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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Tietze, Hans: Die alten Meister in der Kunstgalerie in Liverpool
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0013

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7ahrgang 1930 1 /2 vSeptemberheft

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Hatis Tteiöe

| n der sehr ausgedehnten Walker Art Gallery in Liver-
1 pool, mit der der größte Brauer Nordenglands der
Allgemeinheit einen Teil des Reichtums zurückerstattet,
den er ihrer rüstigen Mitarbeit verdankt, bildet die
auf William Roscoe zuriickgehende Sammlung alter
Bilder eine wichtige Enklave. Inmitten der Prae-
raffaeliten und ihrer Epigonen, die den Stil jener
— odcr seine Maske — mit erstaunlicher Zähigkeit bis
in die Gegerrwart hinein konserviert haben, wirkt jene
Sammlung alter Meister doppelt stark als ein histori-
sches Dokument für die Entstehung des dem englischen
Geschmack so sehr entsprechenden praeraffaelitischen
Bekenntnisses. Hier waren die Zeugnisse einfältigen
Geists und primitiven Stils, dem die Neueren nach-
zueifern sich bemühten. Die Sammlung gehört, wie die
Boissereesche im Rahmen der alten Pinakothek in Mün-
chen, zu den Urkunden der Romantik zu Beginn des
19. Jahrhunderts; sie wdll — wie die Sammlung der
Brüder Boisseree — eine neue geschichtliche Konstruk-
tion illustrieren. Daß sie, durch späteren Zuwachs
nicht im Kern verändert, als eine Einheit erhalten ge-
blieben ist, läßt uns dem sich vollziehenden Ge-
schmackswandel beiwohnen, läßt uns einen Blick in die
Werktstätte eines der Männer tun, die an der
Erneuerung des allgemeinen europäischen Kunstgefühls
mitgearbeitet haben.

Der Lebenslauf dieses Vorkämpfers ist ein echt
englischer. William Roscoe ist am 8. März 1753 in
Liverpool als Sohn eincs Handelsgärtners geboren,

dem er bis zu seinem 16. Lebensjahre bei seiner Arbeit
half. Ein paar Jahre später, 1773, begegnet er uns be-
reits als einer der Begründer der Gesellschaft zur Be-
förderung der zeiclmenden Künste in Liverpool, die die
erste Kunstausstellung in der englischen Provinz ver-
anstaltete. An die Spitze einer anderen ähnlichen Ge-
sellschaft trat Roscoe ein Jahrzehnt später, nach seiner
Verheiratung mit Jane Griffies; in den Ausstellungen
erscheinen Werke von Reynolds, Gainsborough, Füßli,
Stothard, Angelica Kauffmann etc. Die dauernde Be-
schäftigung mit der Kunst und eifrige Betätigung als
Büchersammler leiteten Roscoe zur literarischeu
Behandlung der Glanzzeit italienischer Kunst; 1790 bis
1796 schrieb er seinen Lorenzo de Medicis und 1798
bis 1805 sein „Life and Pontificate of Leo X.“, zwei
Bücher, die zahlreiche Auflagen erlebten und in und
außerhalb Englands nachhaltige Wirkung übten.

Botanik, Landwirtschaft und Bankwesen beschäf-
tigten den vielseitigen Mann, der überdies zum Parla-
mentsmitglied für Liverpool gewählt wurde. Diesc
Tätigkeit, neben der er seine Sammlung von Büchern,
graphischen Blättern und Bildern andauernd vermehrte,
erfuhr 1816 eine Unterbrechung, als ein Run auf seine
Bank ihn zeitweilig zahlungsunfähig machte und nötigte,
zur Deckung seiner Verbindlichkeiten seine Bibliothek
zu verkaufen. Ein Jahr später wurde Roscoe erster
Präsident der Liverpool Royal Institution, an die seiue
Bildersammlung kurze Zeit darauf gelangte; der
Katalog von 1819 — cr führt den charakteristischcn

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