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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Dezemberheft
DOI Artikel:
Hübner, Paul: Über die Heilung von Papierkrankheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0110

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Paul Hübncc—pecibutjg t. B.

Der Restaurator und Konservator der Städti-
sclien Sammlungen in Freiburg im Breisgau ver-
öffentlicht im folgenden einen die gesamte Kunst-
welt interessierenden Aufsatz.

Das Verfahren, Papierkränkheiten zu heilen, ist kei-
nesfalls eine moderne Technik. Sie ist schon seit
Jahrunderten in Uebting: und verfiigt über eine umfang-
reiche Literatur. Die Heiiung wurde aber nicht nach
wissenschaftlichen Methoden betrieben und somit waren
die Erfolge in den weitaus meisten Fällen sehr zwei-
felhafter Na.tur. Hat man sich mit dieser Literatur näher

Rosa Bonheur, Bleistiftstudie

beschäftigt, so ist man entsetzt darüber, welche Säuren,
Salben, Seifen, Laugen usw. als heiibringende Medika-
mente empfohlen werden. Sogar jetzt noch werden in
Lehrbüchern, Zeitschriften und Zeitungen z. B. Bleich-
mittel empfohlen, die wohl Augenblickserfolge erzielen,
aber neue und oft gefährlichere Krankheitskeime dem
, geheilten“ Papier zuführen, wodurch es in nicht allzu-
ferner Zeit gänzlich zu Grunde gerichtet wird. Es ist
erstaunlich, wer alles erkrankte Druckgraphik, Zeich-
nungen und Urkunden „pfleglich“ behandelt bezw. wem
sie gutgläubig, sogar von Museen und ernsthaft zu neh-
menden Samm'lern anvertraut werden. Der größte Teil
dieser „Heilkünstler“ sind Vergolder, Rahmenmacher,
Buchbinder und Trödler. Haben sie die zur Heilung
erkrankter Papiere erforderlichen papiertechnischen
und chemischen, besonders bakteriologische und myko-
logische Studien getrieben? Bestimmt nicht! Man
fühlt sich wahrhaft ins düsterste Mittelalter zurück-
versetzt, wo man sich alten Weibern anvertraute, um

eiternde Wunden mit Spinnengewebe und Speichel hei-
len zu lassen. Erst in neuester Zeit werden wissen-
schaftliche Methoden ausgebildet, nach denen haupt-
sächlich die Beseitigung der Ursachen der Papier-
erkrankungen, also nicht nur die Beseitigung von deren
Wirkungen erstrebt werden.

Die hauptsächlichsten Papierkrankheiten sind Blau-
fäule, Rotfäüle, Grünfäule, Schwarzfäule, Weißfäule,
Trockenfäule, Stick- oder Braunfäule, sowie Schimmel-
und Flechtenwucherungen und die dadurch ent-
stehende Schwächung der Papierfasern. Moder-
flecken sind die schwersten von allen Papier-

Nach der Konservierung

erkrankungen, denn der Moder frißt sich, wenn
er nicht gründlich entfernt wird, durch das Papier
hindurch, ja, wenn eine Anzahl Blätter übereinander
liegen, frißt er sich durcli alle Blätter und löst sie lang-
sam auf. Die Ursache ist in den meisten Fällen nach-
lässige, unsachgemäße Aufbewahrung und Handhabung,
die die „Papierfeinde“ aus dem Pflanzen- und Tierreiche
herbeilocken und Erkrankungen hervorrufen. Papiere
können die Krankheitskeime ihrer raschen Selbst-
auflösung auch in sich tragen, Druckfarben, Füllmaterial
und Freiharzleimung können die Ursachen des Zerfalls
werden oder ihn begünstigen. Besonders wenn Natron-
und Sulfitzellstoffe und Holzschliffe verwendet werden,
was für Papiere etwa von der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts an zutrifft. Vorher wurden die Papiere aus
Textilfasern mit tierischem Leim und meistens ohne
Füllmaterial hergestellt. Trotzdem diese Zusammen-
stellung und die Art der Herstellung den Selbstzerfall
ausschließen, so tragvn sie dennoch Anlagen zu Erkran-

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