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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Novemberheft
DOI Artikel:
Schmidt, Paul: Die Bildergalerie von Sanssouci
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0081

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Dte BÜdeegaletne üon Sansfouct

oon

Paut f. Scbmtdt

I ii diesem Sommer wurde die neugeordnete Bilder-
1 galerie Friedrichs des Großen in Sanssouci wieder
eröffnet. Der Preußische Kultusmiuister hatte zu eiuer
kleinen Feierlichkeit eingeladen, man trank in dem lang-
gestreckten Saale Tee und genoß ein Musikprogramm,
das von Reiche und Friedrich d. Gr. bis zu Mendelssohn
reichte und vom Domchor und Studierenden der Musik-
hochschule unter Prof. Gmeindl ausgeftihrt wurde.

Man konnte sich keine anmutigere Wiedereinfüh-
rung in diese sehr besondere Sammlerwelt des 18.
Jahrhunderts denken; Raum, Bilder und Musik machten
in unnachahmlicher Weise eine liöhere Einheit, in der
sicli die Menschen der Gegenwart fremd aber geistig
durchaus erhölit und angeregt vorkommen mußten.

Tatsächlich war die Lieblingsschöpfung des Großen
Königs fast in Vergessenheit geraten, und es geliört zu
den vielen Verdiensten, die sicli die Verwaltung
d e r S t a a 11 i c h e n S c h 1 ö s s e r u n d G ä r t e n
um die Erschließung und Restaurierung des altpreußi-
schen Kulturbesitzes erworben hat, daß sie auch hier
den alten Zustand (von etwa 1770) wieder hergestellt
hat, so weit dies möglich war, und die Sammlung nun
dem Publikum nachdriicklich in Erinnerung bringt. Das
Verdienst daran gebührt Frl. Dr. Elisabeth
Henschel-Simo n, die mit großcr Umsiclit die
Neuordnung geleitet und die beiden Kataloge verfaßt
hat. („Die Bildergalerie von Sanssouci“, die dic Ent-
stehung der Galerie und des Baues schildert, und den
eigentlichen wissenschaftlichen Katalog „Die Gemälde
und Skulpturen in der Bildergalerie von Sanssouci“;
beide vom Deutschen Kunstverlag, Berlin, vortrefflich
ausgestattet.)

Seitdem die schönsten Stücke der Sammlung 1829
für das Berliner Museum herausgesucht worden waren,
ist ihr Ruhm und ihr Besuch immer melir zurückgegan-
gen. Hinzu kam dic Nichtachtung aller Barockkunst im
19. Jahrhundert, denn Friedrich liatte, nachdem seine
Vorliebe für die frarizösische Malerei dcs 18. Jahrhun-
derts von Watteau bis Lancret nicht standgehalten
hatte, seit 1755 nur noch Italiener und Niederländer der
Barockzeit und einige Meister der Renaissance ge-
sammelt. Einige der schönsten Rembrandts und Rubens
sowie die Leda und Jo des Correggio irn Kaiser
Friedrich-Museum stammen aus seinem Besitz. Der
Rest, der in Sanssouci verblieb, schien nicht mehr be-
sonderer Beachtung wert. Und so kam es, daß dic Neu-
herrichtung in altem Zustand uns eine Ueberraschung
gebracht hat, die wie das Geschenk von etwas ganz
Unbekanntem empfunden wurde.

Dadurch, daß eine Anzalil Bilder, die zerstreut
waren, z. T. sogar aus dem Kaiser Friedrich-Museum,
wieder nach Sanssouci gebracht worden sind, und daß
der alte Zustand von 1770 fast vollkommen wieder her-

gestellt werden konnte, hat man allerdings eine ganz
neue Anschauung vom Museumswesen des 18. Jahr-
hunderts gewonnen. Frl. Dr. Henschel-Simon fand in
den alten Katalogen und den gestochenen Hängeplänen
des ersten Galerie-lnspektors Mathias Oesterreich
die Vorbilder, die ihr jene Erneuerung im ursprünglichen
Sinne gestatteten. Niemals könnte eine solche Anord-
nung für unser Sammelwesen vorbildlich werden: eine
lange Galerie, deren eine Seite Lichteinfall durch hohe
Fenster bringt, deren andere eine Wand zur dichteste;:
Aufhängung großer Bilder in zwei Reihen übereinander
darbietet, so daß man seltsamerweise die oberen Bilder
besser sieht als die dem Auge näheren der unteren
Reihe, weil irrnner Spiegelungen dazwischentreten.
Aber der Sinn dieser Restitution ist auch ein ganz an-
dcrer. Hier hat man tatsächlich ein unverändertes Bei-
spiel einer fürstlichen Galerie vor sich, ein Ideal, wie
es dem Rokoko vorschwebte, ins Leben übersetzt: Bau
und Kunstwerke, Raum und Dekoration als vo'll-
kommene Einheit; das einzelne Bild ein Glied im Ge-
samtkunstwerk, die schönen, üppig geschnitzten Rah-
men lückenlos aneinander geschlossen zu einer ein-
zigen ungeheuer langen und hohen Wand von gewaltig
wimmelndem Lcben; Farbe, Darstellung, dekorativer
Sinn der Gemälde im Geiste des Spätbarocks ebenso
stark als Eigenwert wie als Raumschmuck wirkend.

Es gibt in Deutschland kein zweites Beispiel dieses
königlichen Museumsstils, und auch außerhalb Deutsch-
lands existiert wohl kaum ein Fall, wo ein Bau eigens
zum Aufbewahren von Kunstwerken errichtet wurde
in seiner ursprünglichen Anordnung. Die Residcnz in
München, die Pittigalerie, die Galeria Colonna in Rom
sind fürstliche Wohnräume, mit Kunstwcrken überreich
beladen, aber keine eigentlichen Museumsbauten.

Friedrich der Große hat mit nicht sehr erheblichen
Mitteln auch hier etwas durchaus Originales geschaffen.
Anfang 1755 gab er dem Landbaumeister Joh. Gottfried
B ü r i n g den Auftrag für die Galerie, die östlich des
Schlosses Sanssouci, auf dem sogenannten Weinberge,
erbaut wurde. Die Ausführung zog sich infolge des
Siebenjährigen Krieges bis 1764 hin. In der Situation
wie im Bau war Sanssouci das gegebene Vorbild. Reiz-
voll ist die gärtnerische Anordnung mit Terrassen,
Springbrunnen, Laubengängen; fast versteckt im Ge-
camtkomplex von Sanssouci und anregend durcli Ver-
wandtschaft und Abweichendes im Vergleicli mit dem
Schlosse selbst. Der Büringsche Bau ist durch fran-
zösische Vorbilder beeinflußt — Dr. Henschel-Simon
nennt neben Blondel Heres Speisesaal beim Schloß
Malgrange —, wichtiger aber ist in dem überraschend
weiten und prächtigen Innenraum das Beispiel des
Marmorsaals im Schloß Sanssouci. Die Kuppel teilt die
riesige Galerie in zwei schön proportionierte Teile; die
hohe Decke ist flach gewölbt, ihre Dekoration reich,

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