lers, zurückzukehren, doch jedesmal, wenn der Ent-
schluß zur Wirklichkeit werden sollte, schreckte man
vor der Ausführung zuriick. Nirgends fiihlte sich auch
Gerhard von Kiigelgen im Grunde wohler als in Dres-
den. Es bot ihm Alles: künstlerische, wissenschaft-
liche, gesellige Anregung; Museen von unerhörtem
Reichtum, strebsame und tiichtige Kollegen, liebe
Freunde. Hier lebten von Künstlern, um nur einige
Namen zu nennen: Caspar David Friedrich, Naecke,
Johann Christian Dahl, Carus, Kersting; und von Ge-
lehrten: Gotthilf Heinrich Schubert, Adam Miiller,
Köthe, Riihle von Lilienstern, Moritz von Engelhard,
Carl von Raumer. Häufig weilte auch Seume daselbst.
Bei Kiigelgen im Hause wohnten längere Zeit und ge-
nossen seinen Unterricht die ihm von Goethe persön-
lich empfohlenen Malerinnen Caroline von Bardua4)
umgekehrt Kügelgen, als Gast und Kiinstler, in seinem
Hause zu Weimar. Um die Wende des Jahres 1808/09
wurde der Dichter vom Maler porträtiert. Das Bildnis
ist heute Eigentum der Universität Dorpat, die es nach
dem Tode des Meisters von der Familie erwarb. Es
ist in der Zeit vom 9. Dezember 1808 bis zum 21. Ja-
nuar 1809 nach dem Leben gemalt. In der gleichen
Zcit entstand auch Kiigelgens Schillcr-Bildnis, das im
Frankfurter Goethe-Archiv aufbewahrt wird. — Goethe
selbst schreibt iiber Kiigelgens Besuch: „Kiigelgen,
der gute, im Umgang allen so werthe Kiinstler ver-
weilte mehrere Wochen bei uns, er malte Wieland’s
Porträt und meins nach der Person, Herder’s und
Schiller’s nac'h der Überlieferung. Mensch und Maler
waren eins in ihm, und daher werden jene Bilder immer
doppelten Werth behalten.“ Diese Mitteilung wird
Georg Kersting
Das Atelier des Malers
Gerhard von Kügelgen
und Louise Seidler aus Weimar, deren Bild und Stube
in Kiigelgens Wohnung von Andreas Aubert auf dem
Bilde der „Stickerin“ aus dem Großherzoglichen Schloß
zu Weimar mit sicherem Blick wiedererkannt wurde.
Zu all den lieben Freunden und Bekannten kam die
herrllche Lage und Umgebung der Stadt Dresden. Hier
wetteiferten wahrlich Kunst und Natur, einen Maler zu
begliicken.
Reisen, die nur einer kurzen Unterbrechung des
Dresdner Aufenthaltes dienten, wurden von Kiigelgen
häufiger unternommen, teils zur Erholung, teils zur
Ausfiihrung von Aufträgen. Ein Besuch Goethes im
Dresdner Hause seines Vaters ist durch Wilhelm von
Kiigelgen urkundlich beglaubigt, dazu mit einer höchst
witzigen und pikanten Episode verkniipft. Goethe sah
4) Goethe schreibt in einer offenen Empfehlung, die er ihr
mitgibt, „wer sie freundlich aufnehme, erweise ihm selbst einen
Freundschaftsdienst“. Jugendleben der Caroline v. Bardua, a. a.
O. Seite 53.
durch eine Notiz Anna von Schopenhauers ergiinzt, nach
der das Schiller-Bildnis unter Benutzung einer Büste
von Dannecker und Beschreibungen der besten Freunde
Schillers gemalt worden sei. Es sei als das beste Bild
des Verstorbenen, sogar von Schillers Gattin, gcrühmt
worden.5)
Der Besuch Kügelgens in Weimar ist für unser Bild
von unmittelbarer Bedeutung. D i e B i 1 d n i s s e v o n
G o e t h e u n d S c h i 11 e r n ä m 1 i c h , d i e e b e n
besprochen wurden, s t e h e n i n K e r -
s t i n g s Darstellung a n d e r 1 i n k e n W a n d
d e s A t e 1 i e r s.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie
lieb und künstlerisch wert dem Meister Gerhard die
beiden Bildnisse waren, so wäre der Beweis hiermit
erbracht. Der Wunsch, die beiden Werke als charakte-
ristische Zeichen seiner künstlerischen Tätigkeit durch
5) Vergl. C. Schulte-Strathaus, Die Bildnisse Goethes. Erster
Ergänzungsband der Propyläen-Ausgabe von Goethes Werken.
