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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Septemberheft
DOI article:
Singer, Hans Wolfgang: Neue Graphik: Artur Henne, Hans Emil Braun und Georg Richter
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0020

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Hans Emil Braun, Kirchberg

Reize Corot’scher Kunst in überraschendem Maße
prangen. Die Silbrigkeit der Palette des französischen
Meisters, hat er im Schwarz-Weiß des erstgenannten
Blattes bezwungen, im zweiten das Flockige seines
Vortrags, im dritten das heitere Gemiit. Die „Elbinsel“
ist von einer seltenen Farbigkeit; wir werden im Un-
terbewußtsein bei der Betrachtung ständig an die Öl-
malerei gemalmt.

Wenn Hans E. Braun sich in der Hauptsache, bei
seinen besten Blättern, wohl auch auf die Kaite Nadel,
— nebenher auf Roulette und Wiegemesser, —• ver-
läßt, so wirkt seine Kunst doch ganz anders. Wie er
abgesondert fiir sich, in einem entlegenen Winkel der
Welt, nämlich Kirchberg an der Jagst haust, so ist er
auch als Persönlichkeit abgesondert. Das spezifisch
Deutsche spricht sich im Wesen und infolge dessen in
seiner Kunst weiP kräftiger bei ihm aus, als bei der
Kunst Hennes, die als reine Stilänßerung eher auf einen
internationalem Boden steht. Für das Gemüt des
Schwaben hat es viel mehr zu bedeuten, was er gerade
vornimmt, und wenn seine Landschaft sich auch in
letzter Linie als Kunstwerk kristallisiert wissen will,
so geht dabei keinesfalls verloren, daß es eine ausge-
sprochen Schwäbische ist. In seiner Bodenständigkeit
hat Braun Berührungspunkte mit Thoma: auch darin,
daß ihm Gemütsäußerungen mehr wert sind, als rein
formale Fragen. Daher wird er gelegentlich mit Figür-
lichem Bedenken im Betrachter erwecken, der sich vor-
behaltlos dem Germß seiner unstaffierten Landschaften
und Ansichten hingeben kann. Aber auch wenn man
sicli gelegentlich an der Zeichnung stößt und me'int, das
liätte der Künstler sorgfältiger machen können, wenn er
gewollt hätte, so bleibt seinen Gestalten doch ein Inhalt
an Seelenleben, der über anscheinende Mängel der
Form weghilft.

Braun hat ein abenteuerliches Leben hinter sich,
das sich auch etwas in seiner Kunst wiederspiegelt. Sie
verrät kein Programm und bekennt sich zu keiner
Schule. In der Tat ist er wohl als Graphiker wenn
nicht völlig, so in der Hauptsache Autodidakt. Das g.ibt

nun gerade nicht dic schlechtesten Meister ab; denn der,
der alle Tücken des Materials aus dem Eigenen zu be-
zwingen lernt, gewinnt nicht nur eine besonders enge
Fühlung mit dem, sondern auch eine hervorgehobene
Liebe für das Werkzeug. So ein Blatt wie „Die Hei-
mat“ zeigt auch eine prächtige Ausnützung der Schön-
heit, die mit dem Material herauszuholen ist. Selbt die,
wenn ich mich nicht täusche, nicht ganz einwandfreie
Zeichnung der beiden Figürchen, beeinträchtigen den
Stimmungsgehalt nicht. Die gleichen guten Eigen-
schaften kennzeichnen „Kirchberg von Westen“ und
dazu noch die Pikanterie des Vortrags, in dem vielen
Weißlassen. Durch den sparsamen Aufwand an Mitteln
wird die Andeutungskraft der Striche auf das glück-
lichste erhöht.

Manchmal verläßt sich der Künstler auf schweren
Ton, manchmal versucht er sich im Limienspiel, manch-
mal komponiert er mit Farbenflächen ein Oval in einen
viereckigen Ausschnitt hinein; er hat auch das Bildnis
von verschiedenen Seiten angepackt, wie überhaupt bei
ihm, der alles selbst erst erproben muß, naturgemäß
das äußere Gesicht seines Werkes ein recht reiiches ist.

Georg Richter, der in der Lößnitz bei Dresden lebt,
hat eigentlich eben erst mit der C.raphik angefangen.
Als Maler steht er auf dem Boden des frischesten, son-
nigsten, im geistvollen Vortrag sein höchstes Ziel fin-
denden Impressionismus.

Eine gewisse Lustigkeit, die in den Menschen selbst
stecken muß, gibt sich schon in der Wahl seines Themas
kund. Bis jetzt hat er hauptsächlich kleine Kinder in
Sonnenschein und Wind vorgenommen. Das lebhafte
des Naturmotivs in der Beweglichkeit und Lebhaftigkeit
seiner Linienführung festzuhalten, gelingt ihm außer-
ordentlich gut. Die hohen Qualitäten der wenigen bis
jetzt gelieferten Arbeiten, berechtigen zur Hoffnung, daß

Georg Richter. Kinder und Schiffchen
 
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