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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Januarheft
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Oppeln-Bronikowski, Friedrich von: Neues aus dem Ägyptischen Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0144

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JSeues aus dem Ägyptifcben jviufeum

oon

fviedvict) von Oppeln sßeontkoiüski

Die einzige Abteilung der Museen auf der Berliirer
Spreeinsel, die bei dem Festreigen der Hundert-
jahrfeier im Schatten stehen mußte, war die ägyptische.
Im Schatten stehen ist hierwörtlich zu nchmen, denn es
fehlt ihr, wie man auch aus den Fcstrcden vernehmen
konnte, an Licht und Raum. In dem teils sehr dunklen
Erdgeschoss von Stülers Museumsbau herrscht quet-
schende Enge, und manche wichtigen Fundstücke
führen ein Schattendasein im Magazin. Nur für die
Amarnafunde hat man nach dem Kriege durch den Aus-
bau eines Lichthofes Licht und Raum schaffen können;
vor einigen Monaten ist ganz Berlin zu ihnen gepilgert,
um von ihrem Glanzstück, der schönen Königin Nofre-
tete, einen zum Glück unnötig gewordenen Abschied zu
nelunen. Der Erweiterungsbau für das Aegyptische
Museum dagegen, der in Verbindung mit dem neuen
Messelbau geplant war, ist aus Geldmangel aufgegeben
worden, und so muß es bis auf weiteres im Schatten
bleibcn. Es ist gleichwohl lüclit untätig geblieben, und
es fehlt aucli ihm niclit an wertvollen Neucrwerbungen
und Neuordnungen. Man schuldct ilnn also die Genug-
tuung, Notiz davon zu nehmen.

Zu dem Glanzstück der Königin Nofretete gesellt
sich jetzt ein neues, abermals eine Pharaonin aus dcm
Neuen Reich (um 1480), deren Schicksale im Leben wie
nach dem 4'ode noch merkwürdiger waren als die ihrer
gekrönten Nachfolgerin. Es ist die Königin
Hatschepsut, eine der ganz wenigen r e g i e r e n-
d e n Pharaoninnen, deren gewaltiger Totentempel in
Delir el Bahari auf dem linken Nilufer gegenüber von
Luxor, der Stätte des hunderttorigen Thebens, allen
Aegyptenreisenden bekannt ist. Das Berliner Museum
besaß bereits einige Reliefbruchstücke aus diesem
Tempel, besaß auch die merkwürdige kubistische Sitz-
statue des Senmut, des höchsten Beamten und Günst-
lings der Königin, der zugleich Erzieher ihres Töch-
terchens, der Prinzessin Ranofret, war, mit der er sicli
zusammen abbilden ließ. Scliließlich besaß das Museum
aucli den Porträtkopf dcr Königin selbst mit angebun-
denem Königsbart, denn sie ist stets, obwohl als Frau,
mit den Attributen des Königs dargestellt, da sie ja
Herrscher war. Zu diesem Kopf hat sich nun bei
den amerikanischen Ausgrabungen in Dehr el Bahari
ihr Körper in Gestalt eines in hundert Stücke zerschla-
genen, liegenden Löwenleibes gefunden. Vom Museum
erworben und mit dem Kopfe zusammengesetzt, steht
diese wiedererstandene, hellrote Granitsphinx jetzt in
der Mitte des großen Säulenhofes, von ausgewählten
Statueen aller Epochen umgeben, auch als weibliche
Spinx ein Unikum, denn in Aegypten ist d e r Sphinx ja
ein Löwe mit Männerhaupt, das Symbol der Königs-
macht; erst in der Spätzeit begegnen wir unter griechi-
schem Einfluß weiblichen Sphingen (Serapeum in
Memphis), die ihre Vorbilder im vorderasiatischen Kul-

turkreise haben (so die beiden verschleierten Sphingen,
die Max Frhr. von Oppenheim bei seinen erstaunlichen
Ausgräbungen im Tell Halaf gefunden hat und die sich
jetzt gleichfalls in Berlin, in seinem Museum in der
Franklinstraße 6, befinden.)

Die Sphinx der Königin Hatschepsut ist also eine
Ausnahme wie sie selbst, ein Königsbild mit weiblichen
Zügen und ein Meisterwerk ägyptischer Kunst, freilich
ein Idealbild, von ewiger Jugend verklärt, ohne den
überraschend persönlichen Ausdruck, den das Bild-
hauermodell der schönen Nofretete zeigt. In der gleichen
Verklärung erscheint sie auch auf einem anderen Bild-
werke, das ebenfalls aus den neuen amerikanischen Aus-
grabungen stammt, einer knieenden hellroten Granit-
statue, die die Königin bei einer religiösen Zeremonie
zeigt. Auch dies Stück ist besonders merkwürdig als
eins der ganz wenigen unzerstörten Denkmäler
Hatschepsuts und durch seine noch wohlerhaltene Be-
malung, die 3400 Iahre alt ist. Am merkwürdigsten aber
sind die persönlichen Schicksale der Dargestellten.
Manches von ihnen ist noch rätselhaft und hat in der
Darstellung durch neuere Forscher die widerspruchs-
vollsten Lösungen gefunden; was klar zu Tage liegt,
bleibt noch immer fesselnd genug.

Folgen wir der Darstellung des Leipziger Aegypto-
logen G. Steindorff, so war Hatschepsut die einzige legi-
time Thronerbin des Pharaos Thutmosis I., der außer
dieser Erbtochter nur noch zwei Söhne von Neben-
frauen hatte, beide gleichfalls Thutmosis genannt. Mit
dem älteren von ihnen, dem späteren Thutmosis III.,
vermählte der Vater seine Tochter, um seine Dynastie
fortzusetzen, nachdem er Hatschepsut hatte krönen
lassen. Ihrem unebenbürtigen Gatten hatte er also nur
die Rolle des Stammhalters und Prinzgemahls zuge-
dacht. Doch er hatte nicht mit seinem Ehrgeiz ge-
rechnet. Verworrene Verhältnisse, in denen er selbst
abdankte, die Herrschaft wieder an sich riß und sie mit
seinem jüngeren Sohn Thutmosis II teilte, führten zu
einem Neben- und Gegeneinanderregieren aller vier, bis
schließlich der Tod Thutmosis’ I und II dies Wirrsal
löste und Hatschepsut als Alleinherrscherin übrig blieb.
Zweimal versuchte ihr ehrgeiziger Gatte sie vom Thron
zu stoßen, zweimal wurde er von ihr auf die Stellung des
Prinzgemahls zurückgedrängt. Diese Ehe war gewiß
niclit sehr glücklich. . . . Hatschepsut gebar nur eine
Tochter, die schon genannte Ranofret, und schließlich
starb sie im Wochenbett; ihre Mumie und die ihres tod-
bringenden Kindes liegt jetzt in einem der gläsernen
Sehneewittchensärge des Museums zu Kairo.

So hatte Thutmosis III. denn endlich das Ziel seines
Ehrgeizes erreicht. Er, der nur zähneknirschend die
friedliche Herrschaft seiner Gattin ertragen hatte, deren
Glanzpunkt eine Expedition nach dem Gold- und Weih-

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