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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Januarheft
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Regling, Kurt: Der Bertram-Altar und die Münzsammlung Knyphausen
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Friedländer, Max J.: C. Hofstede de Groot: seine Schrift "Kennerschaft"
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0143

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übernehmen; der Dezernent der städtischen Kunstpflege,
Senator Dr. Engclke, wie Küthmann von jeher an Münzen
eifrig interessiert, wußte die nötigen Mittel, 45 000 Mark,
bereitzustellen und so konntc die Stadt für ihr Museum
die wichtigsten Miinzen nnd Medaillen, 946 an Zahl, aus-
gesucht vornehmlich nacli dem Qesichtspunkte der
Schönheit und Erhaltung, also dessen, was die Kunst-
historiker von heute mit einem greulichen und falsch
angewandten Fremdworte „Qualität“ nennen, gewinnen!
Damit ist zugleich der ganzen Angelegenheit der Stachel
genommen, der sonst einem solchen „Ausverkauf“ einer
ganzen Museumsabteilung — die Hauptmasse der
Sammlung kam daraufhin eben an Seligmann
zur Versteigerung — anhaftet. Es bleibt natürlich
bedauerlich, daß das Kestner-Museum mit seinen so ver-
mehrten niedersächsischen Münzreihen die monumentale
Ueberlieferung der Münzgeschichte des Landes dennoch
keineswegs iri der Vollständigkeit darstellt, wic es dic
Knyphausen-Sammlung tat, aber eine Art Vollständigkeit
ist durch systematisches jahrelanges Sammeln der im
Miinzhandel leicht greifbaren fehlenden Sorten, Jahr-
gärige und Typen leichter zu erzielen, als „Qualitäts-
stücke“ in der Zalil und Fülle zu bekommen, wie sie das

Kestner-Museum jetzt aus Knyphausen gewonnen hat.
Und ein Prunkstück, wie es das Provinzialmuseum da-
fiir jetzt in Gestalt des Bertram-Altars erworben hat,
wiegt den Verlust der Vollständigkeit der heimischen
Münzsammlung wohl auf!

Nur einen „Haken“ hat die Sachc: wer garantiert
dafiir, daß bei abermals wechselndem Geschmack im Gc-
biete der Kuustgeschichte (denn im Grunde ist es der in
den 44 Jahren, die seit Erwerb der Sammlung Knyp-
hausen verflossen sind, vollzogene Geschmackswechsel
der Museumsverwaltungen vom Historischen zumKünst-
lerischen, der zur Veräußerung der Knyphausen-Samm-
lung zwecks Ankauf des Altars geführt!) nicht eines
4'ages der Nachfolger des jetzigen Leiters den Bertram-
Altar gegen sagen wir eine Sammlung koptischer Stoffe
oder barocken Schmiedeeisens vertauscht? Davor kann
uns nur (das ist die Lehre, die gerade wir Museumskreise
aus dem ganzen Handel zielien müßten) cin R e i c h s -
g e s e t z schützen, das die Verkäufe aus Museums-
besitz, soferu es sich nicht um klare Doppelstücke
handelt, entweder ganz verbietet, oder die entschä-
digungslose Ueberführnng dcr abzustoßenden Sachen an
ein anderes Museum anordnet. Videant consules!

C. fiofücde de Qeoot

Setne Scbßtft „Kennecfcbaft“

oon

jvlax 7. fcicdländec

I-h ine Schrift, die vor drei Jahren in holländischer
Sprache erschienen, nun von Cornelius Müller
pietätvoll ins deutsche übertragen, vor mir liegt,
belebt die Erinnerung an den kürzlich dahinge-
schiedenen Kunstkenner, dessen Charakter sich in
Form und Inhalt jeden Satzes ausprägt. Sein
Leben war in strenger Ausschließlichkeit dem Studium
der holländischen Malerei des 17. Jahrh. gewidmet.
Er spricht aus reicher Erfahrung, definiert den Beruf des
Kenners, wie er diesen Beruf verstand und ausübte, er-
zählt von glücklichen Entdeckungen, berichtet von er-
probten Methoden, gedenkt seincr Vorgänger, belehrt,
warnt und mahnt die Nachfolger und endet in schwer-
mütige Resignation. Für einen Jeden komme der Zeit-
punkt, wo er der Kennerschaft entsagen sollte, ehc daß
die Fähigkeit zu Erkennen von ihm gegangen wäre. Ihn
selber hat der Tod davor bewahrt, den heroischen Ent-
schluß der Abdankung zu fassen. Scharf wendet sich
Hofstede de Groot gegen die ewig-Negativen. Reinigende
Kritik ist sicherlich von Nutzen, befugt dazu aber ist nur,
wer sich in positiv aufbauender Arbeit als „Kenner“
ausgewiesen hat. Alle Meister waren und sind produktiv
und optimistisch, wie Bode, Berenson und Hofstede de
Groot selbst.

Der Verfasser war seiner Sinnesart nach Gelehrter.
Er tritt auf mit ruhiger Ueberlegenheit, nimmt ohne
Eitelkeit auf Grund seiner andauernden, wohl organi-

sierten Arbeit Autorität für sich in Anspruch. Die klare
Sicherheit einer puritanischen Natur gibt seinen Worten
überzeugende Kraft. Die „exakte Kenntnis der Kunst-
werke“ sei Voraussetzung zur erfolgreicheu Leistung.
Dies ist richtig, wie alles richtig ist, was er sagt. Nur
macht er sich und uns niclit klar, was für einc Bewandnis
es mit dieser „exakten“ Kenntnis liabe. Zunächst denkt
man an Daten, Zahlen, meßbare J'atsachen der Form und
Earbe. Wie aber steht es mit der „Qualität“, die docli
nach seiner Aussage letzten Endes entscheidet? Exakte
Kenntnis sollte jedermann mit Ausdauer in gnter Schule
erwerben können. Weshalb sind die Kenner so rar und
heute nicht zahlreicher als ehemals, da es noch keine
Lehrstühle für diese Wissenschaft gab? — Die Tendenz
des „Kenners“ muß fest und gerade auf Fiuduug der
Wahrheit gerichtet sein, und insofern ist er ein Wissen-
schaftlcr, die Begabung aber, oline die niemand mit-
arbeiten kann und auch Hofstede de Groot seine große
Leistung nicht vollbracht hätte, ist der des Künstlers
zwar nicht gleich, aber verwandt, als eine halbe, unzu ■
längliche, sozusagen platonische Phantasie, die statt zu
fliegen, klettert. Davon spricht diese Schrift nicht; der
Verfasser glaubt im Stolz auf seine Vernunft und,
da er als Lehrer Lernbares vorzutragen sich verpflichtet
fühlt, davon nicht reden zu dürfen. Die Begabten
werden seine Erinnerungen mit Nutzen lesen, Unbegabte
vielleicht zu ihrem Schaden daraus schließen, daß auch
sie Kennerschaft erwerben könnten.

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