Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
Maiheft
DOI Artikel:
Alten, Wilken von: Der Maler Henry Roessingh
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0272

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Maler Henry Roessingh

von

W. von Alten-Bremen

Henry Roessingh, Bremer von Geburt, seit fast
einem Jahrzehnt meist in Paris lebend, malt dort, in
Südfrankreich, in London, am liebsten aber in den
Küstenorten der Normandie. Den gefährlichen Friih-
ruhm, der seiner ungewöhnlichen Begabung wohl er-
reichbar gewesen wäre, hat der jetzt Dreifiigjährige
bewuBt gemieden, zufrieden, wenn ein halbes

sich zu entschuldigen. Wobei man also als selbstver-
ständlich voraussetzt, daß man so banausisch sei, daß
das Geniale uns verletzen müsse.

Roessinghs BiJder liaben Tradition. Schon bevor er
nach Paris ging, hatte er die Überlieferung der guten
französisclien Malerei als die seinem Wesen ent-
sprechende erkannt. 13en Zwanzigjährigen inter-

H. Roessingh: „Stilleben“

Dutzend Freunde — in Berlin, in Paris und in seiner
Heimatstadt — seine Malerei I ielvte.

Fern der modisclien Sucht „Ausdruck der Zeit" sein
zu wollen, wobei stets Malerei mit anderen Dingen
verwecliselt wird, wollte Roessingli immer nur „gute
Malerei" maelien, vertrauend, daß. wenn ihm dieses
gelänge, es schon ganz von selbst Ausdruck der Zeit
und seiner scll)st — was erheblich wichtiger ist —
sein würde.

Roessingli hat Gesclnnack, den spezifiscli male-
risclien Geschmack, den man Musikalität des Auges
nennen kann. Das sielit man lieute ungern. Man will
das Genie und hat den Aberglauben, dieses müsse er-
schrecken, auf die Fiiße treten — sozusagen —, ohne

essierte damals in erster Linie die neue mit lauter
Propaganda aufgenommene Malerei Henri Rousseaus.
Docli sclion bald liatte er, aller Sensation abhold,
gleichsam eine festere, klassische Grundlage suchend,
sicdi den großen Meistern des französischen 19. jalir-
hunderts zugewandt. Manet, Renoir, Delacroix und
immer mehr Delacroix. Also der Romantiker der Ro-
mantik und die des Impressionismus wurden seine
Helden. Sie verschaffen ihm das Fundament, auf dem
er dann eine Malerei aufgebaut liat, die, im grund-
sätzlichen der verwandt, welche l)ei uns Rudolf Groß-
mann treibt, bald der Bonnards, bald der Rouaults
sicli nähert, die sehr „europäiscJi” ist und jedenfalls
allen abstrakten Tendenzen unserer Zeit fernsteht.

260
 
Annotationen