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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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Juli-Augustheft
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Schapire, Rosa: Die Byzantinische Ausstellung zu Paris
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Riess, Margot: Maria Slavona: 1865-1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0340

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und viele andere haben Stoffe von einer solchen
Pracht ausgestellt, daß wir alle Opfer begreifen, die
europäische Ftirsten gebracht haben, um in den Besitz
dieser Kostbarkeiten zu gelangen, die ihnen den
Orient verkörpert haben. Was aber wäre mit dem
Adlerstoff auf gelbem Grund (heute im Besitz der
Kathedrale zu Auxerres) und dem aus Palermo starn-
menden rotseidenen, mit goldenen Adlern bestickten
Aiantel zu vergleichen, der angeblich einst Karl dem
Großen gehört hat? (10. Jahrh., heute in der Kathe-
drale zu Metz.)

Unter den Miniaturen sei an erster Stelle —- er zäldt
für viele — der Codex purpureus aus Rossano (6. bis
7. Jahrh., heute in der Kathedrale zu Rossano in
Kalabrien) erwähnt. WeiBe Frauen mit Fackeln in
dcn Händen stehen streng und feierlich gegen
schwarze Bäume und den purpurnen Hintergrund.
Von den über vierzig ausgestellten Büchern und
Manuskriptseiten gehört der weitaus größte Teil der
Bibliotheque Nationale zu Paris und ist in deren
Schauraum ausgestellt. Darunter sind Bände wie die
theologischen Schriften des Dionysus Aeropagitus, die

iji karolingischer Zeit einem französischen Könige als
Geschenk durch eine orientalische Gesandtschaft
überbracht wurden und ein Neues Testament aus
dem 13. JahrJiundert, das Paleologus, der griechische
Kaiser, dem Heiligen Ludwig von Frankreicli ge-
schickt hat.

Bei der VoJlkommenheit, die aucli den kleinsten, dem
täglichen Lel)en dienenden Gebrauchsgegenstand aus-
zeichnet und ihn zum Exponenten des Kunstwollens
seincr Zeit stempelt, empfindet man, daß .jene so
törichte Trennung von „großer“ und „angewandter“
Kunst bei byzantinischer Kunst völlig unangebracht
ist.

Bei einem Gang durcli die Ausstellung, der ein
Gang durch Jahrhunderte ist, wird ein Stück Ge-
schichte lebendig. Die verschiedensten Rassen und
Völker ziehen kaleidoskopartig an uns vorbei; Spu-
ren iüres Wesentlichsten, ihres scliöpferischen, ge-
staltenden Priebes, machen uns ihr Bild einprägsamer
als alle iiberlieferten Namen und Daten. Hebbels
Worte drängen sich auf: „Was JäeiJü iibrig von einem
Volke? Das, woran das Volk seine Freude liatte.“

Maria Slavona

1865 — 1931

Von

Margot Rieß

Mit einem „J’accuse!“ müßte man eigentlich einen
Nachruf fiir Maria Slavona Jjeginnen*). Denn in jeden
Versnch, ilir Werk, nun da es als etwas Endgültiges,
Abgeschlossenes, aller Relativität Enthobenes vor uns
stelit, zu wiirdigen, misclit sicli unwillkürlich die An-
klage gegen diejenigen, die Jiier keine Augen liatten,
zu sehen. Und daß es eben vielfach gerade die
waren, die berufen scheinen, Größen steigen und
fallen zu lassen, Genies zu schaffen, Kräfte zu
steigern oder zu entmutigen, macht den Fall so
bitter. Erst jetz t, anläßlich der aufweckenden
Tatsaclie ilires Todes, gelit ein allgemeines Aufmerken
an: man spiirt, daß es sicli liier um eine ganz lieson-
ders starke, in ihrer Art selten gewordene malerisclie
Kraft liandelt, daß etwas ganz und gar Ausgegliche-
ncs, in sicli Schwingendes dieser Kunst eigen war.
Das heißt, gewußt liat man das ja eigentlicli aucli in
Berlin schon lange, mindestens seit der Cassirersclien
Ausstellung von 1912, nur man hat es im Wirrwarr
des aktuellen Kunstgetriebes eben zu wenig beachtet,
so daß man von dieser Kiinstlerin vielleicht para-
doxerweise sagen muß, sie war „berühmt aber un-
bekannt“.

Freilich war es in Deutschland von jeher schwer,

*) Eine Gedächtnisausstellung für Maria Slavona ist für den
Herbst, 10. Oktober, in Yorbereitung. Diese Schau der nach-
gelassenen Werke der Meisterin wird von Geheimrat Dr. Ludwig
Justi in der Modernen Abteilung der National-Galerie (ehem.
Kronprinzenpalais) inszeniert.

eine Kunst durchzusetzen, der jede Problematik fern-
lag, deren Wesen isi, einfach da zu sein und schön
„selig in sich selbst" zu sein. Und wenn wir von weib-
lichem Künstlertum feststellten, daß es in einem en-
geren Sinne als das des Mannes unmittelbarste Aus-
strahlung menschlichen Wesens zu sein pflegt, viel-
facli mehr ethisch orientierte Verpflichtung und per-
sönlichstes Bekenntnis als bloßer, von allem Persön-
lichen abgelöster Dienst am Werk, so gibt Maria SJa-
vona und ihre Kunst uns dafür ein besonders be-
gliickendes Beispiel. Denn das gleiche, das den eigcnt-
lichen Zauber ihrer Kunst ausmachte, gab auch dem
Zusammensein mit ihr das überaus Wohltuende und
läßt sich ajn besten wohl mit dem Worte kennzeich-
nen, das sie selber gern gebraucht hat: clas Selbsiver-
ständliche. Es liegt jedenfalls darin das alte instinkt-
hafte Wissen 11111 Tun nnd Sein des wahrhaften Kiinst-
lers, der „wie der Vogel singt, der in den Zweigen
wohnet“. Tatsächlich A\rar ihr Malen ein Jubilieren
und Musizieren in Farben, ein immerwährendes Lob-
preisen der farbigen Schönheit dieser Welt, wie sie
sich in der sublimiertesten Form in Blnmen. immer
wieder in Blumen darbringt.

Und sie war als Malerin durchaus Gelegenheits-
dichter im Goetheschen Sinne, man fiihlt, daß fast ein
jedes ihrer Bilder aus einem unmittelbaren lebendigen
Anlaß stammt. Da hängt etwa ein alter kupferner
Kochkessel in einer niedrigen Schweizer Bauernstube,
 
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