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schluß zur Wirklichkeit werden sollte, schreckte man
vor der Ausführung zuriick. Nirgends fiihlte sich auch
Gerhard von Kiigelgen im Grunde wohler als in Dres-
den. Es bot ihm Alles: künstlerische, wissenschaft-
liche, gesellige Anregung; Museen von unerhörtem
Reichtum, strebsame und tiichtige Kollegen, liebe
Freunde. Hier lebten von Künstlern, um nur einige
Namen zu nennen: Caspar David Friedrich, Naecke,
Johann Christian Dahl, Carus, Kersting; und von Ge-
lehrten: Gotthilf Heinrich Schubert, Adam Miiller,
Köthe, Riihle von Lilienstern, Moritz von Engelhard,
Carl von Raumer. Häufig weilte auch Seume daselbst.
Bei Kiigelgen im Hause wohnten längere Zeit und ge-
nossen seinen Unterricht die ihm von Goethe persön-
lich empfohlenen Malerinnen Caroline von Bardua4)
umgekehrt Kügelgen, als Gast und Kiinstler, in seinem
Hause zu Weimar. Um die Wende des Jahres 1808/09
wurde der Dichter vom Maler porträtiert. Das Bildnis
ist heute Eigentum der Universität Dorpat, die es nach
dem Tode des Meisters von der Familie erwarb. Es
ist in der Zeit vom 9. Dezember 1808 bis zum 21. Ja-
nuar 1809 nach dem Leben gemalt. In der gleichen
Zcit entstand auch Kiigelgens Schillcr-Bildnis, das im
Frankfurter Goethe-Archiv aufbewahrt wird. — Goethe
selbst schreibt iiber Kiigelgens Besuch: „Kiigelgen,
der gute, im Umgang allen so werthe Kiinstler ver-
weilte mehrere Wochen bei uns, er malte Wieland’s
Porträt und meins nach der Person, Herder’s und
Schiller’s nac'h der Überlieferung. Mensch und Maler
waren eins in ihm, und daher werden jene Bilder immer
doppelten Werth behalten.“ Diese Mitteilung wird
Georg Kersting
Das Atelier des Malers
Gerhard von Kügelgen
und Louise Seidler aus Weimar, deren Bild und Stube
in Kiigelgens Wohnung von Andreas Aubert auf dem
Bilde der „Stickerin“ aus dem Großherzoglichen Schloß
zu Weimar mit sicherem Blick wiedererkannt wurde.
Zu all den lieben Freunden und Bekannten kam die
herrllche Lage und Umgebung der Stadt Dresden. Hier
wetteiferten wahrlich Kunst und Natur, einen Maler zu
begliicken.
Reisen, die nur einer kurzen Unterbrechung des
Dresdner Aufenthaltes dienten, wurden von Kiigelgen
häufiger unternommen, teils zur Erholung, teils zur
Ausfiihrung von Aufträgen. Ein Besuch Goethes im
Dresdner Hause seines Vaters ist durch Wilhelm von
Kiigelgen urkundlich beglaubigt, dazu mit einer höchst
witzigen und pikanten Episode verkniipft. Goethe sah
4) Goethe schreibt in einer offenen Empfehlung, die er ihr
mitgibt, „wer sie freundlich aufnehme, erweise ihm selbst einen
Freundschaftsdienst“. Jugendleben der Caroline v. Bardua, a. a.
O. Seite 53.
durch eine Notiz Anna von Schopenhauers ergiinzt, nach
der das Schiller-Bildnis unter Benutzung einer Büste
von Dannecker und Beschreibungen der besten Freunde
Schillers gemalt worden sei. Es sei als das beste Bild
des Verstorbenen, sogar von Schillers Gattin, gcrühmt
worden.5)
Der Besuch Kügelgens in Weimar ist für unser Bild
von unmittelbarer Bedeutung. D i e B i 1 d n i s s e v o n
G o e t h e u n d S c h i 11 e r n ä m 1 i c h , d i e e b e n
besprochen wurden, s t e h e n i n K e r -
s t i n g s Darstellung a n d e r 1 i n k e n W a n d
d e s A t e 1 i e r s.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie
lieb und künstlerisch wert dem Meister Gerhard die
beiden Bildnisse waren, so wäre der Beweis hiermit
erbracht. Der Wunsch, die beiden Werke als charakte-
ristische Zeichen seiner künstlerischen Tätigkeit durch
5) Vergl. C. Schulte-Strathaus, Die Bildnisse Goethes. Erster
Ergänzungsband der Propyläen-Ausgabe von Goethes Werken.
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