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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Pazaurek, Gustav Edmund: Alte Gläser aus dem nahen Orient
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0116

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Quffaü 6* PaBaut’ek^Stuttgat’t

^oeben hat ein junger schwedischer Gelehrter der
^ Fachwelt ein Werk geschenkt, das sich mit einem
Schlage einen Ehrenplatz in unserer Literatur erobert
hat. C. J. L a m m hat bei Dietrich Reimer (Ernst
Vohsen) Berlin seinen bereits vorangegangenen Abbil-
dungsband der „mittelalterlichen Gläser und Stein-
schnittarbeiten aus dem nahen Osten“ nun auch den
tiberaus stattiichen Textband nachfolgen lassen, der
unsere gespannten Erwartungen noch bedeutend über-
troffen hat.

Daß ein junger Mann heutzutage noch oder wieder
ein so gründliches Werk schreibt, ist fast ein Wunder.
Ein außergewöhnlich reichhaltiges Material, das die an-
gestrebte Vollständigkeit tatsächlich fast auch erreicht,
eine fein und sorgfältig durchdachte Organisation in der
Anordnung des riesigen Stoffes, eine geradezu fabel-
hafte Gedutd in der vollständigen Bewältigung der sehr
ausgedehnten internatioualen Literatur, ein gründliches
Studium aller technischen Vorgänge der Glasbear-
beitung und Glasveredlung, wiederholte Reisen und
ausgiebige Studien in alten öffentlichen und privaten
Sammlungen in Europa, Amerika und namentlich im
Orient und schließlich ein Fleiß, der seinesgleichen
suclit, vereinigten sich hier, um ein Gesamtwerk zu
schaffen, das wir um so sympathischer begrüßen müs-
seu, als es in deutscher Sprache erschienen ist.

Die Tüchtigkeit des jungen Autors wurde allerdings
durch besonders günstige Etmstände unterstützt, die ein
so bedeutendes Unternehmen eigentlich erst ermög-
lichten. Wenn man den vornehmen Landsitz in Ros-
lags-Näsby bei Stockholm kennt, den sich Lamms über-
aus kunstsinnige Eltern geschaffen haben, wenn man
die daselbst angesammelten Kunstschätze gesehen und
das außergewöhnlich rege Interesse dieser Eltern für
kunstgeschichtliche Fragen beobachtet hat, begreift man
aucli die nicht geringe Opferwilligkeit, die die Schaffung
der kostbaren Bibliothek, die zahllosen Reisen, die
Sammlung des Studienmaterials, nämlich der wunder-
vollen altorientalischen Glasfragmente, die nebenbei
bemerkt jetzt dem Stockholmer Nationalmuseum ats
Geschenk überwiesen worden sind, und schließlich auch
die überaus opulente Drucklegung des Werkes erforder-
lich machten. Nicht geringer als die materiellen Opfer
ist aber auch die liebevolle persönliche Teilnahme der
Eltern an dem stolzen Werk ihres Sohnes, an dem seine
Mutter z. B. auch als Mitarbeiterin bei den Zeichnungen,
Exzerpten und Korrekturen rühmlich beteiligt ist. Ein
giitiges Geschick, das so günstige Voraussetzungen
schuf, hat es aber auch gefügt, daß einige der besten
Männer Einfluß auf die Entwicklung des jungen Autors
genommen haben und seinem Forscherdrang die glück-
lichsten Richtungen weisen konnte; es sei hier nur sein
Lehrer, der Stockholmer Professor R o o s v a 1 ge-
nannt, der die sonst so seltene Gabe besitzt, ohne Wort-

schwall alles Wesentliche wunderbar anschaulich her-
auszuarbeiteu, sowie unser Friedrich S a r r e , der allen
bekannte Direktor der islamischen Abteilung der Ber-
liner Museen. Aber auch die beste Konstellation allein
wäre nicht ausschlaggebend; schließlich ist es doch der
Verfasser, der in seiner beispieHosen Hingabe an seinen
Gegenstand ein Werk ermögtichte, das von einigen
kleineren Schönheitsfehlern abgesehen die ganze bis-
herige Literatur über die Glasveredtung des näheren
Orients, namentlich auch alle französischen und eng-
lischen Werke darüber um mehrere Pferdelängen hinter
sich zurückläßt.

Durch die Trennung des rrafelbandes vom noch
umfangreicheren Textband, der aber auch Tafeln und
zwar gerade die herrlichsten Farbenlichtdrucke enthäit,
wird die Benützbarkeit des Werkes allerdings nicht ge-
rade erleichtert, zumal der Abbildungenband sich fast
uur auf Num'erierungen beschränkt und nicht einmal die
knappsten Ortsbezeichnungen hinzufügt; man muß so-
mit stets beide Bände nebeneinander vor sich liegen
haben.

Der riesige Stoff ist in der Hauptsache nach tech-
nischen Gesichtspunkten geordnet, nachdem der Ver-
fasser, der bereits durch seine frühere Schrift über das
Glas von Samarra seine Legitimation erwiesen hat, in
sehr ausführlichen „Vorbemerkungen“ wie durch die
„einieitende Uebersicht“ zu den einzelnen Abschnitten
und schließlich durch zahlreiche, bisher zum Teile noch
nicht beachtete Exzerpte aus aften Schriftquellen alles
Wissenswerte aus der Geschichte und Technik der
Gfasbearbeitung, soweit diese Aegypten und Vorder-
asien betreffen, anschaulich zusammengestellt hat. Eine
Anordnung nach Ursprungsgebieten hätte die Ueber-
sichtlichkeit ungemein erschwert, weshalb sich der
Verfasser mit Recht darauf beschräukt, diese nur in
einem Verzeichnis festzuhalten.

C. J. L a m m begint bei den undekorierten Gläsern,
erörtert dann die in Tonformen geblasenen, mit Zange
und Schere sowie mit Stempeln bearbeiteten Stücke,
dann jene mit aufgelegtem Schmuck, auch mit den ge~
kämmten Fäden oder verwärmten Brocken, denen sich
die früheren emailbemalten, vergoldeten und lüstrierten
Stücke anschließen. Die geritzten (gerissenen), ge-
schliffenen und geschnittenen Objekte, darunter die be-
rühmte Gruppe der sogenannten Hedwigsgläser bilden
die Ueberleitung zum Steinschnitt und Steinschliff, dem
der zweite große Abschnitt des Buches gewidmet ist.
Der Zusammenhang von Glas- uitd Edelsteinveredlung
berührt uns besonders sympathisch, zumal die bisherige
Literatur dies nicht immer eutsprechend berücksich-
tigte. Leider ist gerade in diesem Kapitel die Achilles-
ferse des Werkes zu suchen. Zahlreiche Objekte, deren
orientalische Herkunft der Forschung irnrner bedenk-
licher erschien, sind hier noch als „wahrscheinlich

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