden und zum Teil erst jetzt recht zur Geltung
kommen. Auch die Architekturglieder, die teilweise im
Hofe verwahrlost in Haufen herumlagen, haben durch die
Neuordnung gewonnen.

Wir wollen nun die bedeutsameJTätigkeit der Griechen
in ihrem schwer heimgesuchten Heimatlande verlassen und
zunächst die Tätigkeit unserer Feinde im Heimatgebiet der
griechischen Archäologie betrachten. Höchst erfolgreich
waren die Arbeiten der amerikanischen Schule in Korinth
bei dem Peribolos des Apollon in unmittelbarer Nähe der
Quelle Peirene. Die Stätte ist seit dem Altertum ununter-
brochen bewohnt gewesen. Für die Byzantiner, Franken,
Venezianer, Türken und Neugriechen ist das Apollonheilig-
tum ein bequemer Steinbruch gewesen. Der Peribolos be-
stand aus einem von vier Marmorsäulenhallen umgebenen
Hof. Nördlich von dem Peribolos ist ein umfangreiches
Gebäude, vielleicht die Bäder des Eurykles (Pausanias),
angeschnitten worden. Auch östlich der Peirene ist ein
neuer Raum, den eine jonische Säulenstellung mit drei
Porosbögen in zwei Hälften teilt, freigelegt worden. Durch
die Grabungen von Hill und seiner Mitarbeiter ist nun auch
die Ostseite der Agora, einer der größten in Griechenland,
von 255 auf 127 m, ans Tageslicht gebracht. Von Skulp-
turen fanden die Amerikaner ein reizendes weibliches Köpf-
chen hellenistisch-römischer Arbeit, aber von klassischem
Typus (Swift im Am. J. of arch. 1916 nennt es ein archa-
istisches Werk der Antoninenzeit), weiter vorzügliche römi-
sche Porträtstatuen des julisch-klaudischen Kaiserhauses.
Die Köpfe von zweien der Statuen gleichen dem Augustus
so sehr, daß man vielleicht seine Adoptivsöhne Cajus und
Lucius in ihnen erkennen darf. Eine dritte Porlrätstatue
gleicht mehr dem Tiberius. Zwei männliche langgewan-
dete Torsen und eine vom Hals bis zu den Knien wohl-
erhaltene Panzerstatue sind noch zu erwähnen. — Die prä-
historischen Schichten von Altkorinth zeigten erstmalig
eine der neolithischen Keramik von Mittel- und Nord-
griechenland verwandte Ware. Endlich sind Ansiedlungen
mykenischer und vormykenischer Zeit zum Teil dicht am
Meeresstrand, zum Teil mehr landeinwärts entdeckt worden;
sie lehren, wie dicht die Landschaft damals bevölkert war.
Die amerikanischen Ausgrabungen sind hier besonders
wichtig, weil eine Reihe von sehr sorgfältig durchgeführten
Schichtengrabungen in den Häuserruinen ein festes, chrono-
logisches Gerippe von der neolithischen Periode bis ans
Ende der mykenischen bieten.

Die Franzosen, die häßlichsten der Gegner unseres
verdienstvollen und überall anerkannten archäologischen
Instituts in Athen, haben in Delphi ihre Forschungen im
Tempel des Apollon fortgesetzt, außerdem sich den bisher
zu wenig beachteten Ruinen außerhalb des Temenos, vor
allem der römischen Agora, gewidmet. Eine von Attalos
errichtete Säulenhalle wurde auf einer Terrasse mit gleichem
Niveau wie der Dreifuß von Plataiai konstatiert. — Die
Arbeiten auf Delos waren der Untersuchung des Kynthos
gewidmet, vor allem dem Heiligtum des Zeus und der
Athene auf dem Gipfel des heiligen Berges. Die kleinen
Heiligtümer, durch welche die Prozessionswege zum Haupt-
tempel hinaufführten, waren dem Poseidon von Askalon
und einer Dreiheit aramäischer Gottheiten geweiht, bildeten
also die Verbindungsglieder zwischen dem großen Heilig-
tum der orientalischen Götter in halber Höhe und dem
des Zeus-Baal auf dem Gipfel. Zweifellos waren ursprüng-
lich auch alte hellenische Kulte auf der höchsten Höhe des
Berges lokalisiert. — Auf Thasos wurde ein gegen 3 m
hoher archaischer Apollon hervorgezogen, der in ganz sin-

