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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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Juli-Augustheft
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Schapire, Rosa: Die Byzantinische Ausstellung zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0337

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Die Byzantinische Ausstellung zu Paris

Yon

Rosa Schapire-Hamburg

Es hat überraschencl lange gedanert, bis die Um-
wertung aller Werte, in deren Zeichen unsere Kennt-
nis und Betrachtung der Kunst cler Gegenwart uiul
Vergangenheit steht, unser Yerliältnis zur friihchrist-
lichen Kunst 'gewandelt hat. Viel friiher hat man die
besondere Schönheit weit entlegenerer Kulturen er-
faßt als die byzantinischer Kunst, von der das gesamte
Kunstschaffen des europäischen Mittelalters ableitbar
ist uncl deren Ausläufer bis auf den heutigen Tag er-
kennbar sind.

Zum erstenmal wurde im Musee cles Arts decoratifs
(Pavillon Marsan) zu Paris eine internationale Aus-
stellung byzantinischer Kunst veranstaltet (vom

Paris Louvre / Kopf einer Kaiserin,
Marmor, 5. oder 6. Jahrh.

28. Mai bis zum 9. Juli), nncl der Besuch zeigt, daß
die Ausstellung sich trotz ihrer Bedeutung nur an
einen kleinen Kreis interessierter Menschen wendet.
Zum Zustandekommen dieser Ausstellung haben fast
alle europäischen Museen und viele Privatsammlcr
beigetragen, und die französischen Kirchen haben ihre

herrlichsten Schätze zur Schau gestellt. Unter den
Veranstaltern fehlt kein wissenschaftlicher Name von
Bedeutung; dem Ehrenkomitee gehören alle europäi-
schen Gesandten und Minister an so gut wie der hohe
internationale Klerus. Ausgestellt sind tiber 700 Origi-
nalwerke, GroB- und Kleinplastik, Gewebe, Sticke-
reien, Emailarbeiten, Schmuck, Miinzen, Tafelbilder,
ilfustrierte Biicher, Keramik — keines der vielen Ge-
biete, in denen byzantinische Kunst Meisterwerke ge-
schaffen hat, fehlt. Es wäre ein Leichtes gewesen, die
Zald der ausgestellten Gegenstände zu verdoppeln
oder zu verdreifachen; der große Yorzug der Ausstcl-
lung besteht darin, daß sie iibersehbar ist und fast nur
Werke von hohem Range zeigt. Dazu kommt die vor-
bildliclie Anordnung der Yitrinen; jeder Gegensiand
kommt zu seinem Recht, das Auge gleitet entziickt
vom Glanz schimmernden Emails zum warmen Braun
des Elfenbeins, zu den Rundungen silberner Gefäße,
zur feierlichen Pracht kostbarer Gewebe und Sticke-
reien, zu schlanken Glasgefäßen, zu Sclimuck von
unerhörter Schönheit, zu Miniaturen auf Purpur- und
Goldgrund, die etwas von der starren Großartigkeit
ravennatischer Mosaiken haben.

Da das Eindrucksvollste byzantinischer Kunst:
die Hagia Sopliia zu Konstantiuopel, die Kirchen zu
Ravenna, Palermo, Monreale, Cefalu, San Marco in
Yenedig und vieles andere an Ort und Stelle ge-
bunden ist, hat man durch Ausstellung von Plioto-
graphien und Kopien auch von diesen Denkmälern
eine Yorstellung zu geben versucht, wobei sich
wieder einmal erwiesen hat, um wieviel eindrucks-
voller und lehrreieher gute Photographien sind als
selbst lebensgroße Kopien von Mosaiken und Fresken,
die neben Originalkunstwerken unerträglich sind. Be-
sonders zu begriißen sind Photographien der noeli so
wenig bekannten Kirchen in Georgien, Armenien
und Syrien.

Mit dem weit verbreiteten Vorurteil von der Starre
und Unwandelbarkeit byzantinisc-her Kunst räumt
die Ausstellung griindlichst auf. Wie wäre Starre und
Unwandelbarkeit möglich bei der ungeheuren räum-
lichen und zeitlichen Spanne byzantinischer Kunst?
Sterbende Antike, uralte Formen, die sich ausgelebt
haben, und das Drängende, Neue barbarischer Yölker,
Europa und Orient strömen zusammen und geben
dieser Kunst ihr eigenartiges und großes Gesicht.

Es war Weltenwende als Konstantin der Große 530
Byzanz seinen Namen gab und der neuen Ilauptstadt
den Glanz des alten Rom verlieh. Unterirdisch waren
manche Kennzeichen der neuen Kunst schon vorher
wirksam gewesen, aber jetzt erst wird das Christen-
tum Staatsreligion und der Zuzug fremder Künstler
in die Hauptstadt beginnt. Ganz Europa, Kleinasien,
Syrien, Ägypteu, Nordafrika war dem neuen Reich
 
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