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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Aprilheft
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Simon, Kurt Erich: Bemerkungen zur japanischen Malerei der Gegenwart
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Kubsch, Hugo: Künstlerbriefe
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0243

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Abtönung wirken soll, sei es, daß die Hrscheinung
wesentlich auf das Liniengertist abstrahiert wird, die
Chinesen z. B. hatten ein ganzes System von ,,Run-
zeln“ zur Landschaftsdarstellung aufgestelit. Durch
diese Ausdrucksformehi wurde nur eine Auswahl der
Erscheinungen gegeben, die meist eine ailgemein be-
kannte symbolische oder stimmungshafte Bedeutung
liatten. Die Eigenart der Japaner zeigte sich in der
größeren Freiheit der Linienführung und in der Vertei-
lung der stark gebrochenen Farben. Erst Schulen des
18. Jahrhunderts, in Japan die Maruyama-Shiijö-
Schule, hatten den Formen einen größeren naturalisti-
schen Inhalt gegeben. Aber schon in derselben Zeit
kam die Malerei der Literaten, die Bungjingwa, aus
China nacli Japan und dic äußerste Subjektivität wurde
propagiert. In lockeren Tupfen und Strichen, die gerade
jede kalligraphische Note verleugneten, sollte sich die
persönliche Stimmung des Dilettanten aussprechen.

Die japanische Maierei mußte sich nun in der zweE
ten Eiälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Einbruch der
europäischen auseinandersetzen, die. wie europäische
Wissenschaft und Technik, die Beherrschung der
Außenwelt zu vermitteln schien. Man darf dabei nicht
vergessen, daß die ostasiatische Malerei sich nur in ein-
zelnen Zweigen neue Aufgaben gestellt hatte. Außer
der Maruyamaschule und der Bunyingwa ist mehr in-
haltlich als formal das Akiyoe, die volkstümliche Kunst
der Tokugawazeit, von Bedeutung. Jetzt entstand,
ausgehend von der Maruyamaschule und der akademi-
schen Linienkunst der Kano, ein artistischer Realismus
und ein Idealismus, dessen Naturanschauung inten-
siviert war. Die Modellierung und das „Stoffliche“ der
Oberfläche der Dinge wurden eingehender behandelt,
die Verhältnisse der Figuren sorgfältiger studiert, der
Raum klarer in die Tiefe entwickelt und die Atmos-
phäre reicher abgestuft, aber Licht und Schatten blie-
ben ausgeschlossen. Die alte Technik mit Tusche und
leichten Farben ließ auch in den „impressionistischen“
Flecken die Handschrift sichtbar werden.

In dem wechselnden Streben nach Naturalismus
glaubte man, nur durch stärkere Farben der Natur-
wiedergabe genügen zu können. Man fand die Vorbil-
der in den dekorativen Werken der Körinschule und
malte große Faltschirme mit farbenprächtigen Pflanzen-
und Tierdarstellungen. Aesthetische Theorien vertra-
ten die Ansicht, daß die dekorative Verteilung der
Limien und Farben eine Haupteigenschaft der japani-
schen Malerei sei. Doch der Begriff des Dekorativen
bleibt zu sehr an der Oberfläche und dürfte nicht aus-
reichend sein, das Prinzip der Gestaltung zu erklären.
Wesentlich ist, wie die Komposition durch die Auswahil
der Motive oder die Art des Ausschnitts, unterstützt von
Linienfiihrung und Farbakzenten, auf den Zusammen-
hang mit dem All hindeutet.

Jüngere Maler streben, vor allem in der Landschaft,
danach, den realistischen Gesamteindruck wieder-
zugeben, suchen sich also mit ihren Mitteln der Oel-
malerei anzugleichen. Doch der Pendel schiwingt noch
zurück. Alte Richtungen rein japanischer Malerei, wie
das Yamato-e mit seiner unwirklichen Raum-
darstellung und Farbenschönheit, werden wieder auf-
genommen und vor allem erwachte die bewußt sub-
jektive Kunst der Bunjingwa zu neuem Leben.

Von den hier abgebildeten Gemälden zeigt Noda
Kyüho’ wilder Stier im Gewitter in der kräftigen Kon-
turierung die Ausdruckskraft der Linie, Mizukami
Y a s u o ’ s Karpfen die Kunst, in weichen grau-golde-
nen Tönen die Gestalt des schwimmenden Fisches, aber
auch den prachtvollen Schwung der Bewegung zu
geben. Tamura S a i t e n läßt in seinem Bilde aus
Nara, dem Kasugaheiligtum im Regen, von hohem
Standpunkt in die Wipfel der alten dunkelgrünen, von
Glyzinienblüten behangenen koniferen blicken. Die
Ansicht der rotsäuligen Halle ist für die Art des japani-
schen Raumausschnitts charakteristisch, die Flucht-
linien sind, entsprechend der ostasiatischen Perspek-
tive, nach vorn zusammenlaufend konstruiert.

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Hugo Kubfcb

Tch weiß nicht, ob die Künstler von heute noch Briefe
Aschreiben. Sie sind vielleicht, wie wir alle, bequem
geworden, hängen lieber an der Telefonstrippe, ver-
schleißen ihren Geist im Cafehaus, jagen im erstotter-
ten Auto Erlebnissen nach oder erzählen, was schon
gefährlicher ist, in Katalogvorwmrten zu ihren Aus-
stellungen von ihrer künstlerischen Wandlung. Aber
es sind doch in den letzten Jahren wieder ein paar
Briefbände bildender Künstler herausgekommen, ich
denke da etwa an Emil Noldes Briefe, an die des jun-

gen stürmischen Götz von Seckendorf, an die von Paul
Ortwin Rave gesammelten Briefe des früh verstorbe-
nen Malers Paul Adolf Seehaus. Doch in keinem die-
ser Bände spiegelt sich eine ganze Epoche, keiner zieht
uns in die tiefen seelischen Abgründe, die sich bei
Vincent van Gogh in seinen Briefen an den Bruder Theo
auftun.

Der schreibende Künstler ist ja immer verdächtig.
Das „Bilde Künstler, rede nicht“ ist trotzdem ein allzu
oft überhörter Imperativ. Doch die stärksten Talente,

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