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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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Juniheft
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Born, Wolfgang: Der Ausbau der russischen Museen
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Zülch, Walther Karl: Das Jüngste Gericht des Martin Caldenbach 1502
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0305

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Räume (deren Liclit viel zu wünsclien iibrigläßt) sind
meist den einzelnen Meistern gewidmet. Am großartig-
sten sind Cezanne und Picasso vertreten. Der rlihrige
Direktor, M. B. Ternovetz, konnte 1925 und 1927 in
Paris noch Beispiele der jüngsten Entwickelung dazu-
erwerben (Derain, Ozenfant, Modigliani, Gromaire
u. a.), aber der Umschwung von der ästhetischen zur
politischen Einstellung zeigt sich neuerdings deutlich
in der Einrichtung eigener Säle fiir die Künstler der
proletarischen Revolution, zn denen Käthe Kollwitz
und vor allem Masereel gerechnet werden — der letz-
tere, dessen Oeuvre in besonders ausführliclier Weise
gezeigt wird, fällt qualitativ ganz aus clern Niveau.
Befremdend wirkte eine Ausstellung der Malereien des
Dichters Rabindranath l agore, der, auf seinem Besucli
in Moskau höchlichst umworben, seine Arbeiten in
dieser Umgebung zeigte. Es sind dilettantische Plian-
tasien, wie man sie in theosophischen uncl spiritisti-
sclien Kreisen prodnziert, also zugehörig zu einem
Gebiet religiösen Lebens, das als „Sektiertum“ inner-
lialb der Sowjetunion ganz besonders streng verboten
und verfolgt wird. Die Erscheinung des soigriierten
fnders in seinem wallenden Gewand bei der feier-
lichen Eröffnung unter den Yertretern der modernen
russischen Intelligenz war ebenso aufschlußreich für
die kulturpolitische Situation des Ostens wie grotesk.

Die volksbildnerische Tätigkeit der Zentralregie-

rung liat aber nicht nur in deu Ilauptstädten eine
eifrige Tätigkeit entfaltet. Aucli in cler Provinz siud
sehr viel neue Museen gegründet und alte erneuert
worden. Nowgorod z. B., die alte Residenz der skan-
clinavischen Fürsten am Wolchow (nicht zu verwech-
seln mit Nischnij-Nowgorod), besitzt neben einer hiib-
sclien Sammlung neuerer und neuester russischer
Kunst ein historisches Museum vorbildlicher Art. Von
den Ausgrabungsergebnissen, die für die Friili-
geschichte Rußlands selir wichtig sind, bis zum Barock
erhält man Einblick in die Provinzkunst, die in die-
sem Falle eigentlich die Kunst der Zentrale ist. Denn
Nowgorod, als einstige Hauptstadt einer nordrussi-
schen Republik, beherbergte im 14. und 15. Jahrhun-
dert die führende Schule der Ikonenmalerei, wie es
seit dem 12. Jahrhunclert in seinen Fresken führend
gewesen war. Der Saal der Ikonen im Nowgoroder
Museum ist denn auch eine der herrlichsten Kunst-
stätten der Welt geworden, und es ist nicht zuviel ge-
sagt, wenn man belmuptet, daß Nowgorod für den
Kunstfreund der Zukunft eine ähnliclie Bedeutung
haben wird wie Florenz für clas neunzehnte jahr-
hundert. Die Synthese zwischen der byzantinischen
Kunst und dem Norden, cliese weltgeschichtliche Lei-
stung Rußlancls, ist von nnermeßlicher Bedeutung fiir
Westeuropa, das sich seit der Renaissance imnier wie-
der vor die Eösung ähnlicher Probleme gestellt sieht.

Das Jüngste Gericht des Martin Caldenbach 1502

Von

W. K. Zülch-Frankfurt a.M.

Die abgebildete lavierte Federzeichnung (Dresden,
Kupferstichkabinett Nr. 1910—7, Unbekannt; IL. 26,1,
Br. 43,7 cm) trägt, von einer Hancl aus dem Anfang
des 16. Jahrhunderts aufgeschrieben: „Dises stuck ist
gemalt gewest offin Ronier off Richt Flaus, aber mut-
willig verwust w(orden)." Der auf den Frankfurter
Römer deutende Inlialt der Aufschrift veranlaßte
Herrn Dr. Schilling, mir die Kenntnis uncl Foto des
interessanten Blattes zu vermitteln. Es ftigte sich
zwanglos zwei mir bekannten Urkunden an, „illu-
strierten“ cliese in glücklicher Weise, claß das Ergebnis
eine willkommene Bereicherung unserer Kenntnis cler
mittelrheinischen Kunst um 1500 ist. Das Frankfurter
Bürgermeisterbuch registriert 1502, 18. Januar: „Ilan-
sen Hcssen dem fürsprecher eyn halben Schilling gul-
den fiir eyn vererung fiir clas gericht, er am scheffen-
stule gemalet hat, schenken.“ Das besagt, claß der
Maler Hans Caldenbach gen. Heß (tätig 1466—1504f),
der seit 1478 das Amt eines Fürsprech (= Rechts-
anwalt) innehatte, fiir den Sitzungssaal des Schöffen-
gerichts im Römer ein Jüngstes Gericht gemalt hat
und nun vom Rat ein Ehrengeschenk erhält. AVer den
Bildauftrag erteilte und wie hoch das Honorar war,

erfahren wir nicht. Die Ausführung dieses Rats-
beschlusses muß als Ausgabe folgerichtig auch im
Stadtrechenbuch erscheinen; dort steht: 1502. 22. Jä-
nuar „Duch uff dem Gerichthus. 6 Gulden geschenckt
Elansen Hessen dem nialer fiir claß gemalt duch, daran
das J üngstgericht steet uff clem gerichthuß. Item
I gulden synem son geschenckt zu verdrincken.“ Ein-
mal hören wir die wichtige Tatsache, daß es kein
Tafelbild war, sondern ein Tuch. Das Gerichtszimmer
im Rörner — die unterste große Ratstnbe — cliente
auch ancleren Zwecken, cla war es bequemer bei den
Gerichtssitzungen, ein leicht transportables Tuch
hinter clen Schöffen aufzuhängen, als eine schwere
Tafel. Ferner hören wir, daß die 6 Gulden (= eyn
lialb schilling gulden) wirklich das Honorar waren.
Erstaunlich ist dann aber das liohe „Trinkgelcl“ fiir
clen Sohn, cler kein anderer sein kann als der bekannte
Martin Caldenbach genannt Ileß. Der Sinn dieser Aus-
zeichnung kann doch nur der sein, daß cler Sohn und
Cehilfe Martin in ganz erheblicher Weise an der Aus-
fiihrung beteiligt war. Auftrag und Bezahlung war an
das Haupt der Werkstatt. den alten Maler Hans Ffeß,
gegangen. Ich halie friiher nachweisen können, daß
 
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