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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Septemberheft
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Bode, Wilhelm von: Die "Rembrandt-Forschung" in Gefahr?
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0010

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selbst der gestrenge W. Martin auf rund 500 Bilder
kommt. So viel Anreguug ich Vosmaers Werk ver-
danke, so hat micli docli gerade die völlige Unzuläng-
lichkeit seines Gemäldekatalogs, haben die dadurch
verschuldeten Irrtümer iu der Darstellung seiner Ent-
wicklung und C'harakteristik mich bewogen, schon vor
fast fiinfzig Jahren mit einer Bearbeitung bestimmter
Epochen des Kiinstlers, die fast unbekannt oder unbe-
achtet waren, namentlich der frühesten und letzten Zeit
seiner Tätig'keit, zu beginnen, der ich dann 1885 in
meinen „Studien zur holländischen Malerei“ den ersten
Versuch einer Zusammenstellung aller mir bekannten
Werke des Meisters folgen ließ. Für eine große wissen-
schaftliche Veröffentlichung fand ich — trotz der Zu-
sage einer Beihilfe der Akademie der Wissenschaften
— jahrelang keinen Verleger, bis der in Paris an-
sässige österreichische1 Kunsthändler Charles Sedel-
meyer, der mir be’i Erwerbungen für unsere Galerie
namentlich aucli von Meisterwerken Rembran'dts sehr
behilflich war, sich erbot, ein Malerwerk des Meisters
im größten Umfange und in drei Sprachen durcli mich
zu veröffentlichen. Meinen Wunsch, eine kleinere, ein-
bändige Ausgabe zu machen, lehnte er ab, da er sich
kemen Erfolg davon verspreche; neben der großen
würde aber eine besondere kleine, wie er meinte, die
sehr kostspielige große Ausgabe stark beeinträchtigen.
Er konnte natürlich nicht verhindern, daß ein dritter
Verleger, als unser großes Werk in 7 Bänden fast voll-
ständig vorlag, ausgenutzt wurde: Der Rembrandt-
Band, das erste Werk der „Klassiker der Kunst“, ist in
seinen neuen Auflagen und seinem Anhang durch Dr.
W. Valentiner zum unentbehrlichen Nachschlagewerk
für die Kenntnis Rembrandts geworden. Da die An-
griffe, die in neuester Zeit gerade gegen dies Werk
sich richten, wie früher schon gegen Dr. Hofstede de
Groots angeblich allzu „wenig kritisohe“ Beurteilung
der Werke Rembrandts, im Grunde aucli das grund-
legende große Rembrandt-Werk, das ich mit diesem
zusammen herausgegeben habe, treffen sollen, halte
ich mich verpflichtet, die Grundsätze, nach denen ich
bei der Aufnahme der Büder in dies Werk verfahren
bin und nach denen ähnliche Verzeichnisse überhaupt
verfähren sollten, kurz klarzulegen.

Über die Schwierigkeiten, die sich mir bei der
Erage der Aufnahme der Gemälde bieten würden, war
ich mir von vornherein klar. Zu denen, über die ich bei
dem Verzeichnis in meinen „Studien“ mich schou hatte
entscheiden miissen, kam noch die besondere Schwie-
rigkeit, daß ein großer Kunsthändler der Verleger war.
Diese hat sich aber nicht so groß erwiesen, als ich an-
fangs fürchtete. Sedelmeyer war selbst ein sehr guter
Kenner Rembrandts und Schwärmer für den Künstler;
erst im zweiten Nachtragsband, den ich bereits vor
zehn Jahren in Angriff genommen hatte und dessen
Text ich infolge des Krieges seither wiederholt umge-
arbeitet habe, bekundete der inzwischen hochbetagte
Verleger so wesentlich abweichende Ansichten und
wünschte die Aufnahme einer Anzahl Bilder in seinem
Besitz, die nach meiner Überzeugung mit Rembrandt

nichts zu tun haben, daß wir schließlich von der Ver-
öffentlichung dieses zweiten Supplementbandes, der
fast 150 Bilder umfaßt hätte, ganz Abstand genommen
haben.

Eine andere Schwierigkeit, ja eine große Gefahr
für unsere Publikation entstand schon bald, nachdem
ich den ersten der 7 (mit dem Supplementband 8) Bän-
'den vollendet hatte; ich erkrankte an einer heftigen
Venenkrankheit so schwer, daß ich fast ein halbes Jahr
das Bett hüten mußte, und daß eine Reihe von rnehr
oder weniger schweren z. T. monatelangen Rückfällen
mich seither stark behindert haben. Ich mußte bald er-
kennen, daß ich allein die Arbeit in der Art, wie sie be-
gonnen war, nicht zum Abschluß bringen konnte; na-
inentlich brauchte ich einen Mitarbeiter, der die zahl-
reichen von Jahr zu Jahr, namentlich 'in englischem Pri-
vatbesitz auftauchenden und vielfach rasch in ameri-
kanischen Besitz übergehendenBilder, soweitmir deren
Prüfung nioht persönlich möglich war, in Augenschein
nehmen und zuverlässig bestimmen konnte. Ich hatte
die Freude, in dem fleißigen und gründlichen hollän-
dischen Forscher Dr. Hofstede de Groot, der damals
schon die Vorarbeiten zu seinem „Neuen Smith“ und
damit auch zu einem Katalog von Rembrandts Gemäl-
den machte, als Mitarbeiter zu gewinnen; übernahm
zugleich die Bearbeitung sämtlicher den Meister be-
treffenden Urkunden, eine Aufgabe, die er in ausge-
zeichneter Weise gelöst hat.

Eine solche gemeinsame Arbeit hat natürlich ge-
wisse Bedenken, namentlich, wenn es sich um die
Kritik von Kunstwerken handelt. Nicht in allen Fällen
kann man zu völliger Übereinstimmung im Urteil
kommen, das stets ein subjektives sein muß, wo objek-
tive Beweise nicht beizubringen sind. Wir einigten uns
dahin, daß in den seltenen Fällen, in denen einer von
uns beiden ein Bild nicht gesehen hätte, das Urteil des
anderen entscheiderid sein müsse, und daß im übrigcn
— schon im Interesse der Publikation wie des Publi-
kums — die Veröffentlichung abweichender Meinungen
iiber ein und dasselbe Bild möglichst vermieden werden
solle. Dadurch sind gelegentlich Bestimmungen aufge-
nommen, die ich heute, wo ich die Bilder irizwischen
gesehen habe, nicht mehr vertreten möchte: so die
„Alte Frau mit der Bibel“ bei Frick und die „Ältere
Frau“, früher in der Sammlung Martius; auch scheiut
es mir nicht wahrscheinlich, daß die große „Ehebreche-
rin vor Christus“, fürher in der Sammlung Weber,
durch die Restauration zu einem Original Rembrandts
geworden sein sollte, obgleich ich riur eine Photogra-
phie des Bildes nach der Restauration de Wildts ge-
sehen habe und das Bild daher, da Dr. Hofstede de
Groot sowolil als Dr. Valentiner, die das Bild nach der
Restauration sahen, dasselbe für sicher echt erklärten,
in unser großes Rembrandt-Werk aufgenommen wurde.

In den Fällen, in denen wir uns nicht ganz klar
waren, ob es sich wirklich um ein Original handle,
haben wir nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ das
Bild doch aufgenommen, ohne es durch einen Beisatz
„zweifelhaft“, „durch Dr. Martin für falsch erklärt“ oder

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