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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Martin Wilhelm; Poulsen, Frederik; Sirén, Oswald: Wie wir die Berliner Museen sehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0055

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IDte imt? die Beclmet? JMufeen (et)cn

Uvteile des Auslandes

LD. jvtacttn — dcn )daag

Der Direktor des Mauritshuis im Haag,
Professor Dr. W. Martin, sandte uns auf die Bitte
des „Kunstwanderers“ sein Urteil über die neu-
eröffneten Museen.

■ |ern leiste ich der freundiichen Bitte des „Kunst-
wanderers“ Folge, um me'in kurzgefaßtes Urteii
abzugeben über den Eindruck der neuen Berliner
Museen. Jener Eindruck ist am besten zusammengefaßt
in dem Wort „überwältigend“. Nicht nur wegen des
imposanten Pergamon-Museums, weiches seinesglei-
chen nicht kennt, sonderu auch wegen der Fülle des im
Deutschen Museum Gebotenen, der lehrreichen Auf-
stellung in allen Abteiiungen, des geschmackvoilen
Arrangements. Und daß dies alles möglich war trotz
der größten Schwierigkeiten sowohl bauticher wie finan-
zieiler Art, läßt sich nur daraus erklären, daß in Berlin
mit zäher Ausdauer, bewundernswertem Fleiß und be-
neidenswerter fachmännischer Kenntnis gearbeitet wor-
den ist.

Der Zuweg vom Kaiser-Friedrich-Museum aus be-
friedigt nicht ganz, aber schon gieich im Durchgang
wird man durch die herrliche Auslese von Zeichnungen
dermaßen der Wirklichkeit entrückt, daß man jenes
Uebel, welches wohl beseitigt werden w'ird, leicht ver-
gißt. Dann oben bei den frühen Niederiändern und
Franzosen, welch ein Genuß! Hier ist, trotz offenbaren
Geidmangels, welcher das Anschaffen eines besseren
Wandbehangs verhinderte, doch ein geschmackvolles
Ganzes erreicht. Die Zusammengruppierung deutscher
Malerei und Skulptur wirkte auf mich persönlich sehr
angenehm.

Etwas leer wirken bis jetzt noch die deutschen
Räume unten sowie auch der sich jenen anschiießende
byzantinische. Jedoch wird ja dies auf die Dauer
besser werden je mehr Neuerwerbungen hinzukommen.
Im ganzen fand ich diese Räume, als Uebergang von der
Intimität der genannten Oberlichträume zu der Monu-
mentalität des Pergamon-Museums sehr geiungen.

Ueber letzteres kann man nur staunen. Der bläu-
liche Hintergrund im Aitarsaal wirkt vortrefflich. Nur
heben sich die alten Teile nicht genügend von den neuen
ab. Dies wäre durch Tönung der Zutaten zu erreichen.
Oder bringt die Zeit diese Tönung von selber? Das-
selbe wünscht man sich auch bei den asiatischen Bau-
ten. Ich glaube nicht, daß ein einziger unter den zahl-
losen ausländischen Gästen, welche so herzlich und
gastfrei in Berlin empfangen wurden, einen anderen Ein-
druck als den des Staunens und der Bewunderung be-
kommen hat. Ich wenigstens habe kein Wort des
Tadelns und nur Worte des Lobes vernommen an jenen
un.vergeßlichen Tagen. Möge es den Museen, auf die
die Stadt Berlin, der Preußische Staat und ganz
Deutschlaud stolz sein mögen, auf alle Zeiten gut gelien!
Und möge in allernächster Zeit eine wenn noch so ein-

fache Brücke unmittelbar von der Straße zum Perga-
mon-Museum führen, damit der Eindruck des wunder-
baren Altar-Baues noch gesteigert wird.

deri Haag, den 6. Oktober 1930.

*

pccdectk Poulfcn — Kopenbagcn

Der Direktor der Ny Carlsberg Glyptothek in
Kopenhagen, Professor Frederik Poulsen, sendet
uns auf die Bitte des „Kunstwanderers“ folgendes
Urteil:

ei der Eröffnung des Pergamon-Museums traf ich
einige Fachgenossen alten Schlages, welche die
Wiederherstellung vom Zeusaltar und vom Ishtartor als
Kulissenwerk oder als eine Art von Panorama miß-
billigten. Es gibt tatsächlich auch iu der modernen
Archäologie Rekonstruktionen, die in bedenkliche Nähe
der spanischen oder holländischen Dörfer in Kopen-
hagens Tivoli oder anderen Vergnügungsetablissements
kommen, und zu denen rechne ich z. B. den Wieder-
aufbau von dem Palast von Knossos durch den ver-
dienstvollen englischen Forscher Arthur Evans, der in
seinen Innenräumen und Loggien dieselben Farben und
dieselben Motive iu eiuer Weise wiederholt, daß mau
sich sagen darf: „So hat ein phantasievolles Volk wie
die alten Kreter nicht gebaut oder dekoriert“.

Aber iu den neuen deutschen Museen liegen die
Verhältnisse doch ganz anders. Die Front des großen
Altars ist richtig, auch wo das alte Material fehlt, die
Dimensionen und die Formen sind dieselben wie im
Altertum, nur die Farben fehlen und miissen in der
Phantasie ergänzt werden, Und die anderen, die seit-
lichen Reliefs des Altars sind in der alten Lage, in der
ursprünglichen Höhe oberhälb des Bodens sichtbar,
während sie früher, und in den Abgußsammlungen
immer noch, niedrig oder ganz zufällig aufgestellt
waren. Hier wirken zum ersten Mal seit dem Alter-
tum die Götter und G'iganten, so wie sie auf den Be-
schauer des Altars gewirkt häben müssen. Früher lialf
keine Phantasie dem Betrachter zur wahren Einsicht,
denn die Einwirkung solcher Skulpturen hängt ganz von
ihrer Entfernung von den Augen des Zuschauers ab,
und da gibt es nur eine richtige Entfernung: die von den
Künstlern selbst beabsichtigte.

Bei der Rekonstruktion des Ishtartores fehlen sogar
die Farben nicht, so treu bewahren die glacierten Zie-
gel alle Farbnuancen. Was war Babylon vor zehn
Jahren? Schutthaufen in der mesopotamischen Einöde
und Abbildungen von farbigen Teilstücken. Selbst der
phantasiebegabte Altertumsfreund sah nicht Babylon,
wie es gewesen ist. Da steht nun die Rckonstruktion
vor unseren Augen, so wie der deutsche Fleiß sie ge-
schaffen hat, man hat hie und da neue Stücke eingefügt,
aber keine Linie, keine Dimension, keine Farbe, kein
Ornament, kein Tier oder Fabeltier ist gefälscht, ist

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