gulärer Weise auf dem einen vor die Brust gelegten Arm
einen Widder trägt; in der Unterstadt ganz nahe dem
Prytaneion kam die griechische Agora zum Vorschein. —
In Philippi wurde das Haupttor von den Franzosen frei-
gelegt, durch welches die auch im jetzigen Kriege bedeut-
same Via Egnatia nach Neapolis (Kavalla) führt. In der
Stadt selbst wurde das Theater erforscht, dessen ältere
Teile aus der Zeit Philipps II. stammen. Es übertrifft an
Größe die Theater von Athen, Epidauros und Delos mit
einem Durchmesser der Orchestra von 24,70 m. Die unterste
Sitzreihe ist höher als die Orchestra. — Eine Reihe von
kleinen Heiligtümern wurden am Abhang der Akropolis
von Philippi eingehender untersucht, es wurden Reliefs
und Inschriften, auch wichtige religiöse Texte unter letzteren,
gefunden. — Auch in Dion in Makedonien wurde die
Ausdehnung der antiken Stadt bestimmt und ein Plan auf-
genommen. Es fanden sich die Reste einer Straße, eines
Theaters, eines hellenistischen dorischen Tempels und einer
gepflasterten, von Säulenhallen umgebenen Agora. — Wäh-
rend des Dardanellenfeldzuges haben die Schanzarbeiten
der Franzosen zur Entdeckung der Nekropole von Eleus,
der berühmten Gründung des älteren Miltiades, geführt.
Die Stätte ist nunmehr östlich von Sedd-el-Bar lokalisiert.
Die Gräber sind entweder einfache steinerne Sarkophage
oder tönerne Pithoi. Die Funde erinnern an die der Ne-
kropole von Myrina und geben Gelegenheit, die Nekropole
einer thrakischen Kolonie Athens mit kleinasiatischen und
politischen vergleichen zu können. — Wir glauben nicht, daß
ein Franzose im gleichen Falle von Deutschen die Worte
gebraucht hätte, die der von Franzosen aus Athen ver-
triebene erste Sekretär des deutschen Archäologischen
Instituts, Georg Karo, vornehm ausspricht: »Dhorme,
Chamonard und Courby haben zu Eleus mitten im tür-
kischen Feuer gegraben und damit die alte napoleonische
Tradition ruhmvoll erneuert.«

Die englische Schule hat ihre Arbeit auf Kreta fort-
gesetzt, zunächst im Tale von Psychro, hoch oben im
Lasithigebirge, wo auf einem niedrigen Hügel, beim Dorfe
Platy, eine kleine minoische Stadt liegt. Die Ruinen reichen
von der ersten bis zur dritten spätminoischen Periode und
bieten uns den besten bisher bekannten minoischen Stadt-
plan: drei große Häusergruppen sind auf drei Seiten eines
quadratischen Platzes gruppiert. Ein Haus mit doppelter
Vorhalle und Jnnenhof ist besondersjnleressant.

Die italienische Schule hat ihre Arbeiten in Gortyn
auf Kreta fortgeführt und das Odeion an der Agora bis
aufs Letzte erforscht. Hinter der Skene wurde ein Teil
der byzantinischen Nekropole weggeräumt und eine lange
dem Odeion gleichzeitige Halle aufgedeckt. Ein schönes
attisches „Grabrelief .des 4. Jahrhunderts (Frau'im Lehn-
stuhl) wurde in ein christliches Grab eingemauert gefunden.
Im Gebiet des Pythion zu Gortyn wurde eine von Norden
nach Süden verlaufende Halle im Heiligtum der ägyptischen
Götter gesichtet. Darunter fand man Fragmente von Sta-
tuen und Inschriften, die sich auf ein viel älteres Heilig-
tum der ägyptischen Götter beziehen. Auch am Prätorium
östlich von Pythion wurde eine große Halle, ein Tempelchen
der ägyptischen Götter und eine schöne halbrunde Exedra
freigelegt. — Die Ausgrabungen des Palastes von Haghia
Triada und derjhn umgebenden Gebäude wurde vollendet
und die älteren Schichten durch Versuchsgräben erforscht.

Die Ausgrabungstätigkeit des deutschen Archäolo-
gischen Instituts in Athen ist seit über zwei Jahren trotz
des Krieges und des durch ihn verursachten Ausbleibens
aller jungen Hilfskräfte eine regere gewesen als in manchem
Friedensjahr. ; Im Kerameikos hat das Institut noch bis
zum 21. November 1916 gegraben. Wir müssen für die
Arbeiten bis inkl. 1915 am Kerameikos auf den ausführ-
 
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