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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

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1./2. Juliheft
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Robolsky, Otto: Kuriositäten der Schriftkunde
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Landau, Rom: Die verschüttete Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0350

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ten auch die französischen Könige des 19. Jahrhunderts
zur Ausfertigung von massenweise zu vollziehenden
Schriftstücken geringerer Bedeutung, so besonders bei
Binladungen zur Parlamentseröffnung.

Eine Merkwürdigkeit mittelalterlicher und auch
späterer Schriftstücke besteht bisweilen darin, daß iiber
ihren Anfang ein f gemalt ist. In dieses Zeichen ist
die Anrufung oder Lobpreisung Gottes zusammenge-
drängt worden. Auch hierfiir gibt es ein Gegenstiick
im Orient, wo fast jede Urkunde mit der Lobpreisung
Allahs, und zwar völlig ausgeschrieben, eröffnet wird.
Die Anrufung Gottes kehrt auch bis ins 18. Jahrhundert
in den Schlußformeln königlicher Schreiben oft wieder.
Die stehende Formel dafiir ist: „et prie sur ce Dieu,
qu’il vous ait en sa sainte et digne garde“. Sie findet
sich sowohl bei Louis XV. und XVI. in Frankreich, als
auch in französisch gesehriebenen Briefen Friedrichs
des Großen und noch seines Nachfolgers, Friedrich
Wilhelm II. Auch die Unterschriften hoher geistlicher
Würdenträger haben oft ihre Besonderheit. Vielfach
unterzeichnen sie nicht mit ihrem bürgerlichen Namen,
sondern mit ihrem Vornahmen unter Hinzufügung ihres
Amtssitzes. So z. B. unterschreibt der berühmte Kanz-
lerredner Jacques Benigne Bossuet sich als t J. Benig-

ne, E. de Meaux (Episcopus). Thomas Cranmer, Erz-
bischof von Canterbury unterzeichnet: T. Canterburi-
ensis. In England ist diese Sitte noch heute in Ge-
brauch: So lautet, um ein weiteres Beispiel zu nennen,
die Unterschrift des jetzigen Erzbischofs von York,
Cosmo Gordon Lang, offiziell so: „Cosmo Ebor“. (Ebo-
riacensis, d. i. von York.)

Die Sitte, nur mit den Anfangsbuchstaben des
Namens zu unterschreiben, oder die zu einem mitunter
ebenso kunstvollen wie schwer deutbaren Monogramm
zu verschlingen, war bei fürstlichen Personen und auch
bei Staatsmännern nicht selten. Am bekanntesten ist
wohl der Schnörkel von Wallenstein, der bald als A. H.
z. F. (Albrecht Herzog zu Friesland), bald als A. H. z. M.
(Albrecht Herzog zu Mecklenburg) zu deuten ist. Ge-
radezu ein Musterbeispiel für ein verwickeltes Mono-
gramm bietet die Unterschrift von Granella, des Kanz-
lers Kaiser Karls V. König Stanislaus II. von Polen
pflegte Privatbriefe oft mit dem verschlungenen An-
fangsbuchstaben seines Namens zu unterschreiben. Das
Gleiche tat Emil Leopold August, Herzog zu Sachsen-
Gotha, einer der sonderbarsten Käuze seiner Zeit, den
jedoch Napoleon für den geistreichsten Mann in
Deutschland erklärte.

Dtc oet’fcbCittcte Anttke

oon

Rom tandau

T u n i s , Frühjahr 1924.

ennt man ein anderes Land noch in dem die antiken
v Ruinen mit einem so — fast könnte man sagen —
schlägwortartigen Glorienschein ihrer alleinseligma-
chenden Klassik umwoben sind, als Italien? Das Co-
losseum, dessenwegen man nach Rom fährt, Pompeii,
Herculanum, das griechische Aphitheater in Siracus,
das „teatro Greco“ in Taormina, die Tempel von Pae-
stum und Girgenti! Die Griechenlandfahrten wir«ken
daneben beinah’ wie reine Forscher- und Künstleran-
gelegenheiten.

Wie oft aber hört man denn von Jemandem, der
klassicher Kunst wegen nach Afrika fährt? Dorthin
geht man der Sonne und, im Winter, des milden Kiimas
wegen, der Palmen und Minarets wegen; um die
Schlangenbändiger und die berühmten Bauchtänzerin-
nen zu sehen; auch fährt rnan mit der geheimen Hoff-
nung in einen echten Harem elnzudringen. Wer jedoch
reist nach dem Lande Tunis, um dort Griechenlands und
Roms Kunst zu sehen? Wer von uns kennt in Afrika
die klassische Form die sich bis zum heutigen Tag noch
aus der verdörrten, sandigert Wüstenerde reckt? Keine
willkürlich zusammengestellten Sammiungen sind es,
iti deren Glaskästen antike Überreste Staub schlucken
und vor Langerweile zerfallen; keine restaurierten und
von Eisengerüsten zusammengehaltenen Mauern, die.

wie traurige Krüppel, dahinsiechen; keine Ruinen, die
für Eintrittsgeld von einem, alle Jllusion raubendem,
Kustoden „nähergebracht“ und „erläutert“ werden.
Nein, nichts davon!

Es sind die noch immer lebenden Gliedmaßen des
antiken Leibes, der vom Wtistensand verschüttet, vom
Siroceo verweht, von dunkeln Araberfingern zerlegt,
von den Menschen vergessen — hier noch immer unter
und über der Erde ruht, über das ganze Land Tunis
seinen Bogen spannt und . . . glücklich ist, daß Touri-
sten- und Archäologenhand ihm noch nicht den muse-
alen Todesstoß versetzte.

Über das weite Tunis verstreut — im Norden und
Osten begrenzt vom Mittelmeer, westlich nach Algerien
hinüberreichend, und im Süden sich im Saharasande
verlierend — schlummern heroische Steine und klassi-
sche Mauern, halb vermählt mit der rotgelben Erde, mit
den scharfen Disteln und bizarren Kaktusen, zwischen
die sie ihre Schöpferhand verpflanzte.

Da ist zuerst die Stadt der schönen Schwester
König Pygmalions, der Königin Dido: das weiße Kar-
thago. Hier bereits — in diesem nördlichen Vorposten
antiker Kultur in Afrika — ragen aus dem Boden, wie
Stelzfüße, römische Säulenreste, hier begegnet man
einem großen römischen Amphitheater, einern weiteren
römischen Theater, Zisternen, Mauerresten, dekorati-
ven Bruchstücken.

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