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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Novemberheft
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Lehrs, Max: Cornelis Hofstede de Groot
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0075

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Cocnelts liofstede de Qcoot

uon

]Max tcbt^ssDcesdßta

A in 9. November feierte Cornelis Hofstede de Groot
* im Haag seinen sechzigsten Geburtstag, ein
„Kunstwanderer“ im besten Sinne des Wortes. Ich bin
daher als einer seiner ältesten Freunde vom Heraus-
geber der gleichnamigen Zeitschrift gebeten worden,
die Festrede zu halten und ich tue es natürlich von
Herzen gern.

Unsere Bekanntschaft erstreckt sich über mehr als
die llälfte seines Lebens. Im Sommer 1890 suchte
Karl Woermann, der damals noch die Direktion des
Kupferstichkabinetts im Nebenamt führte, einen zeit-
weiligen Ersatz für Gustav Pauli, da dieser genötigt
war, sein Freiwilligen-Jahr abzudienen. — Es meldete
sich alsbald ein junger, siebenundzwanzigjähriger,
blonder und zarter Mensch, der in Leipzig Kunstge-
schichte studiert hatte und von Bredius, damals Direk-
tor des Mauritshuis, warm empfohlen wurde. Er war
1863 in Groningen geboren, hatte dort das philologische
Lehrerexamen gemacht und sich später, woh'l da er in
Thüringen Verwandte und Freunde besaß, zum Facli-
studium nach Leipzig begeben, Woermann nahm ihn
freudig auf und er blieb vom 1. üktober bis zum Schluß
des Jahres als Volontär, von Neujahr bis Ende Juni 1891
als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an unserer Samm-
lung, deren Handzeichnungen-Abteilung durch seine
gründlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der holläin-
discheri Kunst des XVII. Jahrhunderts schon damals
eine Reihe wichtiger Umtaufen und N'eubestimmungen
erhielt. Leider wurde er uns früher entrissen, als wir
anfänglich gehofft hatten, denn er übernahm schon im
Sommer desselben Jahres eine Anstellung als zweiter
Direktor der Gemäldegalerie am Mauritshuis im Haag.

Mir war er — wenn es erlaubt ist, auch von Per-
sönlichem zu reden — ein sehr lieber, sympathischer
Kollege gewesen, „da ich noch selbst im Werden war“.
Immer mit meinen primitiven Kupferstechern, den
„Lebzeltenmännern“, wie Lippmann sie nannte, be-
schäftigt, hatte ich durch die Zusammenarbeit mit dem
acht Jahre Jüngeren erwünschte Gelegenheit, hin und
wieder auch den Werken der großen Künstler des
XVII. Jahrhundert, um die sich de Groots Hauptinter-
esse drehte, einige Beachtung zu schenken, und icli bin
ilun noch heut fiir die reichen Anreguugen darikbar, die
er mir durch seiue emsige Forscherarbeit bot.

Aber nichts trennt so sehr als die räumliche Ent-
fernung, und so verloren wir uns seit seiner Rückkehr
in die alte Heimat naturgemäß ein wenig aus den
Augen. — Niclit auch aus dem Sinn, denn de Groot blieb
mir immer ein leuchtendes Vorbild für gründliche Ken-
nerschaft, die sich auf das unablässige Studium eines
Lieblingsgebietes, auf die konzentrierte archivalische
Durchforschurig und vergleichende Betrachtung der
Denkmale selbst sttitzt. Als einer der besten Rem-

brandt-Kenner und Kenner der holländischen Kunst
überhaupt, hat er es in kurzer Zeit verstanden, sich
neben den älteren Weggenossen Bode und Bredius als
Dritter in ihrem Triumvirat Geltung zu verschaffen.
„N'ennt man die besten Namen, so wird aucli der seine
genannt.“

Nach seiner Übersiedelung blieb er fiinf Jahre lang
im Haag und nahm dann am 1. November 1896, als
van der Kellen seiner Gesundheit wegen von der Ver-
waltuug des Prenten-Cabiriets in Amsterdam zurück-
trat, dessen Stelle ein. Im Gegensatz zu seinem Vor-
gänger, der immer nur mit eigenen Spezialarbeiten be-
schäftigt, Störungen durc'h das Publikum sehr unange-
nehm empfand und beispielsweise das Repertorium für
Kunstwissenschaft abbestellte, weil es von den Be-
suchern des Kabinetts zu häufig verlangt wurde,
machte er die Sammlung allgemein 'zugänglich uud ver-
waltete sie nach modernen Gesichtspunkten bis zum
Juni 1898, wo van der Kellen plötzlich wieder in seine
Stellung zurüokkehrte und mit ilnn der Geist von anno
dazumal wieder für fünf weitere Jahre in die Räume
de^ Prenten-Cabinets einzog.

I)e Groot gab damals der jungen, noch ungekronten
Königin Wilhelmine kunstwissenschaftlichen Unterricht
und benutzte die Muße, die ihm sein Rücktritt vom
Prenten-Cabinet gewährte, mit großer Energie, die
Vorarbeiten für die zu Ehren der Krönung der Königin
im September-Oktober geplanten Rembrandt- und
Oranje-Nassau-Ausstellungen zu gedeihlichem Ende zu
führen. Er blieb noch ein Jahr in Amsterdain und
siedelte alsdann endgültig nach dem Haag über, wo er
zunächst in bescheidenen Verhältnissen ganz seinen
Studien lebte und dann im Hause Heeregracht sein be-
hagliches Heim einrichtete. Hier lebte er im Kreise
seiner Liebiingsmeister und unter einem ganzen Sil-
houetten-Stammbaum von Familienbildnissen seinen
Sammlungen und Studien achtzehn Jahre lang, bis er
1921 ein reizend gelegenes eigenes Haus Lange Voor-
hout 94 bezog.

Seine Gemäldesamm'lung und namentlich die der
Handzeichnungen holländischer Meister Iiatten sich im
Laufe der Jahre zu einer Bedeutung erhoben, die allge-
meine Beachtung fand. Binnen kurzer Frist erwarb er
mehr als hundert Rembraudt-Zeichnungen, darunter die
schönsten und berühmtesten, wie das Ecce homo, das
Mädchen am Fenster, Tobias mit dem Engel, die Frau
im Wochenbett, und die wundervolle im Rhythmus
ihrer wenigen andeutenden Linien ganz einzig da-
stehenden Auffindung Mosis. Er hatte auf seinen zahl-
reichen Reisen in England, Deutschland und Frankreich
jede Gelegenheit zu wichtigen Erwerbungen benutzt
und war dabei vom Glück wie von seiner Kennerschaft
begünstigt worden. Denn er war, wie ich schon oben

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