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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI issue:
1./2. Septemberheft
DOI article:
Hartog, A. H. de: Die neue Sachlichkeit in Holland: Randbemerkungen zu Amsterdamer Ausstellungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0026

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Bataüus — Amßctdam

/\/laii sollte meinen, daß die Bestrebungen der Neuen
* * * Sachlichkeit in Holland einen besonders günstigen
Boden fänden. Denn ist nicht gerade das, was mit den
Hauptreiz der holländischen Kunst ausmacht, von
van Dyck bis Vermeer, die unverrückte Treue gegen-
über dem Objekt?

Wouter Schram, „Das Bild, das die meiste.n Stimmen erhielt“

Und doch scheint mir ein nicht wichtiger Unter-
schied zu bestehen, der leicht übersehen wird. Die
alten holländischen Meister setzen die Dinge stets im
ewig wechselnden Spiel des Lichtes, und darin kam
die tiefere Seite ihres Wesens, der mystische Einschlag
(der bei Rembrandt dann am stärksten war), die
L i e b e zu den Dingen zu ihrem Recht.

Aber die neue Sachlichkeit, so wie sie von Deutsch-
land herübergeweht ist, ist von Haus aus materialistisch
und rationalistisch, also das Gegenteil; sie weiß nichts

von Liebe und ist quasi wissenschaftlich eingestellt;
sie will sozusagen die Substanzen der Dinge darstellen,
ihre fest geprägten Formen, so wie sie an sicli sind, in
dem klaren Licht des hellen Tages, im Gegensatz zum
Impressionismus, der an den Objekten zweifelt und nur
schnell vorbeihuschende Impressionen kennt. Die neue
Sachlichkeit abstrahiert gerade nach Möglichkeit von der
veränderlichen, farblichen Erscheinung, die sie in Akzi-
dens, ja gar eine optische Täuschung dünkt. Dadurch
wirkt diese Kunst so kühl, so unpersönlich — so nerven-
berulhgend. Wir verlangen heute wieder nach Sicher-
heit, nnd diesem Drank kommt sie entgegen.

In diesem Sinne sachlich, bis zur Nüchterheit und
Trockenheit sachlich, waren im Gegensatz zu der
Reihe: van Eyck—Vermeer in ganz besonderem Maße
die späten Holländer der Verfallzeit, die Kleinmeister
des Figurenbildes, die Dou, die Mierisse, die Tovren-
vliet und dann vor allem die Stillebenmaler, eine hollän-
dische Spezialität, die Mignon, die Ruysch und die van
Huysum, die keinen Tautropfen in den Blütenkelchen
vergaßen, keinen Schmetterling, keine Fliege weg-
ließen, die sich irgendwo sonnten oder naschten.

Zu diesen Exzessen lassen sich die modernen
holländischen Maler, die der Neuen Sachlichkeit huldi-
gen, allerdings nicht verleiten. Doch stehen sie durch
eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber der Farbe die-
sen Stillebenmalern der Verfallzeit vielleicht am näch-
sten; und sie bekunden auch eine besondere Vorliebe
für das Stiileben, speziell für die Gebrauchsgegenstände
des täglichen Lebens, für die schön sich rundenden und
spiegelnden, sauberen Formen der Kannen, Gläser und
Schüsseln, in denen sich ihre Freude an der zweck-
mäßigen, rationellen Gestaltung dieser Dinge ausspricht.
Im Grunde handelt es sich hierbei nicht mehr um Natur-
gegenstände, um n a t u r e s mortes, sondern um von
Menschenhand oder noch lieber von der Maschine her-
gestellte Fabrikwaren.

Die Schönheit der Maschine hat es diesen Malern
angetan, die logische Struktur eines Autos, einer Flug-
maschine, der organische Bau eines großen Schiffes,
und so malen sie Hafenbilder, weil sie die großen, regel-
mäßigen Formen der Ozeandampfer reizen, wie wir
dergleichen kürzlich auf der großen Ausstellung der Un-
abhängigen im Städtischen Museum von W i m
B o s m a sahen, oder die künstlichen Gebilde auf einem
Karussel, wie das K o c h auf einem Bilde derselben
Aussteliung getan: seine hölzernen Schimmel in ihrem
neuen Anstrich, mit ihren eckigen Formen und erstarr-
ten Gebärden sind in ihrer Art vortrefflich; aber das
Ganze ist in seiner Exaktheit doch auch stillebenartig
aufgefaßt, wie die Schiffe von B o s m a.

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