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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Novemberheft
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Heise, Carl Georg: Kunst in Gotenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0085

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komposition von William Scharff -wäre in keiner der
anderen Abteilungen denkbar. Man kann es sich trotz-
dem gut vorstellen, wie sie alle sich mehr dünken als
ilrre durchweg weniger versierten norwegischen und
schwedischen Kollegen. Swane hat in einem Zeitungs-
artikei die schwedischen Maler einer geistreichen und
vernichtenden Kritik unterzogen, die manches Richtige
enthält, zu der ihm aber seine eigenen Leistungen ge-
wiß nicht das Recht geben. Der Intellekt regiert. Tv-
pisch für die dänische Kunst ist Willumsen; das
empfiuden die Dänen selbst, die dem Sechzigjährigen
eine imposante Sonderausstellung hergerichtet haben.
Hr ist so interessant, daß er in Deutschland bekannter
zu sein verdiente, zumal als eine ausgesprochen ger-
manische Begabung. Aber ist er wirklich eine Persön-
lichkeit? Seine Kunst umspannt alles: Malerei, Plastik
und Kunstgewerbe, aber nicht nur alle Gattungen, auch
alle Kunstweisen der letzten vier Dezennien. Erinne-
rungen an fast alle einflußreichen Modemeister von den
französischen Impressionisten über Klimt und Hodler
bis zu Liebermann und Pechstein stellen sich recht
augenfällig ein. Freunde seiner Kunst behaupten, Wil-
lumsen sei in vielen Fäilen der Erste, der eigentlich er-
findende Geist gewesen. Sicherlich hat er im Voraus
einen feinen Instinkt für die kommende Mode gehabt,
aucli eignet seiner draufgängerischen Geste zu allen
Zeiten etwas betont Fortschrittliches, aber der Mär-
tyrerglanz der Vorläuferschaft liegt nicht auf seinen
Werken, die mit dem revolutionären Pathos immer et-
was I lausbackenes verbinden. Seine Kunst ist nur ge-
nießbar, wenn sie ganz neu, ganz rnodern ist, sie eignei
sicli zum Demonstrieren von Programmen, und ihr
Autor hat sich in der Tat eine im Alter allerdings etwas
krampfige Jugendlichkeit bis heute bewahrt. Er muß
eine ungeheuer anregende, befruchtende Persönlichkeit
sein, aber ein großer Meister ist er nicht. Daß er iii
allen Kunstarten sich versucht, ist nicht die natürliche
Auswirkung eines umfassenden Formvermögens, son-
dern die niemals ganz zu sättigende Lust am Experi-
ment. Am peihlichsten ist sein Kunstgewerbe — viel-
leicht deswegen, weil daran offenbar wird, wie sehr
seinem ganzen Schaffen ein Zug ins äußerlich-deko-
rative anhaftet.

Finnlands Kunst schneidet am schwächsten ab. Ich
kann nach den ausgestellten Bildern weder in Sallinen
noch in Rissanen die 'bedeutenden Maler sehen, die die
Finnen selbst aus ihnen machen möchten. Etwas aller-
dings ist auffällig, und vielleicht öffnet sich von hier
aus dem tiefer Mitlebenden der Weg zum Verständnis
finnischen Kunstempfindens überhaupt: allein in dieser
Abteilung gibt es kaum ein L’art pour l’art; fast bei
allen finnischen Künstlern spricht der volkstümliche
Gegenstand in einer für uns ungewohnt starken Weise.
Bäuerliches Leben, Arbeiterelend, religiöser Fanatis-
mus sind die natürlichen Bildvorwürfe, ohne zu weit ius
Anekdotische fortzuleiten. Aber mit den bodenständi-
gen Motiven verbindet sich eine von auswärts impor-
tierte Malweise oft recht unorganisch. Thomes leuch-
tender Kolorismus z. B. ist auf seine finnischen Bauern-

typen nur gleichsam äußerlich angewandt. Gawen und
Mäkelä fallen auf unter den Jüngeren, beide stärker als
die anderen, wenti auch in sehr verschiedener Art, nach
rein künstlerischen Gesichtspunkten gestaltend. Mä-
keläs etwas skizzenhaften, farbig gut beobachteten
Landschaftsaquarelle sind schon vor etwa zehn Jahren
entstanden und machen Lust darauf, neuere Arbeiten
des Künstlers kennen zu lernen. Auch in Finnland
fehlen natürlich modische Extravaganzen nicht ganz,
die hier doppelt ungenießbar sind, weil bei ihnen keiner-
lei bodenständige Eigenart ausgleicliend wirkt.

Die Kunstgewerbeschau ist bedeutend. Sie wird in
Schweden aufgefaßt als Generalprobe für die Pariser
Ausstellung 1925. Wird dort, wie vorauszusehen,
Deutschland fehlen, so wird die schwedische Abteilung
Aufsehen erregen. Hier macht sich im Gegensatz zur
Malerei deutscher Einfluß geltend — oft zu stark, aber
doch nicht so, daß bei aufmerksamem Vergleich uicht
schwedische Eigenart sicli einprägte. Es handelt sich
um Ähnliches wie bei der architektonischen Gesamtge-
staltung der Ausstellung: ein betonter Klassizismus
(ganz leicht mit Östlichem durchsetzt), der aber hier,
anknüpfend an heimische Traditionen, kein verwasche-
nes Gesicht, sondern cine unleugbar bodenständige Fär-
bung hat, verbunden mit großer Zurückhaltung in der
Farbe und in allem, was bei uns als Schnörkel und
„G’schnas“ die besten Kräfte oft ankränkelt (natürlich
von einigen rein wienerischen Unvermeidlichkeiten ab-
gesehen, die es in Stockholm und Gotenburg ebenso gibt
wie in Hamburg und New York), endlich eine auffallen-
de Sicherheit und Sauberkeit iu der Verwendung der
Schmuckmittel: von der Sparsamkeit und gehaltenen
Aufreihung der Ameublements bis zur seltenen und gut
abgewogenen Verwendung des Ornaments. Natürlich
gibt es schwache Punkte, denn die ganze Bewegung —
auch rein äußerlich nach deutschem Muster aufgezogen
— steckt noch in den Anfängen. Schwach ist Buch-
kunst (viele Einbände ganz nach altem Muster) und
Silber (im Gegensatz zu den noch bedeutenden däni-
schen Werkstätten), auffallend gut dagegen: Textil-
waren, Eisen und Glas. Bei der schwedischen Teppich-
wirkerei, die bisher fast ausschließlich alte Vorbilder
kopierte, (irn großen Teppichsaal des Gotenburger
Röhsska-Museums sah ich ein ganzes Heerlager nach-
zeichnender Kunstgewerbierinnen seine Zelte auf-
schlagen!), ist zu beobachten, daß die Ausstellungs-
leitung — Intendant Erik Wettergren vom nordischen
Museum ist der verantwortliche Organisator — nur
feigene neue Muster zugelassen hatte. Dieser etwas er-
zwungene Neubeginn hat gute Erfolge gehabt, aller-
dings auch diese Arbeiten variieren z. T. nur mehr oder
minder geschickt die traditionelien ornamentalen
Grundgedanken, so daß man sich zur Hebung des Ni-
veaus im letzten Augenblick veranlaßt gesehen hatte,
einige besonders vorzügliche alte Originalstücke dazu-
zuhängen. Die schmiedeeisernen Gitter sind von höchst
anziehender Schlichtheit bei prägnanten Motiven, ein-
facher aber z. J'. aucb gediegener als der deutsche
Durchsclniitt. Der Bildhauer Ivär Jolmssou liefert Ent-

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